Kultur

Einfallsreich inszeniert, von exzellenten jungen Stimmen gesungen: Mozarts "Diener zweier Herren" ist zum Nachspielen geeignet. (Foto: Kammeroper)

02.09.2011

Vergnügliches Pasticcio à la Mozart

"Diener zweier Herren" im Nymphenburger Hubertussaal

Eine Mozart-Uraufführung im Jahr 2011? So verwegen, wie die Idee klingt, ist sie gar nicht. Denn zumindest der erste Akt des Librettos war schon übersetzt, und Mozart berichtet 1783 an seinen Vater: „Ich schreibe izt eine teutsche opera für mich – ich habe die Comoedie von goldoni dazu gewählt.“ Aber dann herrschte Funkstille bis heute; dabei hatte Mozart mit La finta semplice doch schon ein Stück des italienischen Komödienkönigs vertont. Jetzt spielt die Kammeroper München ihn doch, den Diener zweier Herren.
Dominik Wilgenbus hat als Librettist den Freiherrn Binder von Krieglstein von damals ersetzt, Alexander Krampe hat an Musik zusammengesucht, was an Opernfragmenten, Arien und Ensembles, an Ballettmusik vorzugsweise um die Köchelverzeichnis-Nummern 430 ff. herum bisher ein Schattendasein fristete und für viele Hörer sowieso einer Uraufführung gleichkommt. Alles zusammen wurde ein Pasticcio à la mode, passend für den Nymphenburger Hubertussaal.
Dort lässt Wilgenbus ohne viel Technik, aber unter venezianischen Leuchtern das Commedia-dell’-Arte-Spiel über Stapel von Tischen, Stühlen, Schubladen fegen – sogar das Mittagessen, das Truffaldino seinen beiden padroni Beatrice und Florindo serviert.
Man hört eine Menge originalen, schönsten Mozart: vom neunköpfigen Orchester der Kammeroper München unter dem stilsicheren, unaufgeregten, umsichtigen Nabil Shehata und von einem jungen Sängerensemble mit putzigen Gipsperücken und in einfallsreich kombinierten Kostümen (Brigitta Lohrer-Horres) gesungen. Damit ist nicht nur der agile Truffaldino von Andreas Burkhart im ganzen (ausverkauften) Saal unterwegs, alle Darsteller lassen hervorragend gesprochene Dialoge hören und behände sprudelnde Noten, besonders in den quirligen Ensembles.
Ständig sind die Ohren auf der Suche nach bekannten Bruchstücken: wenn Anne Steffens als Beatrice mit souverän bewältigten Intervallsprüngen an die Fiordiligi in Cosi fan tutte erinnert oder man schon ein Stückchen Figaro-Finale hört. Die großen Opera-seria-Gefühle mischen sich mit burlesker Spielfreude wie in der Entführung aus dem Serail. Was Mozart aus Gefälligkeit für die Primadonnen komponiert hat, was danach üblicherweise immer gestrichen wurde: Hier feiert es Wiederauferstehung.

Bremsende Seelenschau

Wenn da nicht die peu à peu kulminierende Rasanz der Goldoni-Komödie wäre. Sie wird immer wieder von der „Beseeligung“ unterbrochen, aufgehalten. Wo vor dem echten Figaro-Finale noch alle Zeit der Welt für Arien mit seelisch-seligen Befindlichkeiten ist: Bei Goldoni hat diese retardierende Seelenschau keinen Platz. Und so rast der Diener zweier Herren trotz vielfach gezückter Dolche nicht virtuos auf das glückliche Ende zu, sondern zieht sich in Schönheit ersterbend schier ewig hin. Wenn keiner stirbt, darf ein Herr in der ersten Reihe den Dolch halten, und Mozart hatte recht, dass er den Diener-Plan beiseite legte. Er war eben kein Pasticcio-Bäcker.
Trotzdem ist der Nymphenburger Abend einfallsreich inszeniert, inspiriert und von exzellenten jungen Stimmen gesungen, ein Vergnügen am passenden Ort: Begeisterter Beifall für die Mozart-Pastete, die sich durchaus zum Nachbacken eignet. (Uwe Mitsching)

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