Kultur

Über den ganzen Galerieboden sind 32 Zähne aus Steinsalz verstreut. (Foto: Zink)

27.03.2020

Kunst und Corona in Waldkirchen

Michael Zink setzt auf das Internet und den Kunstkauf via Katalog

Die zwei miteinander verbundenen Stühle („Crossed Leg Chair“) vor dem Ausblick über die menschenleeren Weiten des Oberpfälzer Jura gingen vor ziemlich genau einem Jahr durch das gesamte Kunstfeuilleton. Da hatte ein Galerist aus Berlin doch mitten im Nirgendwo zwischen Nürnberg und Regensburg eine schicke Galerie eröffnet, sich von Schweizer Architekten einen Kunstort bauen lassen – angelehnt ans alte Pfarrhaus und die Wallfahrtskirche von Waldkirchen (Landkreis Freyung-Grafenau). Denn Michael Zink hatte nach Jahren in Regensburg, München, New York und Berlin beschlossen: „Ich brauche Natur um mich herum und will ein großes Maß an Lebensqualität!“ Und für sein Business hatte Zink zwei Antworten parat: „Die Kundschaft kommt auch hierher“ und „Das Internet hilft, der Kunstkauf findet im Katalog statt.“

Keine Vernissage

Jetzt ist der Ausblick vom Atelier über den Jura immer noch menschenleer, die neue Ausstellung ist aufgebaut, die Bilder hängen – aber wegen Virus keine Vernissage, keine analoge Kundschaft wie überall. Und wer sehen will, was die beiden Künstler Michael Sailstorfer aus Berlin und Matías Sánchez aus Sevilla bei Zink ausstellen, tut’s per Website, Instagram oder E-Mail. Immerhin, daran, wie Zink und seine Familie da in Waldkirchen leben, habe das Virus nicht viel geändert: „Wir sind in der Situation, dass sich unser Leben nicht gravierend verändert hat: geringe Menschendichte, wir können raus in die Natur, wir haben Platz“, sagt Zink. Wird aber dann doch nachdenklicher: „Die Situation widerspricht natürlich dem Wesen einer Galerie, wir verkaufen zwar noch, aber der Umsatz ist trotzdem eingebrochen, ein Glück, dass die Speditionen noch fahren, Kunstwerke bringen und man welche verschicken kann.“ Und als Geldanlage sei Kunst ohnehin kritisch, höchstens die Überschüsse aus lukrativen Aktiengeschäften seien bisher in den hochpreisigen Kunstmarkt geflossen.

„Wir müssen irgendwie versuchen, normal weiterzuarbeiten“, meint Zink – weitab von jeder Laufkundschaft, aber immerhin noch in Verbindung zu seinen Künstlern und deren Käufern, zum Beispiel in Ostasien: „Da scheint das normale Leben wieder zu beginnen. Das beruhigt mich.“ Den andalusischen Künstler Matías Sánchez, der mit seiner Familie den März über „Artist in Residence“ in Waldkirchen war, hat Zink gerade noch kurz vor Toresschluss zum Flughafen gebracht, von anderen Künstlern weiß er: Sie nehmen sich Papier und Farbe mit nach Hause. Oder der Holländer und Textilkünstler Klaas Rommelaere schickt Material und Entwürfe an die älteren Damen, die auch sonst für ihn sticken. Fertige Einzelteile gehen dann an ihn zurück, er fügt alles zu seinen Patchworks zusammen.

Pause machen

Oder Gregory Forstner in Paris: „Der macht notgedrungen erst mal Pause.“ Eigentlich wollte Zink noch Interviews und kleine Filme fürs Netz machen, aber da war das Virus schneller als er. Es ist wie in anderen Galerien und Museen: Das Internet macht es auch bei ihm möglich, durch die neuen Sachen und alten Bestände zu streifen. Und sogar Spaß dabei zu haben. Etwa wenn er jetzt noch mal seinen Bier-Kronleuchter („Hangover“) von Michael Sailstorfer ins Foyer hängt. Vier Etagen hoch, als wär’s in der Staatsoper und mit überschlägig 150 Flaschen „Gansbräu Hell“ aus einer benachbarten Brauerei bestückt.

Seit 2009 hat er diese Corona schon, sie ist typisch für Sailstorfer, der aus Velden in Niederbayern stammt, in München studiert hat und aus allem was zu machen weiß: Abbruchmaterial, Aluminium, Altreifen. In den Bier-Kronleuchter hat er sogar eine Kühlung eingebaut. Oder im Hof bei Zink: Da steht jetzt ein meterhoher – ja, ist es ein Torpedo, eine Rakete? Nein, bei Ebay hat der einfallsreiche Sailstorfer diesen Tank eines Kampfjets gekauft und zu einem ländlichen Bullerofen umgebaut. Oder aus Steinsalz hat er 32 Zähne gemacht: überdimensional, einzeln, ein ganzes Gebiss, über den Galerieboden verstreut. Natur und Kunst, diese Verbindung liebt Sailstorfer, und genauso wie diese Salzsteine sich in Wasser lösen würden, genauso geht auch ein Gebiss im Lauf eines Lebens über den Jordan: memento mori. Diese barocke Weisheit bestimmt auch die Arbeiten von Matías Sánchez, besonders sein 275 x 200 cm großes „Esperanzados“ mit der Mischung von Ironie, Karikatur, Figürlichkeit und Abstraktem – ein „Grand Guignol“ mit Puppen- und Totenköpfen, Riesennasen, Blumen und blauem Himmel, ein Corona-Kasperltheater. „Hoffnungsvoll“ heißt der Titel auf Deutsch.
(Uwe Mitsching)

(www.galeriezink.de, www.zink-waldkirchen.de)

Kommentare (1)

  1. Kerschbaum am 28.03.2020
    Hmm, wenn sie schon das Land im nirgendwo beschreiben, dann benennen sie bitte, auch ganz intellektuell richtig, das richtige Waldkirchen...

    Viele Grüße Kerschbaum Klemens aus dem falschen Waldkirchen im Landkreis Freyung Grafenau, übrigens sehr gut angebunden...
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