Kultur

Findet sich im tollen Treiben des Karnevals in Venedig wieder: Der Regie führende Festival-Intendant Max Emanuel Cenčić in der Titelpartie des Pompeius. (Foto: Bayreuth Baroque/Clemens Manser Photography)

12.09.2025

Sex und Intrigen

Starker Auftakt von „Bayreuth Baroque“ mit einer Opernrarität von Francesco Cavalli

Dieses Festival ist ein Wunder. Mitten im ersten Corona-Jahr 2020 fiel der Startschuss, in denkbar schwieriger Zeit, aber: In Windeseile hat sich „Bayreuth Baroque“ im schmucken Markgräflichen Opernhaus zu einem weltweit beachteten Kontrapunkt zum Bayreuther Wagner-Kult gemausert. Was da alljährlich im Spätsommer unter dem inszenierenden und als Countertenor auftretenden Intendanten Max Emanuel Cenčić geleistet wird, das imponiert.

Eine besondere Spezialität sind Ausgrabungen von Opernraritäten. Diesmal wurde das Festival mit dem Dreiakter Pompeo Magno von Francesco Cavalli eröffnet. Cavalli selber ist kein Unbekannter. Er zählt zu den am besten erschlossenen Opernkomponisten des 17. Jahrhunderts. Auch in München ist man schon über seinen Namen gestolpert. An der Bayerischen Staatsoper wurde schon Cavallis La Calisto von 1651 gegeben.

Die Oper Pompeo Magno von 1666 zählt jedoch zu den Schattengewächsen Cavallis, und dafür gibt es Gründe. Das Libretto von Nicolò Minato ist kein großer Wurf, und mit dreizehn gesanglich anspruchsvollen Solopartien ist die Oper nicht einfach zu besetzen. In Bayreuth ist jetzt ein Fest der Stimmen geglückt, allein dies eine Meisterleistung. Auch dramaturgisch hat die Oper einige Tücken, denn: Die Pompeius-Titelpartie ist im Grunde nur ein Nebenschauplatz.

Optimale Rolle

Für den inszenierenden Cenčić war diese Rolle geradezu optimal. Nicht zuletzt muss Cenčić als Pompeius gesanglich nicht akrobatische Höhen wie andere Counterpartien in dieser Oper erklimmen. Nach seinem dritten Feldzug kehrt Pompeius triumphal nach Rom zurück. In der Lesart Cenčić findet sich Pompeius im Karneval von Venedig wieder. Das verraten ein venezianisches Portal auf der Bühne von Helmut Stürmer und die Kostüme von Corina Gramosteanu.

Tatsächlich wurde Cavallis Pompeo Magno im Februar 1666 während des Karnevals in Venedig uraufgeführt. In diesem Sinn lässt sich das Werk als Karnevalsoper begreifen. Bei Cenčić herrscht tolles Treiben samt einer Schar Kleinwüchsiger, übergroßen Gummibrüsten und manchen erigierten Gliedern. Man wähnt sich mehr im derben Karneval in Köln als in der eleganten Lagunenstadt.

Für den passenden Soundtrack ist in Bayreuth ebenfalls gesorgt. Unter Leonardo García-Alarcón spielt die Cappella Mediterranea diese Cavalli-Oper wie einen frisierten Monteverdi, und auch das passt, denn: In der Pompeo-Partitur ist die rund sechzig Jahre ältere Oper L’Orfeo von Claudio Monteverdi präsent. Schon der Eingang erinnert an die „Gonzaga-Fanfare“, mit der Monteverdi auch seine Marienvesper eröffnet.

Selbst der markante Tanz und Chor der Nymphen und Hirten geistert durch die Pompeo-Partitur. Mit Instrumentalfarben, die in Monteverdis Orfeo Gestalten aus der Unterwelt zeichnen, schärft Cavalli zudem die Groteske. Das alles wird in Bayreuth noch zusätzlich gewürzt. Da imitieren derb-frivole Posaunen-Glissandi, wie man sie von Igor Strawinsky oder Dmitri Schostakowitsch kennt, sowie bewusste Verstimmungen im Orchester den angetrunkenen Pompeius-Sohn Sesto.

Manche Details gehen unter

Das passt zur Inszenierung von Cenčić und entfacht fraglos viel Tempo, aber: Manche Details gehen unter. In dieser Oper steht im Grunde vor allem eine Familiengeschichte im Fokus. Die Königin Issicratea wurde mit ihrem Sohn Farnace von Pompeius gefangen genommen. Der geschlagene König Mitridate ist untergetaucht. Er wartet auf die nächste Gelegenheit, um Pompeius zu töten. Ein weiteres Problem: Der Pompeius-Sohn Sesto ist in Mitridates Issicratea verliebt.

Diese Familiengeschichte wird vom Klamauk etwas überdeckt. Schade, denn: Allein hier sind mit Mariana Flores als Issicratea, Valerio Contaldo als Mitridate oder den Countertenören Alois Mühlbacher als Farnace und Niccolò Balducci als Sesto starke Stimmen zu erleben. Dafür aber ist der vierstündige Abend ein überaus sinnliches, kurzweiliges Vergnügen. Noch bis zum 14. September läuft dieser Spaß, absolut lohnenswert! (Marco Frei)

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