Kultur

Unterhaltung mit guter schauspielerischer Leistung, aber der Freiraum für die Stimmen, die Kent Nagano in diesem "Siegfried" den Solisten schenkte, wurde nicht konsequent genutzt. Hier Lance Ryan als Siegfried und Wolfgang Ablinger-Sperrhacke als Mime. (Foto: Hösl)

01.06.2012

Viel Spaß, wenig Gehalt

Der Münchner "Ring": Andreas Kriegenburgs "Siegfried" will nur unterhalten

Personaldebatten können einer Opern-Premiere die Schau stehlen. So war es bei Richard Wagners Siegfried, mit dem an der Bayerischen Staatsoper der Münchner Ring fortgesetzt wurde. Seit Wochen geistert ein Gerücht durch die Szene, wonach die Hamburger Staatsoper mit Kent Nagano verhandle: Er soll dort 2015 Nachfolger von Simone Young werden. Kurz vor der Münchner Siegfried-Premiere unter Naganos Leitung meldete dies auch der Münchner Merkur, das Dementi folgte prompt. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es keinerlei weitere Pläne“, ließ Nagano seine Agentur verkünden. Das sagt viel und nichts – man munkelt in München und in Hamburg, dass die Gespräche weitergehen. Ein Diskussionspunkt: Nagano soll finanziell mehr verlangen, als er derzeit in München als Staatsopern-GMD bekommt.
Dass dieses Gerede der Münchner Siegfried-Premiere die Schau stahl, lag auch an der recht matten Produktion. Natürlich musste man nicht bis zum zweiten Aufzug warten, um den Regie-Ansatz von Andreas Kriegenburg zu begreifen. Wie in den bisherigen Ring-Premieren ging es ihm auch hier wieder um den Menschen an sich, um menschliches Verhalten in seiner Nacktheit.
Alles besteht aus Menschen, so auch der Körper des Riesenwurms Fafner (Rafal Siwek). Selbst der Wald ist aus Menschenbäumen, und das Vöglein, das Siegfried leitet, wird von einer Tänzerin mit einer Stange in die Höhe gehalten. Denn die Natur, die hier gezeigt wird, ist die Natur des Menschen. Eifrig wird herumgehüpft und geflattert.
Das gehörte zur ironischen Distanz, die Kriegenburg in seinem Siegfried kultivierte. Das war durchaus anders als in seinen bisherigen Ring-Produktionen in München. Diese Ironie setzte sich fort in der Gestalt des Siegfried (Lance Ryan). Als tollkühner Held kennt er zwar keine Furcht vor Monsterschlangen, macht sich aber gehörig ins Hemd, wenn er auf blonde Megafrauen wie Brünnhilde (Catherine Naglestad) trifft. Hilflos wie ein Kind kauerte er auf einem riesigen, rot umhüllten Bett und erwartete furchtvoll die Einführung in die Liebeskunst durch die recht robuste Ex-Walküre. Zuvor hatte Siegfried Brünnhilde aus tiefem Schlaf erweckt.
Das alles wurde fraglos gut gespielt, was ebenso für Wolfgang Koch (Alberich) oder Thomas J. Mayer (Wanderer) galt. Und auch Wolfgang Ablinger-Sperrhacke überzeugte darstellerisch als arglistiger, dabei aber ahnungslos vertrottelter Mime: Als ihn Siegfried tötete, wurde er mit Theaterblut bespritzt.
Solche Späße konnten jedoch nicht verbergen, dass Kriegenburg getreu nach Reclam-Heft inszenierte. Ein aufrüttelndes Konzept, das die vielen aktuellen Fragen aufgreift, die im Siegfried schlummern, hat er erst gar nicht entworfen. Damit machte es sich Kriegenburg einfach, zumal die Ironie bald oberflächlich und albern wurde.
Letztlich ging es nur um die Unterhaltung – was immerhin zur Bühne passte: Die blieb größtenteils bloße Dekoration (Bühne: Harald B. Thor, Kostüme: Andrea Schraad). Auch diesmal schenkte Nagano den Stimmen viel Raum, was von den Solisten leider nicht konsequent genug genutzt wurde, so überzeugend das Ensemble insgesamt auch war. Das galt gerade für Ryans Siegfried, dem jede Lyrik fehlte und der zuweilen gar forciert klang. Und auch Catherine Naglestad drückte gewaltig auf die Tube, so eindrücklich ihr Brünnhilde-Debüt auch war.
Dieser interpretatorische Widerspruch offenbarte vor allem eines: Die Frage nach einem wirklich authentischen, originären Wagner-Gesang, wie ihn Wagner selber meinte, ist längst noch nicht geklärt. Umso luzider und transparenter gestaltete das Bayerische Staatsorchester die Waldszenen und Vogelmusiken: Hier modellierte Kent Nagano einen wunderbaren Farbenreichtum. Für die Regie gab es einige Buhs, und auch Ryan musste verhaltenen Widerspruch einstecken. (Marco Frei)

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