Kultur

Roland Pongratz geht es vor allem darum, dass Volksmusik zum Mitmachen animieren soll. Er greift selbst zur Ziach und hat das Volksmusikfestival „drumherum“ ins Leben gerufen. (Foto: Bauernfeind)

01.08.2014

"Musikanten plärren nicht einfach"

Ein niederbayerischer Volkskundler über "echte" Volksmusik, die immer öfter im City-Outfit mit T-Shirt und Lederhose daherkommt

Die Chiemgauer In-Band LaBrassBanda beim Gautrach- tenfest in Ruhpolding und an diesem Wochenende die ganze Szene beim „Heimatsound“-Festival in Oberammergau: Wieder einmal wird heiß diskutiert, was bayerische Volksmusik ist. Eine reine Gefühlssache, sagt Roland Pongratz. Er ist Ethnologe, Musiker und Kulturbeauftragter im Landkreis Regen. BSZ Volksmusik ist seit geraumer Zeit auch bei jungen Leuten auffällig angesagt. Warum?
Roland Pongratz Leute sind dem Digitalen überdrüssig. Das war mal eine Zeitlang interessant, alle möglichen Klänge nachmachen zu können. Mittlerweile durchschaut jeder, wie sehr das von der Technik abhängig ist. Der Trend geht jetzt wieder zum Handgemachten. Jeder schreibt ja auch auf sein Glas, auf seine Töpferware, dass es handgefertigt ist. BSZ Neben dem „Selbstgemachten“, was zeichnet Volksmusik noch aus?
Roland Pongratz Volksmusik will vor allem Leute unterhalten. Jetzt nicht nur als Konzert, sondern dass man dazu tanzen kann, dass man mitsingen kann. Die Musikanten reden mit den Leuten selber und plärren nicht einfach nur von der Bühnenkante herunter. Die Leute merken, die Musik kann auf mich reagieren. BSZ Erstaunlicherweise gefällt das gerade auch einem eher großstädtischem, „hippem“ Publikum, oder?
Roland Pongrat Es ist ein bestimmter Bedarf da, dass man sich Bayern und Heimat hereinholt. Es soll natürlich ein bisschen anders sein, es soll nicht so ländlich daherkommen, sondern etwas mehr city-like. Und schon ist mehr „Beat“ dabei. Das haben selbst Bands begriffen, die erst einmal nichts mit Volksmusik am Hut hatten. BSZ Viele kombinieren die Stile. Landler trifft Samba. Ist das auch Volksmusik?
Roland Pongratz Um das wirklich gut auszuführen, ist das sehr, sehr schwierig. Soviel ausgezeichnete Gruppen, die das auf einem guten Niveau und authentisch machen können, gibt es nicht. Ich sehe nicht, dass das eine breite Welle wird. Das ist eine Bewegung auf den Konzertbühnen und in den Medien, aber nicht unbedingt in der Breite der zahllosen Volksmusikgruppen. BSZ Also ein neues Marktsegment für Profimusiker mit oft klassischer Musikausbildung?
Roland Pongratz Auf diesem Gebiet gibt es besonders viele Marketingstrategen und Agenturen, die gemerkt haben, das ist gerade „in“. Und jetzt drücken sie jedem musikalischen Ereignis, das auch nur annähernd etwas mit Bayern zu tun hat, den Stempel „Neue Volksmusik“ auf. Aber nicht jeder, der bayerisch singt, macht automatisch Volksmusik. BSZ Wie lässt sich dann Volksmusik definieren?
Roland Pongratz Ich bin grundsätzlich kein Freund von Definitionen. Der Begriff Volksmusik ist für mich keine Definition, sondern ein Gefühl. Da passt es ins Bild, wenn zum Beispiel der Stofferl Well von der früheren Biermösl Blosn sagt, für ihn sind die Toten Hosen Volksmusik. Auch ein Gefühl. Die Diskussion ist müßig und das Schubladendenken längst überwunden. BSZ Wenn aber der Ehrenpräsident des Bayerischen Trachtenverbandes, Otto Dufter, LaBrassBanda die Volksmusikhaftigkeit abspricht?
Roland Pongratz Bei den allermeisten Musikanten gibt es das nicht, sich abgrenzen zu wollen. Sondern ich stelle fest, dass das ganz oft von Funktionsträgern ausgeht. Der Trachtenverbandsvorsitzende ist ja kein Musikant, er hat ein bestimmtes Bild im Kopf und schwuppdiwupp ist er auf den Barrikaden. Er richtet sich da natürlich auch nach der Satzung seines Verbandes. BSZ Weil er im Grunde nach Äußerlichkeiten geht? „Das Auge hört bei der Volksmusik mit“, hat er gesagt.
Roland Pongratz Ja. Der schaut ein Plakat von LaBrassBanda an, sieht, die haben T-Shirts an, keine Schuhe, und ein Kabel hängt aus dem Instrument heraus. Das widerspricht seinem Gefühl von Volksmusik. Wie schon gesagt: Gefühl statt Definition. BSZ Und wie sieht es mit dem Nachwuchs für zukünftige Volksmusikgruppen aus?
Roland Pongratz In den letzten 20, 30 Jahren ist der Nachwuchs nur so hervorgesprudelt. Aber es ist jetzt merklich erkennbar, dass die Kinder durch ihren Schulalltag, wie er mittlerweile strukturiert ist, überfordert sind. Die lernen jetzt weit aus weniger ein Instrument, vor allem wenn sich kein schneller Erfolg einstellt. BSZ Was kann Volksmusikpflege da noch tun?
Roland Pongratz Auch weiterhin versuchen, möglichst viele Leute zum Selbermachen zu animieren. Dass sie nicht nur immer konsumieren, sondern auch selber mal ein Lied singen, dass sie zum Tanzen gehen, selber ein Instrument spielen. Dass Volksmusik weiter zum Alltag gehört und erlebbar bleibt.
(Interview: Bernhard Setzwein) Abbildung (Foto:dpa)
Bauch rein, Zunge raus – und als Dresscode T-Shirt zur Lederhose: Darf man sich so als Volksmusikant geben? Stefan Dettl von LaBrassBanda scherts wenig, er hat seine treue Fangemeinde. 

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