Kultur

Gewerbliche Schmuckstücke in der Ausstellung sind die japanischen Schirmständer und die große Jardinière (um 1880). (Foto: GNM)

17.01.2020

Schauplatz für Neues

Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg rollt die Geschichte der Bayerischen Landesgewerbeanstalt auf

Ein Museum stellt das andere aus: Das klingt kurios, aber im Falle des Germanischen Nationalmuseums (GNM) und des Bayerischen Gewerbemuseums, beide in Nürnberg, ergibt es Sinn. Denn das Gewerbemuseum wurde 1869 gegründet und lebt heute als Landesgewerbeanstalt zu Prüfzwecken fort – aber ohne die ursprünglichen Exponate. Diese sind mit 13 500 Stücken ans GNM übergegangen. Zum 150-jährigen Jubiläum hat die „Museumsarchäologie“ eine Reihe von Ausstellungsstücken ausgegraben, die das alte Gewerbemuseum wieder aufleben lassen – das historische Gebäude am Ring steht nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs zwar noch, dient aber anderen Zwecken.

Die Ausstellung stellt klar, worum es bei dieser Einrichtung überhaupt ging: Man wollte internationale Designerstücke, Kunst und Kultobjekte aus fremden Ländern ebenso wie hochmoderne technische Geräte nach Nürnberg bringen. Die Stadt war Mitte des 19. Jahrhunderts der führende Industriestandort in Bayern.

Von England abgeschaut

Zwei Großindustrielle und Kaufleute hatten die Idee zu einer solchen Institution in England kennengelernt: Theodor von Kramer-Klett und Lothar von Faber. Das Vorbild in London hieß South Kensington Museum (heute Victoria and Albert Museum): eine Art Mustersammlung für ambitionierte Handwerker, für junge Ingenieure.

In einem Saal voller Schubladen, in der Bibliothek und in den technischen Abteilungen fanden sie Vorbilder für die Realisierung dessen, was sie planten. So schreibt Sigmund Schuckert in seinen Lebenserinnerungen, wie glücklich er über die neue Einrichtung war: immer geheizt, auch in den Abendstunden geöffnet, ohne Stundenplanzwänge, kein Schulgeld, breite Ausstattung bis zu Laboratorien und einer Gipsgießerei.

500 000 Gulden standen als Gründungskapital zur Verfügung, wovon die Muster und die Vorbilder, die Einrichtung, später das Grundstück und das Gebäude gekauft werden konnten. Silvia Glaser, die Kuratorin der Ausstellung und Leiterin der Gewerbemuseums-Abteilung im GNM, zeigt anhand von Bildern die verschiedenen früheren Lokalitäten für das Gewerbemuseum: das Nürnberger Fleischhaus, das Café Noris in der Königstraße – bis 1897 der prunkvolle Bau eröffnet werden konnte.

1909 wurde das Gewerbemuseum in Bayerische Landesgewerbeanstalt (LGA) umbenannt. Was man interessant für die fortschreitende Industrialisierung fand, wurde für diesen völlig neuen Typ von Museum zumeist auf den Weltausstellungen eingekauft. Selbst die hohe technische Qualität japanischer Produkte konnten Nürnberger Handwerker dann an Beispielen studieren, wie etwa an einem typisch japanisch dekorierten Email-Schirmständer.

Die Ausstellung bebildert die Geschichte des Museums, stellt prägnante Stücke aus dessen ehemaliger Sammlung aus und dokumentiert zugleich den hohen ästhetischen Standard, den viele Produkte damals hatten. Darauf konnten auch die Lehrer und Dozenten der ab 1900 existierenden Berufsschulen zurückgreifen: Kunstobjekte und Massenware, amerikanisches Werkzeug – allein auf der Wiener Weltausstellung 1873 wurden 1000 Stücke gekauft. Auf der Pariser Ausstellung 1900 waren es nur 44 – darunter allerdings die drei tanzenden Grazien, die heute Logo der Ausstellung sind.

Auch die „Lyoner Prunkbowle“ aus Silber, Elfenbein und Email gehört zu den Attraktionen: Vor dem Ersten Weltkrieg war sie für eine Ausstellung nach Frankreich ausgeliehen, wurde im Krieg beschlagnahmt, bei einer Spedition eingelagert, 1918 für 400 000 Francs zum Rückkauf angeboten. Aber da hatte das Deutsche Reich kein Geld mehr, und das Gefäß musste bis 1975 warten, bis es die LGA auf der Münchner Antiquitätenmesse zurückkaufen konnte.

Das Gewerbemuseum sollte keinesfalls ein Friedhof für alte Handwerkskunst werden. Aber so interessant auch heute in der Ausstellung eine alte Vervielfältigungsmaschine und ein Diaprojektor als Studienobjekte sind: Allmählich wurde der Vorbildcharakter des Gewerbemuseums obsolet. Deswegen wird die Sammlung heute nicht mehr erweitert, Mittel für Erwerbungen gibt es nicht. (Uwe Mitsching)

Information: Bis 27. September. Germanisches Nationalmuseum, Kartäusergasse 1, 90402 Nürnberg. Di. bis So. 10-18 Uhr, Mi. bis 21 Uhr.

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