Kultur

01.07.2011

Leicht wie Seifenblasen

Goyo Monteros neuer Ballettabend in Nürnberg: Das Staatsballett wächst über sich hinaus

Es ist eine ziemlich gerade Linie: Jirí Kylián holte Nacho Duato aus Schweden an sein legendäres Nederlands Dans Theatre, Goyo Montero war dessen Schüler. Jetzt treffen sich die Linien dieses Choreografen-Stammbaums bei einem dreiteiligen Ballettabend am Staatstheater Nürnberg. Dort erfreut sich Montero höchster Zustimmung bei Publikum und Presse, und man kann die Elogen über den vitalen Spanier auch als baldige Bestimmung zu Höherem deuten.
Montero hat die großen Handlungsballette nach Nürnberg zurückgebracht, sie neu und theaterwirksam gedeutet – und hatte jetzt immerhin Nacho Duato (inzwischen in St. Petersburg) zur Kontrolle seiner elf Jahre alten Choreografie nach Nürnberg gelotst. Dort dürfte er keinen Grund gehabt haben, sich über die Qualität der Interpreten aus der Montero-Compagnie für Duende zu beschweren: Sie setzte seine eleganten Einfälle ohne alle Erdenschwere, synchron und präzise um. Duatos Stil ist hier noch mehr vom klassischen Bewegungsrepertoire geprägt als bei Montero – aber die Verbindungen zwischen Lehrer und Schüler lassen sich unschwer nachvollziehen.
Wie auch bei seiner Münchner Produktion am Bayerischen Staatsballett (Vielfältigkeit. Formen von Stille und Leere) ist Duato ein Meister der lyrischen Inspiration, die Aktion ist in absolutem Einklang mit der Musik (hier: Debussy), ohne sie je nur platt abzubilden. Ihrer solistischen Intimität entspricht die Besetzung der vier Sätze, selbst der Japonismus des Impressionismus findet eine dezente fernöstliche Entsprechung – bis hin zu einer fantastischen Schlusssequenz.
Zwischen beiden Großmeistern erlebte man die Uraufführung einer Montero-Paraphrase von Wagners Musik: Im Treibhaus gab es Wesendonck’sche Schwüle und schon bei Beginn das fantastische Bild von scheinbar nackten, von kleinen Plattformen herunterhängenden vegetativen Körpern: raffiniert beleuchtet wie in einer Gogo-Tanzbar. Die Körperknospen öffnen sich langsam zu kammermusikalisch besetzter Lohengrin-Musik – eine Blüte allein versucht sich diesem lasziven Treiben zu entziehen. Das kehrt am Ende an seinen Ursprung zurück: nach einem sehr irdischen Venusberg, dem wilden Leben eben, das tolldreist vorüberwirbelt und für das man schon einmal voreiligen Applaus vom Band einheimst – ein raffinierter Perspektivenwechsel.
Witzige Kabinettstückchen
Mit einer interessant erweiterten choreografischen Sprache behauptet sich Montero sehr achtbar inmitten der Kollegen-Konkurrenz. Unübertreffbar musste allerdings Kyliáns Mozart-Ballett Sechs Tänze bleiben. Da wuchs die Nürnberger Truppe über sich hinaus in den witzigen Kabinettstückchen eines Rokoko-Perücken-Panoptikums, das Mozarts Briefen genial nachempfunden ist. Bei dem blieb dem Nürnberger Publikum vor Staunen der Mund offen, an so viel Amüsement kann man sich auf den Staatstheater-Ballettbrettern nicht erinnern: so leicht und locker wie die Seifenblasen, die es am Ende vom Schnürboden regnet. Das Beste, was man in Nürnbergs Opernhaus derzeit sehen kann. (Uwe Mitsching)

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