Kultur

Emilia ist hin- und hergerissen: Heirat oder Mord? In der Rolle begeistert Julia Lezhneva neben Max Emanuel Cencic als Guido. (Foto: Felix Manser)

15.09.2023

Überirdischer Gesang

„Flavio, Re de’ Longobardi“ in Bayreuth: Julia Lezhneva überstrahlt die Countertenöre

Das Bühnenbild glitzert goldgerahmt, kann vielfach um- und aufgeklappt werden. Zusammen mit verschwenderischen und bis ins Detail authentischen Kostümen sieht das nach dem englischen Königshof zu Beginn des 18. Jahrhunderts aus – die Handlung spielt aber eigentlich im langobardischen Mailand der Völkerwanderungszeit. Kurz: Georg Friedrich Händel hat mit Flavio, Re de’ Longobardi zwar eine Oper, aber eigentlich ein historisch-musikalisches Pasticcio geschrieben. Jetzt wurde es als Eröffnungspremiere für das Festival Bayreuth Baroque im Markgräflichen Opernhaus gespielt. Max Emanuel Cencic wollte als Regisseur und Initiator des Festivals alles an Besetzung und Bühnentechnik aufbieten, mit Concerto Köln eines der besten Orchester der historischen Aufführungspraxis, um das Barockfestival zum vierten Mal so attraktiv wie möglich aufzuputzen.

Unterhaltsamer Genremix

Wen interessierten 1723, wen interessieren heute die völkerwandernden Liebeshändel, tragischen Duelle und die Lüste dieses Königs Flavio, die er in seinem Himmelbett samt mehrfacher Besetzung austobt? Diesen Flavio hatten nach über 200 Jahren Aufführungspause und wenigen Inszenierungen im letzten Jahrhundert wahrscheinlich nur wenige Zuschauer*innen je gesehen – jetzt hat es sich gelohnt. Wenn auch nicht wegen der doch enervierenden Länge von vier Stunden, so doch wegen der unterhaltsamen Fülle von Details aus dem barocken Hofleben von George II., besonders aber wegen dieser Mischung von Opera seria und Opera buffa.

Der Abend lohnt auch als Beispiel für die Gipfel der Kastratenkunst, für die der Countertenor Cencic inklusive seiner eigenen Person und Stimme insgesamt drei Herren der vokalen Artistik aufgeboten hat. Bei Händel war es für die Uraufführung in London der berühmte Senesino in der Hauptrolle des Guido, die Cencic übernahm. Dazu kasperte als herrlich royale Flavio-Karikatur Rémy Brès-Feuillet drei Akte lang im Nachthemd herum. Es gibt Hofschranzen, Väter und Liebhaber, und wer wen heiraten soll oder will, hat man im dritten Akt begriffen. Alle Herren haben schöne Arien, manche auch aus anderen Stücken Händels, und werden von Benjamin Bayl aus Australien kompetent begleitet.

Und doch werden die Counterstimmen überstrahlt vom Sopranwunder dieser Aufführung: von Julia Lezhneva als Emilia. Sie ist hin- und hergerissen, ob sie Guido heiraten oder umbringen soll – hat er doch ihren Vater im Duell getötet. Das alles singt Lezhneva mit einer individuellen, sternenklar timbrierten Diamantenstimme, in einer artistischen Folge von Koloraturen und mit viel darstellerischer Glaubwürdigkeit. Durch sie wird diese Parodie auf eine barocke Heldenoper zu einem packenden Erlebnis überirdischer Gesangskunst jenseits jeden Gattungsschemas. (Uwe Mitsching)

 

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