Kultur

"Pink Void" durchmisst den Querschnitt des Grabens und markiert zugleich einen brachialen Einschnitt. (Foto: Nikolas Pelke)

04.06.2021

Kunst lockt in den Graben

„Lost & Found“ in Nürnberg: Elf künstlerische Duos interpretieren die Folgen der Corona-Krise

Ein wenig verloren wirken die Kunstinstallationen im großen Nürnberger Burggraben auf den ersten Blick schon. Auf dem Rasen in der tiefen Schlucht zwischen den massiven Mauern verteilen sich bunte Artefakte wie Spielzeug im Kinderzimmer. Einige kündigen – wie die wehenden Fahnen über der Burgbastei – schon von Weitem die temporäre Kunstaktion unter freiem Himmel an.

Wer die Übersicht vom Straßenniveau aus verlässt und in den Graben hinabsteigt (der gegen die landläufige Meinung niemals mit Wasser gefüllt gewesen ist), erlebt schlagartig einen Perspektivwechsel. Plötzlich wirken die kleinen Kunstwerke fast schon gigantisch groß. Erst aus der Nähe kann man die wahre Dimension des Kunstparcours mit seinen 25 Werken im Schatten der Kaiserburg zwischen Haller- und Tiergärtnertor erleben.

Über Disziplinen hinweg

Für die Aktion Lost & Found 2 hat das Kulturamt der Stadt auf das Erfolgsrezept aus dem Premierenjahr des Corona-Sonderformats gesetzt und erneut Kunstschaffende eingeladen, sich eine Partnerin oder einen Partner aus einer anderen Disziplin auszuwählen, um als Duo ein gemeinsames Werk zu schaffen. Insgesamt haben sich elf Künstlerpaare aus unterschiedlichen Fachrichtungen von Architektur bis Bühnenbild, von Design bis Malerei gesucht und gefunden. Ihre Aufgabe war es, auf das genauso beeindruckende wie wuchtige Sandsteinambiente des Burggrabens ortsspezifisch zu reagieren.

Im Ergebnis zeigen sich ganz unterschiedliche Antworten, deren Gemeinsamkeit wohl sinnigerweise in der Suche nach den Folgen der Corona-Krise besteht. Häufig werden deren Auswirkungen auf die Umwelt thematisiert. Neben der Rettung der Menschheit vor dem Virus soll die Rettung der Schöpfung vor den Schäden der Zivilisation offensichtlich nicht vergessen werden.

Mit seinem Audio Igloo hat beispielsweise Benoît Maubrey eine Skulptur aus 300 recycelten Lautsprechern und Elektroteilen geschaffen, die das seit der Pandemie etwas in Vergessenheit geratene Bestreben nach Nachhaltigkeit und Umweltschutz in den Fokus rückt. Im Inneren des Iglus sorgt Paul Bießmann mit einer interaktiven Installation für den passenden Sound. Die Bewegungen der Besucherinnen und Besucher werden in Musik und Geräusche übersetzt, die fast wie in einem Liebesnest explizit auch gemeinsam erforscht werden dürfen. Der runde Sound-Tempel will damit soziale Kontakte trotz viraler Distanz wieder möglich machen.
Mit den negativen Folgen der Pandemie für die Umwelt beschäftigt sich auch Linda Männel mit ihrer Arbeit Plastikflut. Weil seit dem Beginn der Corona-Pandemie die Menge an Haus- und Plastikmüll in Deutschland deutlich gestiegen sei, lässt Linda Männel aus den Schießscharten der Burgmauer eine bunte Plastikflut in Form von in feine Streifen geschnittenen Gewebeplanen und Gerüstschutznetzen wie Fahnen wehen. Nach der Kunstaktion sollen die Plastikbahnen, die von ortsansässigen Baufirmen ausrangiert worden sind, vorschriftsmäßig recycelt werden.

Vielsagend verpackt

Einen pinkfarbenen Teppich über der Burgmauer ausgerollt haben das Architekturkollektiv Super Future Collective und Dominik Schoell, DJ und Bildhauer, mit ihrer raumgreifenden Installation Pink Void, die nicht nur den architektonischen Querschnitt des Burggrabens nachzeichnet, sondern auch weithin sichtbar den Einschnitt markieren will, den die Pandemie in unserem Leben hinterlassen hat.

Während die einen die Mauer also in pinkfarbene Bahnen verpacken, seifen Wolfgang Karl May und Jakob Wirth das Bauwerk regelrecht ein. Unter dem Titel Washed Away soll die Burgmauer als zwiespältiges Sinnbild zwischen Sicherheit und Isolation mit einer „Schaumparty“ aus zerplatzenden Seifenblasen symbolisch gereinigt werden. Die beiden Aktionskünstler versuchen offensichtlich abzuwaschen, was wie Gefahr und Unsicherheit nicht wirklich abwaschbar ist.

Dieser Kunstparcours ist ebenso unterhaltsam, wie er zum Nachdenken anregt. (Nikolas Pelke)

Information: Bis 20. Juni. Täglich 9 bis 22 Uhr. Begleitprogramm unter www.nuernberg.de/internet/nuernbergkultur/lost_and_found_2021.html

 

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