Nürnberg hat im Juni des 150. Jahrestags der Uraufführung von Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg gedacht. Die war zwar in München, aber die Oper stand und steht immer noch im Mittelpunkt des städtisch-bürgerlichen Kulturbewusstseins, heute vorwiegend mit bemüht kritisch-herben Inszenierungen. Sie steht auch im Zentrum einer Ausstellung, die sich mit der Geschichte des Nürnberger Musiktheaters im Dritten Reich beschäftigt. Im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände heißt sie Hitler.Macht.Oper – was man doppeldeutig mit und ohne Punkte lesen kann.
Wie ein Gang durch die Bühnenwelt des Theaters und gestaltet vom Bühnenbildner Hermann Feuchtner demonstriert die Ausstellung, wie Hitler, der Nationalsozialismus und die Reichsparteitage die Nürnberger Oper instrumentalisiert haben, wie es dazu kam und wie es in den Nachkriegsjahren weiterging. Das Staatstheater Nürnberg, das Forschungsinstitut für Musiktheater der Universität Bayreuth und das Doku-Zentrum haben sich dafür zusammengetan und zeigen in einer ungewöhnlich detailreichen Schau im Wesentlichen den Zeitraum der Reichsparteitage ab 1935 bis zur definitiv letzten Theateraufführung im Dritten Reich. Zur Schlussvorstellung gab es Wagners Götterdämmerung am 31. August 1944. Für den darauffolgenden 1. September hatte der Orchestertrompeter Adam Schöffel seine Einberufung zur Wehrmacht bekommen, das Opernhaus wurde geschlossen.
Besuch in der Führerloge
Inszeniert hatte diesen Ring der junge Wieland Wagner, einer von Richards Enkeln, der besonders im Mittelpunkt dieser Ausstellung steht und an dem sich offenbar das Bayreuther „Institut“ intensiv abgearbeitet hat. Drei wissenschaftliche Mitarbeiter und fünf Hilfskräfte haben sich in sieben „Vertiefungsbereichen“ mit der Materie beschäftigt. Sie haben analysiert, wie auf Befehl Hitlers das Jugendstil-Opernhaus im Sinne der nationalsozialistischen Kunstauffassung „gereinigt“ wurde, wie die Nazis die Innenstadt anlässlich der Reichsparteitage meistersinger- und mittealtermäßig inszenierten und wie sie sich von Benno von Arent eine Aufführung ins Opernhaus einrichten ließen. Die war zwar konventionell, aber doch mit einer Festwiese von stramm ausgerichteten Fahnen und viel Platz für Aufmärsche.
Feuchtners Ausstellungskonzept von heute führt den Besucher vom Intendantenbüro über die Hinterbühne eines imaginären Theaters bis auf die Hauptbühne und lässt ihn in die Führerloge des Opernhauses blicken. Auf den Seitenbühnen arbeitet die Schau in sich öfter überschneidenden Kapiteln die einzelnen Forschungsgebiete ab, was ein bisschen wie die Gruppenarbeit einer Oberstufenklasse wirkt: zusammengeklebte Schautafeln, laminierte Schriftstücke, kaum audiovisuelle Hilfsmittel außer einem Volksempfänger, der so tut, als würde gerade Wagner übertragen.
Wagners Meistersinger-Opus war auch vor der Machtergreifung eine der meistgespielten Opern in Nürnberg, wurde öfter gegeben als leichtgewichtigere Stücke wie Martha oder Margarethe. So dokumentiert es jedenfalls das „Aufführungsbuch“ in klitzekleinen Ziffern. Ab 1935 wird die politische Dimension der Oper vollends deutlich: für die Stadt, die Partei, den Führer.
Aber die Ausstellung will sich nicht nur mit den großen Themen beschäftigen, sondern auch mit den Fußnoten dieser Nazi-Jahre am Nürnberger Opernhaus. Zum Beispiel mit einer Briefkopie, wo man nachlesen kann, wer – statt der städtischen Ehrengäste – die Parkettplätze bei den festlichen Meistersingern eingenommen hat: die Zahnrarztgattin, die Tippse von der Polizeidirektion und die Inhaberin des Nachtkabaretts „Kakadu“. Hitler hatte offensichtlich keine Ahnung, wer da unter seiner Mittelloge saß. Man muss allerdings viel Leselust und am besten eine Lupe mitbringen, um auch diese Seite vom „Mythos Nürnberg“ nachzuvollziehen; das ist leider nichts für das vorwiegend ausländische Publikum des Doku-Zentrums oder für die vielen Schulklassen. Die werden nicht die Sprachkenntnisse und das Detailinteresse haben wie der pensionierte Nürnberger Opernfreund, dem Namen wie Anny Coty und Karl Mikorey als Operettenstars und Hildegard Jonas als Wagner-Heroine noch etwas sagen.
Wieland Wagners Leben
Besonders intensiv befasst sich die Ausstellung mit der Vita von Wieland Wagner, thematisiert seine Mitgliedschaft in Hitlerjugend und NSDAP. Vieles davon ist nicht brandneu, noch nie zu sehen war wahrscheinlich sein Eintrag in die Götterdämmerungs-Partitur seiner Altenburger Inszenierung: „B grün“ für die Rheintöchter, B steht wohl für Beleuchtung.
Für die Nazis sei er der Erbe Richard Wagners gewesen – auch aus rassenideologischen Gründen. In Nürnberg hat er nach 1945 jedenfalls nicht mehr inszeniert, sondern „Neu-Bayreuth“ kreiert. Und nach dem Rundgang in diesem düsteren Kapitel „Wagner und Nürnberg“ erinnert man sich an die aktuelle Münchner Inszenierung der Meistersinger (wieder am September im Programm der Staatsoper), wo der besoffene Lehrbube David bei all der Meister-Lobhudelei des Finales in einen Eimer kotzt. (Uwe Mitsching)
Information: Bis 3. Februar. Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, Bayernstraße 110, 90478 Nürnberg. Mo. bis Fr. 9-18 Uhr; Sa./ So. 10-18 Uhr.www.museen.nuernberg.de/dokuzentrum
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