Kultur

Nächtliche Schwärze dominierte. (Foto: Katja Lotter)

28.06.2022

Tosender Schlussapplaus

Wichtige Plattform für junge Choreographinnen und Choreographen

Die aktive Tanzkarriere ist kurz. Was folgt danach? Rechtzeitig, also schon Mitte, Ende 20, müssen sich Tänzerinnen und Tänzer fragen: Wähle ich einen ganz anderen Beruf? Gehe ich vielleicht in die tanzpädagogische Richtung oder entscheide ich mich für die Choreographie? Das jährliche Staatsballettprogramm „Heute ist Morgen“ (heuer vom 24. - 27. Juni) ist eine wichtige Plattform für junge Choreographinnen und Choreographen, aber auch für absolute Newcomer, die sich einmal ausprobieren wollen. Wie das ausverkaufte Prinzregententheater bewies: das Münchner Publikum liebt diese Veranstaltung.

Drei Choreographen bestritten das Programm. Zum ersten Mal dabei war Jonah Cook, Erster Solist im Staatsballett, mit seinem choreographischen Debüt, „Played“ (übersetzt: gespielt). Özkan Ayik, dessen „Tag zwei“ bereits 2021 im „Prinze“ gefeiert wurde, entwarf das Stück „dunkelgrau“. Philippe Kratz, neu fürs Münchner Publikum, beschließt den Abend mit der Kreation „to get to become“.

Jonah Cook geht seinen ersten Versuch traditionell an. Man könnte sein „Played“ als eine Art Salonstück bezeichnen, parallel zur bürgerlichen französischen „Salonmusik“ im frühen 19. Jahrhundert. Im Hintergrund ein Tisch mit Erfrischungsdrinks, eine gut bestückte Kleiderstange für den Kostümwechsel des agierenden Quintetts, vorne eine weiße Tanzfläche. Dort werden riskante, geradezu fliegende Pas-de-deux-Figuren präsentiert, bald auch auf und über eine herangezogene Couch hinweg. Cook selbst, die Damen Ksenia Ryzhkova und Bianca Teixeira sind dabei die Hauptakteure. Diese Wohnzimmer-Fête, in die auch mal Elvis Presley supersamtig hineinsäuselt, hatte unterhaltsame akrobatische Qualität, was dem Publikum hörbar gefiel.

Bei Özkan Ayik und Philippe Kratz, so eindrucksvoll ihre Arbeiten letztlich waren, irritierte die Ähnlichkeit des optischen Gesamteindrucks – verursacht jeweils vor allem durch das Lichtdesign von Christian Kass: Nächtliche Schwärze in beiden Stücken, mal etwas weißes Gewölk hoch oben oder, bei Kratz, gegen Ende eine von einem Tänzer getragene gelbrot aufzischende Lichtfackel. Darüber hinaus ist es bei diesen beiden abstrakten Arbeiten schwierig, die choreographischen Unterschiede herauszufiltern. Man liest im Programheft viel Lehrreiches über die jeweilige Inspiration – bis hin zu Aussagen von James Baldwin über die Bedeutung der Poesie. Verstehbar für uns bleibt nur, was auf der Bühne zu sehen ist. Und das sind in beiden Choreographien jeweils acht Staatsballett-Mitglieder in vielerlei Formationen. Heißt: Soli, Pas de deux, Vierer- und Achtergruppen, dabei auch in verschiedenen Kombinationen gegeneinander gesetzt. Fast wirken die beiden Kreationen wie Zwillingsschwestern - mit kleinen Unterschieden.

Und die machen das Seh-und Hör-Erlebnis dann doch interessant. Zu einer brausenden, durchflüsterten, mit Klavierklängen durchzogenen Geräuschwelt hasten Ayiks Figuren über die Bühne - wie auf Schrittgleichheit programmierte Avatare, ruckhaft, die Arme gewinkelt. Es könnten auch die Arbeitssklaven aus einem neuen „Metropolis“ sein. Bei Ayik hat die Bewegung - eckig, kantig, jedenfalls zielgerichtetet - immer eine Körper-Innenspannung, die den Betrachter aufmerksam, gleichsam gierig hält.

Bei Kratz fließt alles langsamer, weicher, friedfertiger, auch wenn hier ab und an die bittere Melancholie schwarzer Musik der drei „Gabriels“ hereinklingt. Wie an unsichtbaren Fäden durchquert Philippe Kratzens Crew auf Marionettenfüßen den Raum. Die bei ihm noch rudimentär zu erkennenden Ports de bras bleiben gerundet. Und sogar ein geschmeidiger Boden-Pas-de-deux webt sich zwischen die Gruppenarrangements. Es liegt so etwas wie ein unsichtbarer Schleier über dem Tanz, etwas noch undefiniert Poetisches. Vielleicht ist dieses anspruchsvolle Stück, an dem Kratz, wie er selbst sagte, sehr lange gearbeitet hat, noch nicht ganz fertig geworden. Wie auch immer, mit den Arbeiten von Ayik und Kratz behauptet sich der Tanz als eine dem Bildnerischen verwandte aussagekräftige Kunst. Das hat auch der tosende Schlussapplaus gewürdigt.(Katrin Stegmeier)

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