Kultur

Donna Angela (Anna Pisareva) und ihr tölpelhafter Bruder Don Juan (Johannes Mooser). (Foto: Martin Sigmund)

30.10.2020

Neckische Intrigen

„Dame Kobold“: Das Theater Regensburg entdeckt eine bezaubernde Oper neu

Darauf sind derzeit Intendanten und Dramaturgen angesichts ihrer Krisenspielpläne aus: Stücke mit kleinem Orchester, möglichst ohne Chor, Dauer höchstens zwei Stunden und mit Sänger*innen, die sich ohne Wagner-Leidenschaften auf Abstand halten lassen. Das Theater Regensburg ist mit seiner neuesten Premiere fündig geworden und hat zusammen mit Brigitte Fass-baender als Regisseurin den Schweizer Komponisten Joachim Raff (1822 bis 1882) entdeckt. Jener ist als Symphoniker leidlich bekannt, als Opernkomponist jedoch völlig vergessen.

Dame Kobold, 1870 in Weimar uraufgeführt, heißt die Ausgrabung und Regensburger Erstaufführung: genau das, was man früher als Spieloper, als Literaturvertonung, bezeichnet hat und derzeit wieder sucht. Gehobene Unterhaltung eben mit neckischem Tür auf, Tür zu und einem Liebespaar, das sich erwartbar doch noch kriegt.

Wenig Wagner-Lärm

Im Orchestergraben dazu „weniger Wagner-Lärm als wirkliche Musik“, so Raff. Zudem hat er ohne jeden pejorativen Beigeschmack seine Musik als „eklektisch“ bezeichnet (Liszt urteilte weniger nett: „hotchpotch of styles“). Und tatsächlich hört man vom auf 21 Mitglieder reduzierten Philharmonischen Orchester Regensburg unter Tom Woods neben Raff-typischen Tönen auch vieles, was an Albert Lortzing, Otto Nicolai oder Friedrich von Flotow erinnert – aber überraschend auch an Jacques Offenbach und Johann Strauss, wenn Raff seine Heldin Donna Angela eine Art Frühlingsstimmenwalzer als Bravourarie trällern lässt.

Gemäß Vorlage des spanischen Klassikers von Calderón de la Barca treiben Donna Angela und ihre Zofe Beatrice listigen Schabernack mit einer Geheimtür im Schloss von Don Juan. Der ist Angelas Bruder und bei Brigitte Fassbaender und ihrer Kostümbildnerin Anna-Sophie Lienbacher ein gwamperter Tölpel, der wie Stan Laurel aussieht und auch so spielt (Johannes Mooser). Er hält die verwitwete Schwester wie in einem goldenen Käfig: nicht, um sie selbst zu heiraten (wie es in einer italienischen Buffa wäre), sondern um sie seinem Freund Don Manuel zuzuführen. Den lässt die Regie mit seinem strammen „tenore leggero“ (ein Regensburger Debüt: Oreste Cosimo) ein bisschen im Regen stehen, aber die Türen-Intrige treibt ihn denn doch in Angelas Arme.

Die Donna ist blond, schlank, treudeutsch wie aus dem thüringischen Adelskalender, und Anna Pisareva stellt sie mit auftrumpfend-brillantem Sopran auch in die Nähe aller „Lustigen Weiber“ der komisch-deutschen Oper. Ibero-Flair darf die Zofe von Sara-Maria Saalmann tanzend, trällernd beitragen, Don Manuels Diener Rodrigo (Oliver Weidinger) ist stilgerecht ein Nachfahre des Sancho Pansa.

So bleiben denn in Bettina Munzers wandlungsfähigem Drehbühnenbild sängerisch keine Wünsche unerfüllt, wobei Tom Woods versucht, die Balance zwischen seinem verkleinerten Orchester und den raumfüllenden Stimmen zu schaffen. Der Applaus im Theater am Bismarckplatz ist eine Steilvorlage für mehr von dem unbekannten Komponisten Raff – auch anderswo und mit einer seiner anderen Opern. (Uwe Mitsching)

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