Kultur

Sandro Botticellis Maria mit Kind ist eines der Meisterwerke, die derzeit im Diözesanmuseum Freising zu sehen sind. (Foto: Diözesanmuseum Freising/Fondazione Artistica Poldi Pezzoli)

02.10.2025

Meisterwerke im Diözesanmuseum Freising: Göttliche Gemälde

Das Diözesanmuseum Freising präsentiert Meisterwerke der Renaissance und einiges mehr. Das Haus wartet gleich drei sehenswerten Ausstellungen auf

Wurde die Antike nur geboostert? Wann und wo entstand die Renaissance? Und warum lohnt es sich gerade jetzt, auf Kunstreise nach Freising zu pilgern, wo mit drei Ausstellungen das Diözesanmuseum vier Monate lang neu bespielt wird?

Zuerst zur Kunst aus dem direkten Umfeld: der Serie von insgesamt 32 Veduten in Gouachemalerei des steirischen Malers Valentin Gappnigg. Konzipiert wurde sie für den Fürstengang zwischen bischöflicher Residenz und Freisinger Dom. Die bestechend detailgenauen, fast kartografischen Abbildungen der ehemals zum Hochstift Freising gehörenden Besitzungen entstanden im Auftrag des Freisinger Fürstbischofs Johann Franz Eckher von Kapfing und Liechtenegg Ende des 17. Jahrhunderts.

Vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher, landschaftlicher und kultureller Diskurse zu Themen wie Flächenverbrauch oder Klimawandel drängt sich hier der Abgleich zum Landschaftsbild von heute förmlich auf. Eine Idee, der die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf in einem Workshop nachgegangen ist und die jetzt zu der Ausstellung Fenster in die Landschaft. Die Ansichten von Valentin Gappnigg geführt hat. Eine Auswahl der frisch restaurierten Gappnigg-Originale ist aus ihrem Dornröschenschlaf im Depot erwacht und im Erdgeschoss des Diözesanmuseums zu bestaunen. Im Fürstengang hängen weiterhin nur deren Kopien.

Der Titel erinnert an John-Lennon-Klassiker

Direkt ins Heute katapultiert einen im lichtdurchfluteten Atrium des zweiten Obergeschosses, wo bis zum Umbau des Diözesanmuseums die originalen Gappnigg-Landschaften zu sehen waren, die Werkschau der Künstlerin Judith Milberg mit dem Titel: "Imagine all the Pieces". Der Titel erinnert beiläufig an den legendären Popsong "Imagine" von John Lennon.

Ein guter Auftakt, sich auf Spurensuche der Münchner Malerin, Designerin, Kunsthistorikerin und Synästhetikerin zu begeben. Ihre abstrakten Bildwerke, inspiriert von der phänomenalen Welt des Makro- und Mikrokosmos, bilden Realität nicht ab, sondern machen Verborgenes sichtbar. In einem kräftezehrenden Arbeitsprozess reibt die impulsive Künstlerin in ihren neuesten Arbeiten mit dem Handballen Pigmente in unbehandelte mehrteilige Holzoberflächen ein, benützt Föhn und Kompressor als Hilfsmittel und Zufallsgenerator, um im Mix aus Pastell, Kohle, Tusche und Interferenzpigmenten amorphe Strukturen zu gestalten.

Meisterwerke

Nach diesem psychodelisch heiteren Bilderrausch-Rundgang kehren wir ein in die Hölle. Einstimmend auf die nachfolgenden sensationellen 65 Artefakte der Ausstellung "Göttlich! Meisterwerke der italienischen Renaissance" erlebt man die in seiner "Göttlichen Komödie" geschilderte Jenseitsreise des Florentiners Dante Alighieri an der Seite des Heldendichters Vergil. Dantes Hauptwerk aus dem frühen 14. Jahrhundert, hier übertragen in bildgewaltige Filmsequenzen mit Zitaten aus dem Off, war bereits vor der Erfindung des Buchdruckes ähnlich weit verbreitet wie die Liebessonette seines Dichterkollegen Francesco Petrarca.

