Kultur

So betont divers besetzt und jung inszeniert wie noch nie an der Bayerischen Staatsoper ist die Opernkombination von Purcells "Dido and Aeneas" und Schönbergs "Erwartung". (Foto: Bernd Uhlig)

03.02.2023

Tödliche Eifersucht

Mit der Doppelpremiere von Opern Henry Purcells und Arnold Schönbergs zeigt sich die Bayerische Staatsoper divers wie noch nie

Das Monopol ist gebrochen, endlich! Eine Ewigkeit war Ivor Bolton an der Bayerischen Staatsoper die führende Instanz im Barock-Fach. Für die jetzige Doppelpremiere wurde Andrew Manze verpflichtet – auch als Geiger präsentiert er eine starke Originalklangstimme. Mit ihm changiert das Bayerische Staatsorchester stilsicher zwischen dem Barock von Henry Purcell und Arnold Schönbergs frei-atonalem Spätexpressionismus. Während in Purcells Dido and Aeneas aus den 1680er-Jahren leichtfedernd und schwebend phrasiert wurde, brach in Schönbergs Monodrama Erwartung von 1909 klanggewaltige Expression herein: ein fesselnder Hörkrimi.

Zu viel Vibrato

Dieses Changieren zwischen den Zeiten gelang Ausrine Stundyte nur bedingt. Die Litauerin fühlte sich vor allem in Schönbergs Kurzoper wohl, die erstmals in München zu hören war. Wie sie sich dort in der Rolle der „Frau“ zusehends in den Wahnsinn sang, war groß. Als Purcells Dido konnte Stundyte hingegen gesanglich nur bedingt überzeugen. Wie später bei Schönberg setzte sie auch hier auf vibratoreiche Ausgestaltung, was zum barocken Vokalstil Purcells nicht passt. Hier agierten Günter Papendell als Aeneas, Victoria Randem als Belinda, Rinat Shaham als Venus und der Countertenor Key’mon W. Murrah stilsicherer.

Doch wie verbindet man diese beiden Kurzopern? Als große Klammer hat Starregisseur Krzysztof Warlikowski tödliche Eifersucht ausgemacht. Tatsächlich stirbt Dido an gebrochenem Herzen, weil sie nicht akzeptieren möchte, was sie eigentlich von Anfang an weiß: dass ihr Geliebter Aeneas weiter nach Italien muss. Von Troja kommend, ist Karthago nur eine Zwischenstation für ihn. Sie will und kann ihn aber nicht ziehen lassen. In Schönbergs Erwartung geht es hingegen um eine Frau, die in einem Wald auf einer Bank auf ihren toten Geliebten stößt. In der Nähe ist das Haus ihrer Rivalin. Sie hat ihn offenbar ermordet.

In diesem Doppelpack geschieht nun Folgendes: Aus Aeneas wird im Schönberg-Stück der tote Geliebte. Belinda ist wiederum nicht wirklich eine Vertraute von Dido. Sie ist eine intrigante Nebenbuhlerin. Im „Interlude“, das nach dem Tod von Dido zwischen Purcell und Schönberg zusätzlich gesetzt wurde, vergnügt sie sich mit Aeneas. Was dann passiert, ist etwas wirr. In diesem Toten-Zwischenreich-Interlude erschießt Dido das Paar und sich selbst, um in Schönberg zur Frau zu werden. Sie irrt aber nicht in einem Wald herum, sondern befindet sich in einem der zwei postmodernen Wohnblocks. Als das tote Paar Belinda und Aeneas aus irgendeinem Grund plötzlich wieder lebendig wird, ersticht sich die Frau mit einem Messer.

War das alles nur ein Hirngespinst von Dido und der Frau? Das bleibt offen. Aber allein mit den Videoanimationen und den comichaften Einblendungen gibt sich die Regievon Krzysztof Warlikowski betont jung. Dass diese Produktion gezielt ein junges Publikum ansprechen will, offenbart zudem das Interlude. Hierfür heizt der polnische Komponist Pawel Mykietyn mit viel Beats ein, samt sphärenhaftem Gesang, auf Video eingeblendeter Graffitikunst und viel Breakdance.

Faszinierende Debüts

Generell gerierte sich diese Premiere so divers wie keine andere zuvor in der langen Staatsoperngeschichte. Allein im Tanzensemble waren einige People of Color vertreten. Ein Tänzer wirkte wiederum so androgyn, dass man ihn für eine Frau halten konnte. Nicht weniger bunt die Solist*innen: In der Partie der Dido-Vertrauten Belinda gab die dunkelhäutige Sopranistin Randem aus Norwegen ihr Hausdebüt. Als Zauberin war wiederum der dunkelhäutige Countertenor Murrah aus Kentucky zu erleben. Auch er hatte sein Hausdebüt: eine echte Entdeckung.

Diese hochdiverse Verjüngungskur ist die zentrale Mission von Staatsopernintendant Serge Dorny. Er hat es schon zuvor in Lyon erprobt. Ob man aber tatsächlich mit alledem erfolgreich und nachhaltig junges Publikum für die Oper gewinnt, gilt abzuwarten. Das werden unabhängige Publikumsstatistiken zeigen müssen. (Marco Frei)

 

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