Kultur

Wie steht, sitzt und liegt der Mensch? Fritz Wotrubas Antworten als bildhauer zeigt derzeit eine wunderbare Ausstellung in Neumarkt. (Foto: Andreas Pauly)

15.02.2013

Kompromissloser Baumeister

Der Stein als Gegner: Fritz Wotruba im Museum Lothar Fischer in Neumarkt

Er ist die Verkörperung des Bildhauers schlechthin: Für Fritz Wotruba (1907 bis 1975) ist der Stein vor allem Masse und Widerstand. Michelangelo wollte die Form aus dem Stein befreien; Elias Canetti hingegen schreibt in seinem unübertroffenen Essay von 1955 über den Freund Fritz Wotruba, der Stein sei für den, „der ihn behaut, wie für sein Werk, das sicherste und unauflöslichste Gefängnis. Der Widerstand des Steins, der den Mann dazu treibt, ihn wegzuschlagen, lockt ihn tiefer und tiefer in den Kerker hinein“.
Bei den Gemeinsamkeiten, die die wunderbare Ausstellung Stehen – Sitzen – Liegen im Museum Lothar Fischer in Neumarkt zwischen Fischer und dem Österreicher Fritz Wotruba postuliert, ist der entscheidende Unterschied eben dieser: Bei Wotruba geht es um den Widerstand des Steins – bei Fischer um die Fügsamkeit des Tons. Macht bei Wotruba der Block die Figur aus, so ist es bei Lothar Fischer die Hülle.
Es geht um den Menschen in seinen körperlichen Grundhaltungen. Durch das ganze Werk Wotrubas wird die menschliche Figur in allen Positionen durchdekliniert. Dabei bleibt sie statisch, selbst wenn ein Bein schreitend ausgestellt ist; die ruhende Haltung entspricht Wotrubas Vorstellung des blockhaften Bauens mit einem Minimum an Formen bei gleichzeitiger Steigerung der Klarheit seiner künstlerischen Aussage.
Die Neumarkter Ausstellung führt anhand ausgewählter Exponate aus den 40er, 50er und 60erJahren die Entwicklung im Werk vor. Zwischen der Sitzenden Figur von 1948 und der Großen liegenden Figur von 1960 vollzieht sich der Übergang von anatomisch gestalteter Figur zur nach tektonischen Gesetzen strukturierten Form. Hier passiert keine Anverwandlung von Natur, wie etwa bei Henry Moore; es findet ein Ausloten der Spannung zwischen Menschenform und Naturform statt. Wohl nimmt der Bildhauer Maß an der Natur – der Baumeister aber ist er selbst.
Die Beschäftigung mit dem Torso entspricht Wotrubas Konzentration auf die Dynamik einer Figur, die sich nach innen entwickelt. Auch dazu hat Elias Canetti entscheidend angemerkt: Man wird auf die Armlosigkeit erst gar nicht aufmerksam, so in sich vollkommen wirkt die Gestalt.
Allein der vollendete Torso aus Laaser Marmor (1969) lohnt es, zur Neumarkter Ausstellung zu pilgern, die eine Fülle von Exponaten vereint, wie sie in Deutschland bisher nicht gezeigt wurde; nach Wotrubas Tod im Jahr 1975 gab es eher weniger Ausstellungen, was daran liegen mag, dass so kompromisslose, wenig gefällige Bildhauerei den Blick des Betrachters besonders fordert: Es geht um Substanz, nicht um Oberfläche.
So lapidar – hier wörtlich zu nehmen – seine Skulpturen dastehen, so zart und empfindsam scheinen die Aquarelle und Zeichnungen in der Ausstellung; bei aller Tektonik und Strenge der Figuren ist Nähe spürbar. (Ines Kohl) Bis 28. April. Museum Lothar Fischer, Weiherstraße 7a, 92318 Neumarkt.
Mi. bis Fr. 14 – 17 Uhr, Sa./So. 11 – 17 Uhr. www.museum.lothar-fischer.de

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