Kultur

Die Ansicht aus dem Park Schönbusch in Aschaffenburg zeigt stark geschädigte und bereits abgestorbene alte STileichen am Oberen See - Opfer der vergangenen Dürreperioden. (Foto: BSV/Jost Albert)

16.06.2023

Viel Schatten – wenige Lichtblicke

Historische Gärten in Zeiten des Klimawandels: Ein Kolloquium in München diskutierte Strategien

Die schlechte Nachricht zuerst: „Unsere Parkbilder werden sich verändern“, sagt Cord Panning mit Blick auf den angeschlagenen Gesundheitszustand der mehrere Jahrhunderte alten, zunehmend lichter werdenden Baumriesen in Zeiten von Klimastress. Mit Gehölzalternativen will der Fachmann im von ihm mitbetreuten Fürst-Pückler-Park Bad Muskau dem zunehmenden Absterben des Altbuchenbestands begegnen. Der deutsch-polnische Landschaftspark an der Oberlausitz ist seit 2004 eine der wenigen staatenübergreifenden Unesco-Weltkulturerbestätten. Als Geschäftsführer der Stiftung Fürst-Pückler-Park Bad Muskau unterstützt Panning, der als Landschaftsarchitekt und gelernter Gärtner Theorie und Praxis vereint, gemeinsam mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) Projekte, die mit kreativen Lösungsansätzen auf den Klimawandel in historischen Gartenanlagen reagieren.

Notbewässern und fällen

Panning war einer der Expert*innen des zweiten Kolloquiums zum Projekt „Handlungsstrategien zur Klimaanpassung: Erfahrungswissen der staatlichen Gartenverwaltungen“ im Orangeriesaal von Schloss Nymphenburg in München. Ziel der zweitägigen Fachtagung war der Austausch von gärtnerischem Erfahrungswissen mit der Wissenschaft. Eine erste Bestandsaufnahme wurde im August 2022 mit dem ersten Kolloquium im Unesco-Gartenreich Dessau-Wörlitz durchgeführt, dem ersten Landschaftsgarten nach englischem Vorbild auf dem europäischen Festland.

Die Schäden in den rund 150 historischen Park- und Gartenanlagen in Deutschland sind omnipräsent: Der Park Branitz in Brandenburg musste im vergangenen Jahr notbewässert werden, im Großen Garten in Dresden wurden in den vergangenen zwei Jahren 900 Altgehölze gefällt und weitere 700 sind abgängig.

Die grünen Kulturdenkmale sind Klima- und Luftverbesserer, Erholungsort in urbanen Ballungsräumen sowie Arche biologischer Diversität respektive Schutzräume von Tier- und Pflanzenarten – doch all dies ist gefährdet. Der Temperaturanstieg, einhergehend mit extremen wie längeren Trockenperioden, ist ebenso spürbar wie die Zunahme von Stürmen und heftigen Regenstürzen. Eine ungünstige Begleiterscheinung für „Mutter Natur“ ist die Verlängerung der thermischen Vegetationszeit, wie die Verschiebung des Zeitpunkts des Blattaustriebs und des Blühbeginns. Das bedeutet für die Vegetation Stress und begünstigt Schädlingsbefall. Eichenprozessionsspinner und Miniermotte sowie die durch Pilze ausgelöste Rußrindenkrankheit schwächen zusätzlich die Bäume in den alten Parks.

Auftakt zur Münchner Tagung war ein öffentlicher Abendvortrag, bei dem Norbert Kühn von der TU Berlin in einem Schadensbericht den Status quo der Gehölze in Deutschland infolge des Klimawandels darstellte. Das massive Absterben der jahrhundertealten Eichen an den Wallanlagen in Wörlitz (Sachsen-Anhalt) gehört zum Parkschadensbericht bei der Bilanzierung des Istzustands der Gehölze in Deutschlands historischen Gartenanlagen. Die drei Trockenjahre in Europa 2018 bis 2020 gelten als das größte Dürreereignis in den letzten 250 Jahren.
Kühn zufolge sind insgesamt 522 Gehölzarten und 11 856 Sorten als aktuelle Katasterdaten zusammengetragen und ausgewertet. Zur Altersbestimmung der Bäume werden die Umfänge der Stämme gemessen. Deren Vitalität wird erfasst und nach einheitlichem Bewertungsschema visualisiert.

