Kultur

Kostüme, Bühne und Filmeinspielungen schaffen die Verbindung zur Gegenwart und zur Zukunft. (Foto: Julian Baumann)

28.06.2021

Regenbogenfarbenes Zusammenspiel

"Suffragetten" an den Münchner Kammerspielen: Initiatorinnen der Frauenbewegung und was von ihren Vorstellungen Realtiät wurde

Das Fotostudio Elvira muss ein inspirierender Ort gewesen sein. Dort, wo nun das amerikanische Generalkonsulat steht, gegenüber vom Hofgarten, wurde 1897 der Neubau für das erfolgreiche Studio von Anita Augspurg und Sophia Goudstikker errichtet. Die beiden hatten sich 1887 mit der Fotografie selbsttändig und unabhängig gemacht und wurden zu Vorreiterinnen der Frauenbewegung. An den Wochenenden galoppierten sie auf ihren Pferden durch den Englischen Garten, natürlich im Herrensitz, erregten Aufmerksamkeit und verteilten Visitenkarten. An der Jugendstilfassade ihres Studios prangte ein riesiger Drache aus Stuck, der zum Symbol der Frauenbewegung wurde. Und den Adolf Hitler später abschlagen ließ.

Nun hat  Regisseurin Jessica Glause mit ihrem Ensemble an den Münchner Kammerspielen einen Abend rund um diese Frauen und ihre Mitstreiterinnen entwickelt: Bayerische Suffragetten. Während Katharina Bach, Svetlana Belesova, Julia Gräfner, Thomas Hauser, Jelena Kuljić, Anna Gesa-Raija Lappe, Annette Paulmann, Edith Saldanha, Lucy Wilke und Luisa Wöllisch im Laufe der Vorstellung aus Bühnenbildelementen den Elvira-Drachen zusammensetzen, tauchen sie tief ein in die Welt von Augspurg und Goudstikker, von Ika Freudenberg, Elsa Bernstein, Emma Merk und den anderen. 

Die Kostüme von Aleksandra Pavlović, die neonbemalten transparenten Anzüge und die silberweißen Perücken, verweisen in eine spacige Zukunft, verbinden den Blick zurück mit einem nach vorn. Paula Tschira filmt und fotografiert die Heldinnen der Frauenbewegung live, die Bilder werden überdimensioniert auf eine Leinwand übertragen: Standbilder, Momentaufnahmen, historische Augenblicke, die die Verantwortung an die nächsten Generationen weiterreichen. Zuerst chronologisch, dann freier und assoziierender erzählen sie alle die Geschichte einer Bewegung, die bis heute nachwirkt, deren Ziele aber längst nicht erreicht sind: Ja, Frauen dürfen heute wählen und abtreiben. Allerdings hat die Pandemie bewiesen, dass Care-Arbeit noch immer in den meisten Fällen Frauen-Arbeit ist.

Glause verbindet Historie und Gegenwart, Originalzitate und neu geschriebene Texte mit Leichtigkeit zu einer dichten Collage. Unterhaltsam und nachdenklich zugleich, gut gelaunt, nicht verbissen. Ein wenig wirkt die Revolution darum wie eine einzige Party. Die Konflikte auch innerhalb der Gruppe werden recht kurz abgehandelt.

Ganz am Ende zitiert Anna Gesa-Raija Lappe einen Ausspruch von Helene Böhlau: „Schaff dir deine Welt; wie du sie schaffst, so ist sie. Sie ist nur in dir selbst, in deiner Vorstellung. Schaff sie dir und glaub an deine Welt!“ Als Vorstellung hat sich die Welt, die diese Vordenkerinnen und Mutmacherinnen erkämpfen wollte, sicher etabliert. Tatsächlich aber bleibt sie in vielen Aspekten bis heute genau das: eine Vorstellung, ein Gedankenkonstrukt. Zeit, das anzugehen also! Dieses Ensemble jedenfalls steht in seiner Vielfalt für so etwas wie ein gelebtes Ideal. Luisa Wöllisch hat das Down-Syndrom, Lucy Wilke fährt im Rollstuhl über die Bühne. Jede und jeder hier hat eine eigene Geschichte, einen eigenen Hintergrund. Ihr regenbogenfarbenes selbstverständliches Zusammenspiel macht Hoffnung für eine Zukunft - nicht nur des Theaters, sondern auch der Gesellschaft. (Anne Fritsch)


 

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