Kultur

Im österreichischen „Toten Gebirge“ herrscht winters wie sommers reger Touristen- und Sportlerandrang – doch Peter Lang kennt inzwischen auch die einsamen Momente dort oben in 1800 Metern Höhe, wo er sein mobiles Atelier geparkt hat. Bis zum ersten Schnee will er dort bleiben, mindestens. (Foto: Julia Koerber)

25.08.2017

„Um sechse scho dreggad“

Der Oberpfälzer Peter Lang hat seinen Reise-Container in den Alpen platziert und ergründet malerisch die Landschaft

Es ist recht gemütlich, wenn man mit dem Lift hinauffährt auf die Höss-Alm weit oberhalb von Hinterstoder im oberösterreichischen Traunviertel, auf jene Höhe hinauf, wo eine Nahtstelle ist, wo die Vegetation allmählich aufhört. Was dort beginnt, nennt man nicht ganz zu Unrecht das „Tote Gebirge“. Nicht ganz so gemütlich war es, als „Peters Reise-Container“ dort mit dem Schwerlaster hinaufbugsiert wurde: ein zu Wohn- und Arbeitszwecken umgebauter Überseecontainer, wie er normalerweise zwar über die Ozeane geschippert, wohl aber kaum über Versorgungsfeldwege, über Stock und Stein alpenaufwärts transportiert wird. Spannend war das und nervenaufreibend, aber jetzt steht er da, der „prc“ – und Peter Lang wohnt und arbeitet in ihm.

Landschaft in Linien

Peter Lang: Künstler (1965 geboren) aus Gleißenberg im oberpfälzischen Landkreis Cham mit einer ihm ganz eigenen Formsprache, den „Lang-Pixeln“, die, grob gesprochen, Landschaft in Linien übersetzen, ihre Präsenz in einem beeindruckenden geschichteten Licht-Farbe-Muster deuten. Seine oft sehr großformatigen Werke wirken deshalb so eindringlich, so impressionistisch hineingeschraubt in die Realität, weil er manchmal monatelang inmitten der Natur wohnt, die er abbildet und ihre Kraft, ihre täglichen, meteorologischen und jahreszeitlichen Veränderungen auf sich wirken lassen kann. „Sein Thema ist nicht wirklich das Abbild der Landschaft, sondern der Eindruck, den sie ausübt, wenn man sich ihr anvertraut und ausliefert“, schrieb über ihn einmal Reinhard Spieler, Direktor des Sprengel Museums Hannover. Mit dem „prc“ war er schon in Patagonien und in Island. Der Standort derzeit in den österreichischen Alpen fasziniert ihn wegen besagter Nahtstelle zweier Landschaftszonen und noch dazu an der Grenzlinie zur Zivilisation: Der Container steht neben den Schneekanonen und dem Speichersee, den die Hinterstoderer zum winterlichen Beschneien ihres Weltcup-Hangs brauchen und der im Sommer, wenn schönes Wetter und Liftbetrieb ist, umwuselt ist von Menschen in neonschrillen Gewändern – davor und danach ist es dort oben brachial einsam: „Ich bin hier oft der einzige Mann am Berg.“ Dann sitzt er einfach da, wandert, schaut, arbeitet. Oder sitzt im Auto, weil die Gewitter dort oben extrem tückisch sind und man sich dann am gesündesten in einem Faraday’schen Käfig aufhält. Lang will mindestens bis zum ersten Schnee oben bleiben. Zum Kennenlernen der Landschaft gehört für Lang zwingend auch das Kennenlernen der Menschen, die in ihr wohnen. In Island haben die Leute, die in der Umgebung des geparkten „prc“ wohnten, seine Bilder betitelt, weil sie die Lichtstimmungen und Wettersituationen sofort wiedererkannten. Und auch jetzt beginnen die Liftleute und die benachbarte Almbäuerin sich stark für sein Tun zu interessieren, auch weil sie sehen, dass er ebenfalls ein Arbeiter ist, ein Kunst-Arbeiter halt, aber auch „um sechse scho dreggad“. Das Miteinander von Menschen ist ein Miteinander von Spezialisten, und er, sagt Lang, sei als Künstler eben ein Spezialist für sinnliche Angelegenheiten. So trage er bei zur Weltwahrnehmung: Jeder mache seins, und ein entscheidender Gradmesser von Freiheit sei es, diese grundsätzliche Verschiedenheit der Menschen zulassen zu können.

Konkreter geworden

Das Sich-einlassen-Können sprengt Grenzen: „Verstehst du die Leute, verstehst du die Landschaft. Verstehst du die Landschaft, verstehst du die Leute.“ Man sieht nur, was man weiß, lautet eines von Langs Credos. Und dieses Wissen, könnte man fortfahren, liegt oft hinter der Oberfläche des Gesehenen. Das zeigen seine Bilder, die er oben am Berg produziert und die dann unten – quasi taufrisch – in Hinterstoder in der Höss-Halle zu sehen sind. Die Ausstellung ist Teil eines Projekts der österreichischen Gemeinde, die Landschaft revisited heißt und auf mehrere Jahre angelegt ist: Jedes Jahr soll ein anderer Künstler kommen. Kuratiert von Reinhard Spieler, dem Direktor des Sprengel Museums Hannover, sollen zeitgenössische Künstler ganz neue Wege der Landschaftsmalerei aufzeigen. Und auch Peter Lang kann der Umgebung neue Seiten seiner Kunst abgewinnen: „Ein wenig konkreter“ würden seine Bilder gerade wieder. Und sich in atemberaubenden Landschaften auf solche Entwicklungen einlassen zu können, das sei für ihn „schon ein Privileg“, sagt Lang, bevor man mit der letzten Gondel wieder gemütlich ins Tal hinabzuckelt. (Christian Muggenthaler) Information: Höss-Halle, Hinterstoder 28, 4573 Hinterstoder, Österreich. www.hinterstoder.at und
www.peter-lang.info Abbildungen:
Peter Lang in seinem Atelier auf Zeit – mit dem er schon auf Island und in Patagonien war. Jetzt steht es in den österreichischen Alpen. (Fotos: Julia Koerber)

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