Kultur

Erwin Eisch 2007 in seinem Frauenauer Atelier. (Foto: dpa/Armin Weigel)

28.01.2022

Kreativ am Schmelzofen

Zum Tod von Erwin Eisch, dem Motor der Studioglasbewegung in Deutschland

Immer voller Tatendrang und Neugier – auch voller Widerspruchsgeist: Erwin Eisch, der „Bayerwaldler“, sorgte bereits in den 1960er-Jahren in der Münchner Kunstszene für Unruhe. Er und seine spätere Frau Gretel Stadler gehörten zu den Gründungsmitgliedern der Münchner Gruppe Spur (1957 ins Leben gerufen), bald scherten die beiden jedoch wieder aus und gründeten mit Max Strack 1959 die Gruppe Radama.

Weniger theorielastig, wollten sich die drei vor allem mehr mit Bildhauerei befassen. Radama betrat die Münchner Kunstbühne mit einem Paukenschlag: Mit einer Gedenkausstellung für das Maler-phantom Bolus Krim sorgte das Trio für einen hübschen Schwabinger Kunstskandal. Hier kam unter der Regie von Erwin Eisch erstmals Glas wegweisend als radikal künstlerisch konzipiertes Material gleichberechtigt neben den klassischen Kunstmaterialien zum Einsatz. Es dürfte sich um ein erstes künstlerisches Happening in Deutschland gehandelt haben.

Aktuelle Ausstellung

Die Geschichte der Gruppe Radama ist aktuell gerade noch rechtzeitig zu Lebzeiten von Erwin Eisch vom Museum Lothar Fischer in Neumarkt/OPf. aufbereitet und mit einem Katalog gewürdigt worden.

Schon in den 1950er-Jahren hatte Eisch in der elterlichen Glashütte praktische Erfahrungen mit heißem Glas sammeln können. 1962 heirateten Erwin Eisch und Gretel Stadler und gingen zurück nach Frauenau in den Bayerischen Wald, um weiter in der Glashütte Eisch zu arbeiten. Dort besuchten im August desselben Jahres Bess und Harvey Littleton auf ihrer Europareise das Ehepaar Eisch. Durch einen unorthodox geformten Glaskrug, den Harvey Littleton in Zwiesel gesehen hatte, war er neugierig geworden. Das Zusammentreffen von Eisch und Littleton gilt als die Geburtsstunde einer neuen Ära der Kunst des Glasmachens. Die gemeinsame Leidenschaft für das freie Experimentieren an selbst gebauten Studioglasöfen begründete einen regen künstlerischen Austausch zwischen Europa und den USA.

Die Studioglasbewegung war damit in Deutschland angekommen, mit Erwin Eisch wurde der Glasmacherort Frauenau für Jahrzehnte das Mekka der Studioglasbewegung. Die internationalen Glassymposien Frauenau wurden von Eisch organisiert. Mit Narziss – ein Interieur, heute im Glasmuseum Frauenau, schrieb Erwin Eisch Kunstgeschichte.

Initiator des Glasmuseums

Zusammen mit dem ehemaligen Frauenauer Bürgermeister Alfons Hannes war Eisch Initiator des 1975 eröffneten Glasmuseums Frauenau, das 2005 durch einen transparenten Neubau an derselben Stelle erneuert wurde. Der Künstler war auf vielen Bühnen präsent. 1981 spielte er den Fremdenführer in Herbert Achternbuschs Film Das letzte Loch, seine Malereien im Kreiskrankenhaus Bad Kötzting sorgten für gemischte Begeisterung in der Region. Die Malerei nahm bei ihm mit zunehmendem Alter einen immer größeren Stellenwert ein.

Wackersdorf, Tschernobyl, Massentierhaltung und das Waldsterben wurden seine Themen, unter der Gegnerschaft des Nationalsparks Bayerischer Wald machte er sich viele Feinde. 1987 rief er mit Gretel Eisch die freie Akademie Bild-Werk Frauenau e.V. ins Leben.

Frauenau, wo er 1927 geboren wurde, war für ihn der Nabel der Welt, eine Zeit lang war es der Nabel der Glaswelt mit Erwin Eisch mittendrin. In der Nacht zum 25. Januar ist Erwin Eisch in Frauenau verstorben. (Ines Kohl)

 

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