„Ungehörtes“ steht auf der CD-Hülle, „Ungewusstes“ auf dem dazugehörigen Booklet: Ja, das gibt es tatsächlich noch von Karl Valentin, selbst 68 Jahre nach seinem Tod. Nicht, dass das Interesse an dem Brettl-Genie und geistigem Nährvater vieler heutiger Kabarettisten und Komiker verloren gegangen wäre – aber seine Nachfahren haben als Rechteinhaber streng das ererbte geistige Eigentum (ein anderes gab’s eh nicht) verwaltet.
Aber jetzt kommt ein ganzer Schwung davon auf den Markt – phantastisch frisch: Couplets und Lieder aus den Jahren zwischen 1899 und 1947. Die waren zwar im gedruckten Gesamtwerk bekannt – aber halt nur nachzulesen. Das auch deshalb,

weil ein Großteil davon ohne Noten oder Hinweise auf die Melodien überliefert sind. Als Valentin sie einst auf der Bühne zum Besten gab, hat er sich von anderen Liedern und Schlagern die Musik entliehen – das war üblich, rechtskonform. Das Publikum hatte die Musik schon im Ohr – der Weg zum Schenkelklopfer und Gassenhauer war dadurch kürzer.
G’scheites und Zotiges
Die Couplet AG (AG steht für „Arterhaltungs-Gesellschaft“) hat eine CD mit 21 dieser Depotstückerl zusammengestellt: Es war noch ein Wunsch der 2014 verstorbenen Valentin-Enkelin Anneliese Kühn, die mit Jürgen Kirner, dem Urgestein der Couplet AG, eng befreundet war. 115 Couplets und Lieder von Valentin sind überliefert – „wir haben uns die Rosinen rausgeklaubt“, sagt Jürgen Krinner, der andeutet, dass man eventuell noch einmal nachlegen will.
Und so hört man von besonders Gescheiten wie dem Lehrbub, der nach einer Schere fragt, um den Weg abzuschneiden, und von der Frau, die den Operngucker für einen Schwindel hält, weil sie damit ja gar keinen Opa sieht. Es geht um Zotiges wie das „Schmusen am Busen in der blauen Blusn“, um die Schwiegermutter, die „Blunzn“ mit den „Haxn wie a Fiakergaul“ oder um den Autofahrer, der Einen fahren lässt.
Blödsinn-Verse ist eine Nummer überschrieben – auf die Spitze, in die Sprachanarchie trieb Valentin seine Reimverrenkung beim
Chinesischen Couplet: zippi zappi ... heiße Suppi blasi ... wuff wuff ... scheißi in die Händi ... Bieri hamma nimmi, sauf ma halt a Wassi ... tsching tschang ...
„Wer ned lacht, is a fader Hund“, heißt es in den Schnaderhüpfln (1945) im CD-Bonustrack. Doch zwischendurch vergeht einem beim Hören schon auch das Lachen: Wenn es um den Kriegsheimkehrer geht, dem die Heimat noch grauenvoller vorkommt als die Front und der sich vergeblich umbringen will – letztlich verhungert er. Das münzte Valentin auf den Ersten Weltkrieg – mitten im Zweiten überlegte er sich in
Wenn ich einmal der Herrgott wär, dass er alle Technik abschaffen würde. Weil es dann auch keine Flugzeuge mehr gäbe, und er ohne Angst ins Bett gehen könne.
Valentin hat dieses Couplet auf das
Hobellied (auch als
Wienerlied bis heute populär) geschrieben. Da, wo er Hinweise auf die Musik hinterlassen hat, wurden diese Melodien von Couplet-Kompagnon Bernhard Gruber bearbeitet, „dem Zeitgeist angepasst“, wie Jürgen Kirner sagt. Man hat Valentin aber auch mal ignoriert: Seine Komposition zu den Blödsinn-Versen sei „nicht sehr ansprechend“ gewesen. Und anstelle eines Soldatenmarschs für das Lied vom Volksauto hat Bernhard Gruber auch lieber eine heute zeitgemäße Melodie geschrieben.
Genial dagegen Valentins Vorgabe zu Ein zufriedener Mann: Die Tarantella Funiculì, Funiculà ist ein Ohrwurm – bis heute gesungen zum Beispiel in
Schaug hi, da liegt a toter Fisch im Wasser. Der Volksmund bringt den süditalienischen Tanz mit dem Biss einer Tarantel in Verbindung. Und um was geht es in Valentins Lied? Ein leidlich angetrunkener Mann jammert über seine Frau, „des oide Drumm“, „die oide Kuah“, die „beese Trutschn“ – die ihm so zusetzt, dass er gar blau geschlagen ist.
Rechtslage klar
Wenn keine Musikvorgaben Valentins auszumachen waren, hat die Couplet AG die Texte selbst vertont: „Wir haben den jeweiligen Textaufbau studiert, uns angeschaut, um welchen Typ Mensch, welche Situation oder Lebensgeschichte es da geht, und darauf unsere Kompositionen abgestimmt“, erzählt Jürgen Kirner.
Die Barfußtänzerin zum Beispiel tingelt musikalisch in ägyptisch-indisch verbrämter Revue-Exotik herum.
„Das Lied kommt besonders gut an, auch die
Blödsinn-Verse“, hat Jürgen Kirner beim einen oder anderen Live-Probelauf der Valentin-Couplets beobachtet. Er wünscht sich, dass diese Valentin-Lieder wiederbelebt werden – öffentlich auf Bühnen ebenso wie in privaten geselligen Runden. Die Rechtslage ist klar: Wer Geld damit verdient, muss seinen Tribut an die Gema abführen.
Das eine oder andere Stück hätte das Zeug zum Wiesn-Hit: Wäre das ein Sakrileg? „Von wegen!“, sagt Jürgen Kirner, „wenn sich Karl Valentin als Wiesn-Musik durchsetzen würde, wäre das wie ein Ritterschlag.“ (
Karin Dütsch)
Information: Couplet AG, Neues vom Valentin – Ungehörte Lieder und Couplets, CD,
62 Minuten, 16,99 Euro, Kudernak Records/www.kennen.de
ISBN 978-3-945395-10-3
Abbildung: Die Couplet AG betreibt musikalische „Arterhaltung“ – und vertonte Karl Valentin. (
Foto: Couplet AG)
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