Kultur

Der Nürnberger Akademieprofessor Josef Pöhlmann arbeitet 1936 am Schild für das „Gästehaus Reichsparteitag“ der NSDAP. (Foto: Museen Stadt Nürnberg)

31.08.2012

Kunst im Dienst der Partei

Die Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg während des Nationalsozialismus

Eigentlich könnte die älteste deutsche Kunstakademie, die 1662 gegründete Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, mit einem gewissen Stolz ihr 350-jähriges Jubiläum feiern. Wären da nicht die unrühmlichen Jahre zwischen 1933 und 1945, als dort mit einigen Professoren die zeitgenössische, völkisch auf „Blut und Boden“ eingestimmte Kunstgesinnung Platz griff – gipfelnd im Jahr 1940, als Hitler persönlich die damalige Staatsschule für angewandte Kunst (im bürokratischen NS-Jargon kurz Stafag genannt) zur Akademie der Bildenden Künste in der Stadt der Reichsparteitage erhob und seinen Lieblings-Landschaftsmaler Hermann Gradl zu deren Direktor kürte.
Jetzt dokumentiert die Ausstellung Geartete Kunst dieses Kapitel der Akademie in einem kolossalen Gebäude der Nazis, das nicht den genius loci, sondern eher den Ungeist dieses Ortes beschwört: die Kongresshalle auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg, erbaut für Hitlers alljährliche Heerschau von dem Architekten Franz Ruff, Professor für Architektur an der Nürnberger Akademie. Heute ist dort das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände der Städtischen Museen Nürnberg untergebracht.
Nicht von ungefähr spielt der Titel der Ausstellung Geartete Kunst auf die von den Nazis als „entartet“ diskreditierte Kunst der Moderne an, die sie 1937 in München mit der Ausstellung Entartete Kunst verfemten.
Mit Texttafeln, Fotografien, originalen Dokumenten und Biografien der willfährigen oder bald nach 1933 von der Akademie entfernten missliebigen Professoren zeigt die Ausstellung vor allem, dass die „Kunst der Nazis“ nicht vom Himmel fiel: Sie stand in Traditionen, die im 19. Jahrhundert schon angelegt waren und sich nicht zuletzt aus dem Historismus des deutsch-biedermeierlichen Bürgertums und des deutsch-kaiserlichen Wilhelminismus nährten und auch an so mancher deutschen Kunsthochschule und Akademie in Mode standen. Wovor auch die 1928 in Staatsschule für angewandte Kunst umbenannte Nürnberger Kunstgewerbeschule nicht gefeit war, die etwa mit dem Bildhauer und Julius-Streicher-Schützling Wilhelm Nida-Rümelin oder dem auf den deutschen Reichsadler spezialisierten Kunstschmied Josef Pöhlmann das Deutsche in der Kunst, ganz im Geiste der Anti-Moderne der Weimarer Zeit, hervorkehrten. Traditionen einer völkisch-vaterländischen Kunst, die die Nazis für ihre der arisch-germanischen Rasse verschworene Blut-und-Boden-Ideologie nur in Dienst zu nehmen brauchten.

Ein „anständiger Kerl“

Dafür, für diese ungebrochenen Traditionen und Kontinuitäten steht geradezu exemplarisch auch Hermann Gradl, den Hitler 1937 in Nürnberg kennenlernte und von dem er – angesichts seiner Bilder deutscher Landschaften – sagte: „Wer solche Bilder malt, der muss ein anständiger Kerl sein!“ 1938 wurde Gradl auf Geheiß Hitlers als Lehrer an die Nürnberger Staatsschule für angewandte Kunst berufen, deren Direktor und späterer Präsident er 1939, wiederum auf Veranlassung Hitlers, wurde. Für den Speisesaal der Neuen Reichskanzlei in Berlin orderte Hitler bei Gradl sechs monumentale Landschaftsgemälde, betitelt Hochgebirge, Bächlein, Seenlandschaft, Flaches Land, Flusslandschaft, über deren Fertigstellung und späteren Verbleib jedoch nichts überliefert ist: 120 000 Reichsmark gingen allerdings 1941 bei dem so zum „Führer-Maler“ nobilitierten (und in die so genannte Gottbegnadeten-Liste der zwölf wichtigsten deutschen Maler aufgenommenen) Gradl ein. 1945 wurde Gradl seines Amtes als Akademiepräsident zwar enthoben, jedoch 1948, nach seiner Einstufung durch die Spruchkammer als Mitläufer, wieder eingesetzt, hoch angesehen und geehrt vor allem in seinem Geburtsort, dem unterfränkischen Marktheidenfeld.
Die Nürnberger Akademie und besonders ihre Professoren lebten von den Auftragsarbeiten hoher Nazi-Bonzen und ihrer Chargen nicht schlecht, zumal sie diese eigentlich privaten Aufträge in ihren Ateliers in der Akademie und zusammen mit ihren Studenten ausführten. Die meisten von ihnen, von den Spruchkammern zumeist als Mitläufer eingestuft, konnten ihre Tätigkeit nach 1945 an der Akademie fortsetzen.

Der Adler blieb

Dass die Entnazifizierung nicht nur Personen betraf, sondern dass auch Werke und Objekte, die im Dienste und im Geiste des Nationalsozialismus entstanden, „entnazifiziert“ wurden, zeigt die Ausstellung ebenfalls. Runen und Hakenkreuze wurden aus Dekors und Reliefs entfernt – der deutsche Adler blieb. Im Deckenmosaik der so genannten SS-Kaserne auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände, bis heute erhalten, fehlen zwischen zwei Fackeln nur die beiden SS-Runen. Ein Wandteppich, aus dem nur ein Zitat Hitlers durch einen Spruch von Hans Sachs ersetzt wurde, hing bis in die 1970er Jahre im Nürnberger Rathaus. Die „politische Ikonografie“ der Nazis lebte lange fort und ihre meist nur oberflächlich getilgten Spuren sind oft noch sichtbar.
Was immer noch fehlt, ist die große dokumentarische Ausstellung über die „Kunst im Dritten Reich“, die sich diesem Erbe stellt. Nürnberg, die einstige Stadt der Reichsparteitage, der Nürnberger Rassegesetze und freilich auch der Nürnberger Prozesse wäre der richtige Ort für diese längst fällige Ausein-andersetzung mit dieser immer noch mystifizierten, wenn auch zum Tabu erhobenen „Nazi-Kunst“ – um diese Vergangenheit nicht zu bewältigen, wohl aber zu vergegenwärtigen. (Friedrich J. Bröder)

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