Kultur

Matteo Ivan Rašić begeistert als Vogelhändler Adam. (Foto: Marie-Laure Briane)

02.02.2024

„Schwuhplattelnd“ in den weiß-blauen Himmel

Das Münchner Theater am Gärtnerplatz amüsiert mit einem bayerisch-queeren „Vogelhändler“

Was wäre das Gärtnerplatztheater ohne queere Subversion! Es ist kein Geheimnis, dass durch fast jede Inszenierung Homoerotik weht – so auch bei der Neuproduktion von Carl Zellers Operette Der Vogelhändler. Da wird aus dem zünftigen Schuhplattler ein „Schwuhplattler“. Sechs fesche Kerle in Krachledernen und mit Bärten, echte bajuwarische Buam eben, schlagen sich auf Waden, Haxen und Schuhe.

Der Titelheld, Adam aus Tirol, ist eine echte Augenweide – für Mann und Frau: Auch bei der zweiten Aufführung wollte das Seufzen im Publikum nicht aufhören. Sobald Matteo Ivan Rašić auf der Bühne erscheint, wird kollektiv geschmachtet. Der in Kroatien geborene und in Innsbruck ausgebildete Tenor ist wunderbar anzusehen, noch wichtiger ist freilich sein Gesang. „No amal, no amal, no amal sing nur sing, Nachtigall!“, lautet ein Gassenhauer und man möchte mit diesem feschen Adam gerne schunkeln. Eine ältere Dame im Publikum summt mit und flüstert: „Mei, ist der nicht liab?“

Mit Dialekt gewürzt

Das ist er, aber das gilt durchwegs für alle im Ensemble – auch für die Frauen. Als Christel von der Post fegt Julia Sturzlbaum in gelb-blauer Uniform und mit ultrablonder Haarpracht über die Bühne. Ihr Gesang ist eine einzige Offenbarung: Selbst die höchsten Töne sitzen gestochen klar. Hinreißend ist Sophia Brommer als Landesmutter Marie: Allein ihr Timbre verströmt warme, runde Noblesse. Und Regina Schörg charakterisiert die Baronin Adelaide mit herrlicher Tragikomik.

Das alles spielt nicht in der Rheinpfalz, sondern in Bayern, denn für das Theater am Gärtnerplatz haben Bernd Mottl und Michael Alexander Rinz eine neue Fassung erstellt. Ihr Vogelhändler spielt in Bayrischzell und „Minga“, alles ist kräftig gewürzt mit Dialekt. Aus dem Ohrwurm „Jekus, jekus, das ist schwer“ wird ein bayerisches „Jessas, jessas“. Auch sonst werden manche Einlagen umgedichtet, auch eine „Bayernhymne“ wird eingebaut: „Du, mein Bayernland, bist so schön – vom Karwendel her bis zur Rhön.“

Damit alle begreifen, dass man hier mitten in Bayern ist, prangt gleich zu Beginn das Bayernwappen auf einem schwarzen Vorhang. Ein Zitherspieler (bei der zweiten Aufführung Roman Messerer) begleitet manche Gesangseinlage. Auch in der Szenerie von Friedrich Eggert herrscht weiß-blaues Lokalkolorit, und wie bei den zünftigen Kostümen von Alfred Mayerhofer glänzt schrill das Plastik. Aus dieser Operette wird eine Satire auf die Satire, mit viel Schein statt Sein – da passt die künstlich glänzende Plastikwelt vortrefflich.
Als windiger Graf Stanislaus vermag Gyula Rab stimmlich nur bedingt zu überzeugen. Dafür ist es urkomisch mitanzusehen, wie er dem Liebesrausch der Baronin Adelaide zu entkommen versucht. Bis sich Christel und Adam finden, dauert es ein Weilchen. Am Ende bekommt auch Adelaide einen Mann: den Wald- und Wildmeister Baron Weps, witzig dargestellt von Holger Ohlmann.

Brillanter Chor

Auch der von Pietro Numico großartig einstudierte Chor brilliert nicht nur gesanglich, sondern auch darstellerisch. Es bereitet schiere Freude, dieser Truppe zuzuhören und zuzusehen. Das alles funktioniert ganz prächtig, zumal Bernd Mottl in seiner Regie auf Tempo und amüsanten Klamauk setzt. Manches mag überdreht erscheinen, aber für Bodenhaftung sorgt das Hausorchester mit seinem ehemaligen Chefdirigenten Anthony Bramall. Unter seiner Leitung entwickelt der Klangkörper einen fast schon betörenden Wiener Schmelz samt einer Walzerseligkeit zum Niederknien. Bramall schenkt den Phrasen nötigen Raum, um weit und großherzig zu atmen. (Marco Frei)

 

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