Kultur

Im Schoß der Monsterpuppe: Judith Bohle, Helene Blechinger und Olga Nasfeter als Bernardas töchter. (Foto: Nik Schölzel)

26.04.2013

Verpuppt in alle Ewigkeit

Augsburg "Bernarda Albas Haus" von Garcia Lorca in erlesener Ästhetik

Der Name Anne Lenk steht für einen erfrischend unkonventionellen Zugriff auf Klassiker, in Augsburg jüngst zu sehen am Fall einer aufgepeppten Minna von Barnhelm. Jetzt wagt sich die Regisseurin an Federico Garcia Lorcas schwerblütiges und schwermütiges Frauenstück Bernarda Albas Haus. Sie stützt sich dabei auf die handfeste Nachdichtung von Franz Xaver Kroetz: Der hat das Geschehen zumindest sprachlich aus Francos faschistischem Spanien der Dreißigerjahre in ein bajuwarisch dörfliches Ambiente verlegt, ein gerüttelt Maß saftiger Kraftausdrücke inklusive.
Was aber zunächst ins Auge fällt, ist eine bis zum Schnürboden reichende, in bräutliches Weiß gewandete Monsterpuppe: In der verleiht Martha Rudolf der Matriarchin Bernarda Alba Bewegung und vor allem eine faszinierende Stimme, die zwischen erdrückender gluckenhafter Mutterliebe und eiskaltem Zynismus changiert. Ausstatterin Halina Kratochwil und ein technisch versiertes Puppenbau-Team schaffen damit ein Bühnenbild von erlesenem ästhetischem Reiz.
In bräutliches Weiß gekleidet sind auch Bernardas Töchter, alle sechs flüggen Schmetterlingen gleich, die aber keine werden dürfen, sondern unter dem eisernen Diktat der allgewaltigen Mutter gleichsam auf ewig verpuppt bleiben. So vegetieren sie im diffusen Taumel ihrer explodierenden Sinnlichkeit vor sich hin und hängen mal als aufgescheuchter Hühnerhaufen, mal als zoffende Zicken und mal als situationskomische ‚Golden Girls’ ihren unterdrückten Sexualneurosen nach.
Und draußen vor der Tür stolziert der unsichtbare Pepe El Romano auf und ab und bringt das Blut der jungfräulichen Drachenbrut in siedend heiße Wallung.
Das bestens disponierte Damenensemble des Augsburger Theaters brilliert mit sprachlicher Präzision und körperlicher Gewandtheit. Ute Fiedler spielt die älteste Tochter Angustias, ein vertrocknetes, hinreißend verklemmtes Hascherl, dem der Galan ihres Geldes wegen schöne Augen macht. Seine wahre Liebe aber gilt Adela, der von Helene Blechinger verkörperten Jüngsten, die ihrer Schwester mit raffiniert biestiger Mädchenhaftigkeit den Bräutigam ausspannt. Dazwischen funken die von Eifersucht zerfressene Magdalena (Judith Bohle) und vor allem die bucklige Martirio, von Olga Nasfeter mit frappierendem Mut zu hinterhältiger Hässlichkeit gestaltet.
Den guten Geist im bösen Haus spielt Eva Maria Keller als Magd La Poncia. Auch sie hat so manche Schramme von der allmächtigen Hausherrin abbekommen, wirkt aber mit ihrer Lebenserfahrung und einer souveränen Illusionslosigkeit als Sedativum für ein Leiden, das keine Heilung kennt. Ein pittoreskes Glanzlicht setzt schließlich Christel Peschke als zwischen Hellsicht und Demenz über die Bühne irrlichternde Großmutter.
Viel Jubel für eine denkwürdige Augsburger Premiere. (Hanspeter Plocher)

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