Kultur

Noch wird "Der Schneesturm" geprobt. (Foto: Katja Lotter)

19.03.2021

Verzwickte Tanzgeschichte

Andrey Kaydanovskiy verbindet Ballett und Schauspiel auch in dem Werk „Der Schneesturm“, das am 16. April in München uraufgeführt wird

Hauschoreograf für Igor Zelenskys Bayerisches Staatsballett: Das ist doch eine gute Basis für einen jungen Tanzschöpfer. Der 1982 in Moskau geborene Andrey Kaydanovskiy hat schon seit 2009, parallel zu seinem Engagement als Tänzer im Ballett der Wiener Staatsoper, eine ganze Reihe von Stücken selbst entworfen. Und das nicht nur für das Wiener Ensemble, sondern auch für das Hamburger Bundesjugendballett, für den extravaganten Star Sergei Polunin, fürs Moskauer Bolschoi-Ballett und das Tschechische Nationalballett.

Besonders wichtig für Kaydanovskiy war sicher auch sein Stück Tea or Coffee? von 2016 für das Moskauer Stanislawski-Theater, wo Igor Zelensky, damals dortiger Ballettchef, auf ihn aufmerksam wurde.
In München stellte sich Kaydanovskiy 2017 im Rahmen der Staatsballett-Reihe Junge Choreografen mit Discovery vor. 2019 folgte sein Cecil Hotel (bis zum 2. April kann man es als Video-on-Demand sehen). Darin entwirft er seine Version der Mordserie, mit der dieses berüchtigte Hotel in Los Angeles für Schlagzeilen sorgte.

Schon da zeigt sich: Kaydanovskiy ist kein Vertreter des abstrakten Balletts. Er ist ein Erzähler, vorzugsweise von verzwickten Geschichten. Auch seine zum Ballettwochen-Auftakt am 16. April angesetzte Kreation Der Schneesturm nach der gleichnamigen Puschkin-Novelle von 1831 ist offenbar wieder ein verrätseltes Tanzgeschehen.

Künstlerisches Elternhaus

Aber zurück zu Biografischem: Andrey Kaydanovskiys Vater war Schauspieler und Filmregisseur, die Mutter Tänzerin. „Ich habe einen großen Teil meiner Kindheit im Bolschoi-Theater hinter den Kulissen verbracht“, erzählt er. „Insofern hatte ich auch nichts dagegen, als meine Mutter mich zum Ballettunterricht geschickt hat. Allerdings hatte das, was ich im Ballettsaal an komischen Dingen an der Stange machen sollte, äußerst wenig zu tun mit der Bühne, dieser besonderen Atmosphäre im Theater. Ich konnte zwischen diesen so unterschiedlichen Bereichen zunächst keine Verbindung herstellen.“

Irgendwann hat er dann doch Feuer gefangen. Nach seiner Ausbildung an den Akademien in Moskau, Stuttgart und Wien wurde er ins Ballett der Wiener Staatsoper engagiert, wo er auch schon bald choreografierte: Stücke wie Strawinskys Feuervogel oder Das hässliche Entlein nach dem Märchen von Hans Christian Andersen für die Wiener Volksoper.

Die Wurzeln seiner spezifischen künstlerischen Ausrichtung sind in Beobachtungen früherer Jahre zu sehen: „Ich bin im Bolschoi-Theater mit den Handlungsballetten groß geworden. Später habe ich mir aus Interesse in Moskau auch viel Sprechtheater angeschaut. Irgendwann, aber noch ohne berufliche Absichten, habe ich mir gewünscht, dass sich Ballett und Schauspiel gegenseitig bereichern.“ Das väterliche Erbe scheint eine Rolle zu spielen. „Ich war erst neun, als mein Vater starb, es gab also noch keine Gespräche über seine Arbeit“, so Kaydanovskiy. „Aber ich versuche beim Choreografieren auch schauspielerisch zu arbeiten, indem ich mich in die jeweilige Rolle hineinversetze und durch die Emotionen die Bewegung entwickle.“