Die harten Fakten: Ehemals heimische Bäume wie Buchen und Fichten sind schon jetzt nicht mehr pflanzbar, meint der Experte Kühn und verweist auf das Szenario abnehmender heimischer Baumarten und einer Zunahme standortfremder Arten. Müssen Gärten und Saatgut neu gedacht werden? Ersetzt der robuste Gingko die Blutbuche, die auf Trockenheit empfindlich reagiert? Bei der originalgetreuen Transformation im lebenden Landschaftsbild historischer Gärten ergäben sich nicht nur ungewollt neue Farben- und Formenspiele, sondern auch ein Qualitätsverlust durch Rückgang der Biodiversität.

„Wo so viel Schatten ist, muss aber auch Licht sein“, sagte Cord Panning. Die gute Nachricht: Die Natur schafft es immer wieder, sich selbst zu verjüngen. Deshalb will man das vorhandene Reservoir an Pflanzen und Baumarten mehr als bisher in parkeigenen Baumschulen nutzen. Wie Versuchspflanzungen aus eigenen Naturverjüngungsflächen im Park Babelsberg ergaben, entwickeln naturverjüngte Bäume im Unterschied zu Neupflanzungen mit Ware aus Forstbaumschulen schon nach drei bis vier Jahren ein ausgedehntes Wurzelsystem, benötigen weniger Wasser und verzeichnen eine höhere Anwachsrate und bessere Resilienz.

Noch eine Neuerung stimmt die Fachwelt zuversichtlich: Pflanzenkohle ist das neue Zauberwort und kommt doch als Renaissance lokaler Kreislaufwirtschaft wiederum ganz altbacken daher. Das Einbringen von in Karbonisierungsanlagen durch Pyrolyse aus Holzabfällen aufbereiteter Pflanzenkohle, auch bekannt als „Terra preta“, steigert die Widerstandsfähigkeit von Bäumen und Grünflächen. Zudem verzögert sie den Wasserabfluss bei Starkregen, speichert Wasser, optimiert Nährstoffe und bindet Schadstoffe sowie CO2.

Im Handlungsmodus

Vom Alarmzustand sind die Expert*innen staatlich historischer Grünanlagen also in den Handlungsmodus gewechselt. Insgesamt 80 Pilotprojekte von der wissenschaftlichen Forschungs- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Maßnahmen zur Gehölzpflege bis zum Wassermanagement und Wegebau sind erste Schritte und machen Hoffnung, den Folgen des anthropogen bestimmten Klimawandels zu begegnen.

„Ein überall verwendbares Patentrezept wird es aus Sicht der Wissenschaft nicht geben – aber eine modellhafte Methodik“, so resümiert es Bernd Schreiber. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schlösserverwaltungen und Präsident der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen sieht trotz Lichtblicken akuten Handlungsbedarf und denkt dabei an Franken: „Während in Brandenburg-Potsdam schon die Hälfte aller Großbäume geschädigt ist, haben wir in Südbayern im Nordstau der Alpen noch vergleichsweise glimpfliche Probleme. In Franken sieht es da schon anders aus.“ In Nordbayern bedrohen Trockenheit und Wassermangel das fragile Grün. (Angelika Irgens-Defregger)

Abbildungen (von oben):
Eine 254-jährige Eiche im Schlosspark Nymphenburg, die Sturm Niklas 2015 umgeworfen hat.  (Foto: BSV/Michael Degle)
Bäume im Englischen Garten München leiden zunehmend unter Mistelbefall - auch eine Folge des Klimwandels. (Foto: BSV/Sven-Patric Klameth)

 

 

 

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