Dass sich Verse der beiden „Urväter des Italienischen“ und „Wegbereiter der Renaissance“ auf den Gewandsäumen von Heiligenfiguren entdecken lassen, zeigen die Ausstellungsmacher am Beispiel zweier Muttergottesdarstellungen: der "Madonna Dantesca" aus Livorno und der Petrarca-Madonna aus Fucecchio. Sandro Botticellis Darstellung der Jungfrau Maria mit Kind und Stundenbuch am Lesepult zeigt einen neuen Typus der Madonna, der im Spiel mit Geschlechterrollen zum Vorbild der frommen und gebildeten Frauen wird. Botticelli, Bellini, Lippi, Mantegna und Pontormo sind die großen Künstlernamen, die hier mit großen Gefühlen vom Menschsein erzählen. Wir begegnen augentäuschend gemalten Illusionsräumen, in denen die Heiligen in der neuen Virtual Reality menscheln und den kunstgierigen Augen greifbar nahe erscheinen.

Nach der Entdeckung der Zentralperspektive öffnen sich ab der Mitte des 15. Jahrhunderts die Bildräume beinahe schwindelerregend in die Tiefe. Der mittelalterliche Goldgrund ist verschwunden; wie durch ein Fenster schweift der Blick, der bisher immer auf den Vordergrund gerichtet war, in die Weite und Ferne der Landschaft; die Größenstaffelung der Figuren nach ihrer Bedeutung ist hinfällig. Der Mensch ist die Herrlichkeit Gottes, ist Individuum und real fühlender Protagonist. Und er ist bildwürdig.

Dies wird besonders deutlich im Doppelporträt zweier Freunde des Florentiner Malers Jacopo Pontormo. Das intime Bild, das vermutlich zwei dem Künstler selbst nahestehende Personen zeigt, steht am Anfang der individuellen Porträtmalerei. Die beiden Männer in Halbfigur sind gebildet. Ihre Blicke sind intensiv und ausdrucksstark. Einer der beiden hält dem Betrachter ein beschriebenes Blatt entgegen. Das Textzitat stammt aus dem Traktat "Über die Freundschaft" des antiken Dichters und Politikers Cicero und endet mit den Worten: „Man kann sagen, dass wir Wasser oder Feuer, wie man so schön sagt, nicht öfter gebrauchen als Freundschaft.“

Die Kunst der italienischen Renaissance erblühte mit der wirtschaftlichen Prosperität in den Städten Oberitaliens, wo die Wirtschaftsform des heutigen Kapitalismus entstand und sich eine Wirtschaftselite formierte, die innovative Methoden des Geschäftsverkehrs, wie doppelte Buchführung und standardisierte Wechselbriefe, nutzte.

Ein Paradebeispiel ist der kunstsinnige wie geschäftstüchtige Kaufmann Francesco Datini aus Prato mit Handelsniederlassungen in ganz Europa, dessen komplettes Firmenarchiv erhalten geblieben ist und dessen Besitztümer nach seinem Tod in eine bis heute bestehende Armenstiftung überführt wurden. Lange nach dessen Tod gab die Stiftung bei dem Maler Ludovico Buti ein überlebensgroßes Ganzfigurenporträt ihres Gründers in Auftrag. Dieses Großformat ist jetzt in Freising ebenso zu bestaunen wie eine Auswahl seiner Geschäftsbriefe und Rechnungsbücher mit der ambivalenten Überschrift „Im Namen Gottes und des Gewinns“. (Angelika Irgens-Defregger)

Bis zum 11. Januar 2026. Diözesanmuseum Freising, Domberg 21, 85354 Freising.
Dienstag bis Sonntag von 9 bis 17 Uhr.
www.dimu-freising.de

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