Im Taganka-Theater in Moskau hat er 2018 als Choreograf und zugleich als Regisseur einen Theaterabend mit Schauspielern gestaltet. Doch generell scheint ihn das Medium Tanz stärker zu fesseln: „Ich finde, Tanz spricht eine dichte, ehrliche Sprache und kommuniziert auf einer emotionalen Ebene mit dem Zuschauer. Ich erzähle gerne Geschichten, aber eben über den Körper, nicht über Wörter, die den Umweg übers Gehirn gehen.“
Beim Sprechtheater fasziniere ihn die erzählerische Dichte. Dafür bringe der Tanz mit seiner Schnelligkeit eine zusätzliche Dynamik in eine dargestellte Geschichte.

Auf die Frage, ob ihn Krimi-Storys besonders interessieren, meint er: „Es geht mir gar nicht um den Krimi, sondern um den Perspektivwechsel und das Spiel mit der Erwartungshaltung des Zuschauers. Wichtig ist eine Anfangsidee, die ich mit passenden Situationen drumherum ausbaue. Dann suche ich eine Musik und entwerfe anschließend die Choreografie.“

Für den Schneesturm wird ihm nun von Lorenz Dangel zukomponiert: „Wir haben vor jeder Szene intensive Gespräche geführt, um die richtige Atmosphäre zu treffen. Mit seiner (Filmmusik-)Erfahrung weiß Lorenz genau, wie man die richtigen Stimmungen erzeugt. Es ging uns immer darum, dasselbe Bild im Kopf zu haben, um es dann gemeinsam in die richtige Richtung zu entwickeln.“

Kaydanovskiy verweist zwar auf das gemeinsame Arbeitsprinzip, verrät aber noch nichts über Klang, Tempi und Art der Stimmungen. Man soll musikalisch gespannt bleiben bei dieser bizarren Lovestory: Gegen den elterlichen Willen verabreden sich die jungen Liebenden Maria und Wladimir zur Trauung. Durch einen Schneesturm verspätet sich der Bräutigam. Ein anderer Mann, angezogen von Marias Schönheit, springt ein – was die erschöpfte Braut in der dunklen Kirche erst nach dem Eheversprechen bemerkt. Maria erkrankt schwer. Wladimir stirbt in der Armee. Vier Jahre später treffen sich die beiden irrtümlich Getrauten wieder, ohne sich zunächst zu erkennen.

Es ist eine unwahrscheinliche Geschichte, deren Sinn für Kaydanovskiy aber auf der Hand liegt: „Puschkin äußert hier Kritik an der erwarteten Planbarkeit des Lebens. Der Schneesturm ist ein Symbol für das Leben, das sich eben nicht immer an unsere Pläne hält.“

Getrennt von der Familie

Neugierig ist man auf die Kostüme von Modedesigner Arthur Arbesser. Er verspricht, auf die beiden durch den Schneesturm getrennten und stimmungsmäßig ganz verschiedenen Akte jeweils mit anderen Farben und Formen einzugehen.

Mit dieser abendfüllenden Münchner Produktion und mit auswärtigen Gastaufträgen ist Kaydanovskiy voll beschäftigt, während seine Lebenspartnerin Rebecca Horn, Solistin im Wiener Staatsballett, und die zehnjährige Tochter in Wien auf ihn warten. „Ja, das ist schlimm“, sagt er. „Wir bräuchten dringend eine Maschine, die uns von A nach B beamt. Ich versuche, meine Arbeit aber immer so zu timen, dass ich so viel Zeit wie möglich zu Hause bei meiner Familie verbringe.“ (Katrin Stegmeier)

Information: Die Uraufführung von Der Schneesturm findet am 16. April zum Auftakt der Ballettfestwoche im Münchner Nationaltheater statt – entweder live oder online.

Abbildung:
Andrey Kaydanovskiys Schneesturm ist sein erstes abendfüllendes Werk fürs Bayerische Staatsballett. (Foto: S. Schramke)

 

 

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