Kultur

Eine Kirchenruine in Dresden – aber die der Kreuzkirche, die im Siebenjährige Krieg arg gelitten hatte. Ihren Abbau hat der Hofmaler Bernardo Belotto detailreich auf einem Gemälde (1765) festgehalten. (Foto: Elke Estel/Hans-Peter Klut)

28.08.2014

Protzen mit Prunk

Die Hypo-Kunsthalle richtet mit Meisterwerken vom sächsischen Hof ein Fest für die Sinne aus

Heute nennt man sowas „Dekonstruktion“ – oder Recycling: Stein für Stein tragen Arbeiter die Ruine eines Turmes ab, um das Baumaterial für die Wiederverwendung herzurichten. Minutiös hat der sächsische Hofmaler Bernardo Bellotto, der sich – wie sein noch berühmterer Onkel und Lehrer – Canaletto nannte, den Abbruch der alten Dresdner Kreuzkirche 1765 nacherzählt, die im Siebenjährigen Krieg schwer beschädigt worden war.
Den hymnischen Kontrapunkt zu diesem Schlussbild der Ausstellung steuert ebenfalls Bellotto mit einem Eröffnungsgemälde der Schau bei: Prachtvoll erhebt sich da die Stadtsilhouette Dresdens am jenseitigen Flussufer: Im milden Licht leuchtet die Kuppel der Frauenkirche, Fassaden eleganter Palais drängen sich an der Uferbastion. Doch diese glanzvolle Kulisse nimmt nur den kleineren Teil des Bildes ein. Vorne und bis weit in den Mittelgrund hinein geht es bodenständiger zu. Da ziehen sich Krautgärten am Ufer der Elbe hin, bevölkert von fleißigen Untertanen, die harken, kehren oder Wäsche aufhängen, während Hunde und Kinder herumspringen. Dementsprechend sind auch die Häuschen auf dieser wenig feudalen Seite des Flusses deutlich schlichter. 1747 schuf Bellotto diese Ansicht von Dresden.
Das Bild soll auch den Einklang eines wohlgeordneten Staatswesens zeigen – und macht für heutige Betrachter vor allem mustergültig einen historischen Prozess sichtbar: den Wandel der kursächsischen Hauptstadt von der Kraut-und-Rüben-Residenz zum ambitionierten Elbflorenz. Nachdem Kurfürst August der Starke von Sachsen (1670 bis 1733) auch König von Polen (und dafür sogar katholisch) geworden war, wollte er seine Residenzstadt standesgemäß aufbrezeln. Also wurde neben der (vor allem äußerlich) prachtvollen Frauenkirche die Hofkirche im damals modernen Barockstil von eigens angeheuerten italienischen Meistern errichtet – deutlich sichtbare Zeichen der neugewonnenen Machtstellung.
Dem königlichen Rang des Herrschers entsprechend, musste aber auch eine Kunstsammlung von königlicher Qualität her. Die angestaubten Kuriositäten und der Edelnippes des Grünen Gewölbes schienen bloß bedingt tauglich, die Stellung Augusts angemessen zu zeigen. Nur hochkarätige Gemälde großer Meister entsprachen dem neuen Repräsentationsbedürfnis.
Diesem Wunsch nach standesgemäßer Selbstdarstellung verdankt die Dresdner Gemäldegalerie ihr Entstehen, die heute neben der Münchner Alten Pinakothek und der Berliner Gemäldegalerie eine der drei Sammlungen Alter Meister in Deutschland ist, die Weltgeltung besitzen.

Madonna – virtuell präsent

Eben jenem Ursprung sowie der stetigen Erweiterung der Dresdner Galerie im 18. Jahrhundert widmet sich die neue Ausstellung in der Münchner Hypo-Kunsthalle. Rembrandt – Tizian – Bellotto heißt die Schau, die „Geist und Glanz der Dresdner Gemäldegalerie“ zum Thema hat und folglich allein mit Werken aus deren Besitz bestückt ist.
Der Fanfarenstoß der drei prominenten Künstler-Namen im Titel deutet es schon an: Hier kommt nicht nur der historisch interessierte Besucher auf seine Kosten, der etwa erfahren möchten, dass die königliche Bildersammlung vielen lokalen Künstlern zu Studienzwecken diente. Nein, vor allem ist diese Ausstellung ein Fest für die Sinne. Denn auch wenn nur wenige wirkliche Spitzenwerke nach München ausgeliehen wurden – aus den 100 Exponaten ragen sie dadurch um so deutlicher heraus.
Großartig immer wieder Tizians Bildnis einer Dame in Weiß (um 1555), das im edlen Stoff des Gewandes mit fast impressionistischer Delikatesse die Modulationen der Nicht-Farbe Weiß auskostet. Herrlich tragikomisch dagegen Rembrandts ungewöhnliche Persiflage (1635) auf den Raub des Ganymed, die zeigt, wie der Adler, in den sich Zeus verwandelt hat, nicht einen schönen Jüngling, sondern ein greinendes Manneken-Pis-Kleinkind in den Fängen fortträgt.
Neben einem Porträt von Velázquez und einer antik-idyllischen Ruhe auf der Flucht von Claude Lorrain, gibt es zwei große Venedig-Veduten von Canaletto – dem Onkel – zu bewundern, der sich von seinem Neffen durch eine freiere Pinselführung unterscheidet, stärker die Stimmungswerte betont, als das anekdotische Detail, das Bellotto so liebt.
Aber man kann in der Schau auch Entdeckungen machen: Anton Graffs Bildnis einer Dame (um 1780) lehnt sich äußerlich noch an die Tradition des repräsentativ-typisierten Porträts mit quasi dynastischer Funktion an; In der unerhört subtilen psychologischen Charakterisierung der Dargestellten offenbart sich hingegen bereits ein bürgerlich-individualistisches Menschenbild. Was für ein Gegensatz zu den altväterlichen Muster-Charakteren von Pietro Antonio Graf Rotari, die in der Schau ebenfalls vertreten sind.
Und was ist nun mit dem berühmtesten Schatz der Dresdner Gemäldegalerie, Raffaels Sixtinischer Madonna? Die konnte nicht von der Elbe an die Isar reisen – aber indirekt ist sie doch in der Ausstellung präsent: In Gestalt einer Video-Installation des Künstlers Christoph Brech (1964 geboren), die uns durch Verfremdungseffekte das vermeintlich so vertraute Bild neu sehen lässt. (Alexander Altmann) Bis 23. November. Hypo Kunsthalle, Theatinerstraße 8, 80333 München. Täglich 10 – 20 Uhr. www.hypo-kunsthalle.de Abbildungen (Fotos: Elke Estel/Jams-Peter Klut):
Edle Porträtkunst: Mann mit Pelzmütze von Pietro Antonio Graf Rotari. Bildnis einer Dame in Weiß von Tizian (um 1555)  Rembrandts Ganymed in den Fängen des Adlers (1635).

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