Kultur

Karl Fritsch provoziert mit Materialkombinationen und mit Formen: Mit Stahlnägeln wie vom Bau durchbohrte und fixierte Karl Fritsch einen Diamanten auf einem Goldring. Rechts weitere Beispiele. (Foto: Galerie Zink Waldkirchen)

09.10.2020

Kunst am Finger

In der Waldkirchener Galerie Zink zeigt Karl Fritsch seine außergewöhnlichen Ringkreationen

Der Ring sagt: „I am a ring“. Der Finger erwidert: „Aber du bist untragbar.“ Die beiden setzen ihren Disput fort: „I am art“ (Ring) – „Oh, come on“ (Finger). Dass Ringe in der Art reden können, traut man jenen zu, die Karl Fritsch derzeit auf zwei  langen schwarzen Samtbahnen in Augenhöhe mitten in Michael Zinks Waldkirchener Galerie in der Oberpfalz wie auf einer Bahn für Modellautos ins Rennen schickt. Der 1963 in Sonthofen geborene Künstler mit Studienstationen in Pforzheim und München lebt heute in Neuseeland. Längst sind seine Arbeiten im Metropolitan Museum of Art oder im Victoria & Albert Museum London zu sehen. Denn diese Ringe sind keine Glitzerstücke, deren Wert sich in aktuellem Goldpreis und Karat bemisst, sondern sie behaupten es nicht nur – sie sind Kunst. Am nächsten benachbart der Bildhauerei.

Hämmern und kleben

Fritsch fragt auch nicht, weshalb und bei welcher Gelegenheit Frau oder Mann Ringe tragen kann und will. Er veredelt kostbare oder billige Steine auch nicht, sondern belässt sie in ihrer ursprünglichen Belanglosigkeit oder Schönheit, kombiniert Aluminium mit Edelsteinen, billiges Industriematerial und edle Raritäten, hämmert oder klebt zusammen.

180 Unikate von Karl Fritsch kann man in Zinks fashionabler Galerie in einem faszinierenden Ausstellungssetting wie in einer Inszenierung betrachten, kann das haptische Erlebnis genießen, weil man jeden Ring anfassen und ausprobieren darf. Denn so einfach trägt sich ein „Fritsch“ nicht. Riesenklunker können das sein, übereinander geschichtete Blöcke von imitiertem Aquamarin und Glas. Oder ein gravierter Siegelring mit Schmucksteinen oder dem Bekenntnis zu Nudelsuppe und bayerischer Heimat. Wie bei einem Schlagring reckt sich die Silberfaust, brutal sind Topase auf einen Weißgoldring genagelt oder alte Großmutterringe zu einem neuen Ensemble kombiniert, aus dem phallische Lippenstifte herausragen. In einer früheren Darstellung der sieben Todsünden hatte Fritsch das denn als „luxuria“ (Wollust) bezeichnet. Heute kommt er meistens ohne Titel aus, trotzdem erzählt jeder Ring eine Geschichte – oder die Phantasie erfindet sie sich selbst.

Man sollte ein Faible haben für das Rohe, Ungeschliffene, für Konglomeratgestein, für primitive Kunst, Arte povera – aber auch einen Blick für Feinheiten haben, die sich in diesen Assemblagen verstecken. Man kann auf Entdeckungsreise gehen, wenn sich gefährliche Schlangen über Opale aus dem australischen Outback oder über ausgelassen bunte Edelsteinkollektionen schlängeln.

Wollen Schmuckbesitzer*innen aber tatsächlich quasi eine Ausstellung von Zirkoniasteinen mit sich herumtragen? Dass das allein vom Gewicht und der Größe her nicht so einfach ist, kümmert Fritsch offenbar wenig.

„Wir brauchen Schönheit, aber keine Regeln“, schreibt Michael Zink dazu im bibliophilen Katalog mit Abbildungen der tollsten Stücke dieser Schau. Aber Papier ersetzt nicht die Verblüffung, mit der man das Mirakel dieser Ausstellung, die schlicht Ruby Gold heißt, besucht und in der manches nach dem Ring des Nibelungen aussieht, der Weltherrschaft verleiht. (Uwe Mitsching)

Information: Bis 20. Dezember. Galerie Zink, Waldkirchen 2, 92358 Seubersdorf i. d. Opf., So. 14.30-19 Uhr und nach Vereinbarung.

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