Kultur

Lustvoll geht es im Schimmbecken des Müller’schen Volksbads zu mit Karin Torbjörnsdóttir als Nerone, Frauke Mayer als Poppea und Carolin Ritter in der Rolle des beobachtenden Ottone. (Foto: Aylin Kaip)

01.09.2023

Tumult im Intrigensumpf

Opera Incognita inszeniert „Queen Poppea“ als optisches Spektakel, doch die Kombination von Monteverdi und Freddie Mercurys Queen misslingt

Vielleicht wäre man doch besser in Shorts und Gummistiefeln gekommen. Nicht nur, weil der Weg zum Müller’schen Volksbad unterhalb des Münchner Gasteigs ein Wirrwarr von gesperrter S-Bahn und überfluteten Stahlsteigen ist, auch weil die Temperaturen in der Damenhalle mehr als Klimakrise signalisierten. Die Opera Incognita kehrt mit einer Inszenierung von Claudio Monteverdis Die Krönung der Poppea, die hier Queen Poppea heißt, in die Jugendstil-Schwimmhalle zurück (nach Mozart und Britten) und dekoriert das luxuriös und in Karibikblau schimmernde Becken mit Palmen für die lustvolle Genusssucht der römischen Kaiserzeit.

Dort spielt sich die Geschichte vom steilen Weg der Luxusprostituierten Poppea ins Bett und auf den Thron von Kaiser Nero ab: über Leichen und in volksbadgemäßer Hinrichtungsart durch Ertränken. So beginnt auch der dreistündige Abend mit dem Tod der Kaisermutter Agrippina: Zack, aus dem Rollstuhl wird sie in den Pool gekippt. Es folgen Gift, Selbstmord, Verbannung als Stufen von Poppeas Karriere.

Man fragt sich, was der Komponist Monteverdi und sein Librettist Giovanni Busenello an diesem Kaiser Nero gefunden haben: Es war der Geist von Nicolò Machiavellis Il Principe als Grundlage des späteren Absolutismus. Demnach ist dem Herrscher alles erlaubt, was Staat und Macht dient.

So mochte Andreas Wiedermann als Regisseur das nicht sehen: Er greift eher auf die Antike und die Vorurteile über Nero zurück und inszeniert ein „Fest des Amoralischen“ im Müller’schen Planschbecken. Was man ihm dabei auf keinen Fall nachsehen kann: Er lässt attacca auf das musikalisch schönste Liebesduett der ganzen Operngeschichte den Tumult der Musik von Freddie Mercurys Queen losbrechen. Da heißt es dann: Alle rein ins Becken und die Geschichte zurückgedreht bis zu Adam und Eva – knapp geschürzt und samt Apfel; es geht zu Kain und Abel – bis schließlich ein Affe als unser aller Urahn über allem triumphiert. Flucht davor war nicht möglich, der Ausgang war versperrt – und der Tumult von Teilen des schweißüberströmten Publikums sowie des gesamten Ensembles aus dem niederbayerischen Dorfen erreichte römischen Arenajubel. Der Daumen wanderte dabei nach unten für Monteverdi.

Es war wirklich nicht alles Gold, was an diesem Abend üppig glänzte. Man hätte mit all dem Talmi auch entschiedener ein Eldorado von heute suggerieren können: Donald Trumps Florida zum Beispiel. In Neros Badelandschaft blieb es bei den stimmlich nur wenig differenzierten Stimmen und den ranken Darstellerinnen für einen eher naiven Badespaß. Daran änderten auch die Chornummern von Queen wenig. Überm Becken und in der Beletage steht das Lotterbett der Poppea, auf dem im finalen Tumult heftig kopuliert wird.

Wenig Sinn fürs Barocke

Langsamere, gelegentlich langweilige Tempi schlägt mit zu wenig Sinn für die barocke Monodie Dirigent und Bearbeiter Ernst Bartmann bei der royalen Story an, lässt die jungen Damen und ihre Stimmen gemächlich am Beckenrand vorüberziehen – ebenso die Vox populi der Amme Arnalta. So erlebt man Frauke Mayer als agile Poppea mit Showtalent, Karin Torbjörnsdóttir als eher sanften Nero mit Lorbeerkranz, Jessica Poppe als sauertöpfische Ex-Kaiserin, Carolin Ritter als intensive Darstellerin des unglücklich liebenden Ottone, Johanna Schumertl als viel beschäftigten Amor – alle sind auf jeden Fall attraktive Erscheinungen im Intrigensumpf. Dort orgelt der Philosoph Seneca (Robson Bueno Tavares) mit stattlichem Bass und stirbt statt in der Badewanne im Schwimmbecken. Im Weltgeschichtenfinale teilt er seiner Jüngerschar dann das Abendmahl aus. Und muss einsehen, dass es „das Gesetz nur für die Diener gibt“ (Nerone). Schließlich wird noch mal eine Oma aus dem Rollstuhl ins Becken gekippt: The Show must go on. (Uwe Mitsching)

 

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