Kultur

Auch ein plastiniertes Herz ist Teil der Jahresausstellung im Deutschen Medizinhistorischen Museum in Ingolstadt. Sie trägt den Titel Ansichtssache. Menschliche Präparate im Museum. (Foto: Medizinhistorisches Museum Ingolstadt)

09.05.2025

Vom Sprengschädel bis zum großen Zeh

Die Jahresausstellung des Deutschen Medizinhistorischen Museums in Ingolstadt mit dem Titel „Ansichtssache“ zeigt menschliche Präparate

„Von wem stammt dieses Herz?“ lautet eine der Fragen, mit denen sich der Betrachter beim Betreten der Ausstellung des Medizinhistorischen Museums Ingolstadt konfrontiert sieht. Das Herz in Originalgröße ist etwa 365 Gramm schwer, plastiniert und leuchtet einem mit rot und blau schimmernden Blutgefäßen entgegen. An den Wänden im Deutschen Medizinhistorischen Museum Ingolstadt stehen noch weitere Fragen, die einer Antwort harren. Von wem das Herz stammt, kann zwar nicht beantwortet werden. Woher es stammt, allerdings schon: aus dem Institut für Pathologie der Klinik München-Schwabing.

"Ansichtssache. Menschliche Präparate im Museum" heißt die Jahresausstellung des Medizinhistorischen Museums. Sie stellt ihre Besucherinnen und Besucher mit Audio-Guide oder eigenem Staunen vor einen ganzen Präparateschrank und weitere Hunderte Schaustücke aus Berlin, Erlangen und München, vor die informativen Tafeln, Videos, die Museumsdirektorin und Kuratorin Marion Ruisinger da zusammengeholt hat. Erst einmal stellt sich vor, was es an Präparaten gibt: Wirbelsäule und Brustkorb, Magen und Gedärm, manches in normalem, manches in absonderlichem Zustand. Zum Beispiel bei der Lunge mit Emphysem, als Staublunge der Bergleute oder im Covid-19-Zustand.

Nichts, woran man nicht hängen bleiben würde: vom „Sprengschädel“ gleich daneben, der alles zeigt, woraus ein menschlicher Schädel zusammengesetzt ist, bis zum großen Zeh. Man staunt und lernt: „Anatomische Präparate“ veranschaulichen die Strukturen des gesunden Körpers, „pathologische“ die krankhaften Veränderungen. Und seit den Zeiten der ersten Anatomen kann man auch Modelle anfertigen: noch mal ein Herz zum Beispiel, aber in Überlebensgröße und aus Holz, Pappmaché, Metall, mit Herzklappen zum Aufmachen.

Vor dieser Fülle von Anschauungsmaterial aus einem halben Jahrtausend und seit der Zeit der Anatomischen Theater der Renaissance kapituliert man vielleicht erst mal und macht Pause, um auf einem schicken Sofa die Antwortkarten auszufüllen, bei denen etwa gefragt wird: „Können Sie sich vorstellen, dass ein Teil von Ihnen als Präparat gezeigt wird?“

Die Antwort fällt einem Besucher leicht, der sowieso „schon Organspender“ ist, andere bekunden: „Faszinierend, wie es im eigenen Körper aussieht.“ Ein zwölfjähriges Mädchen knallt sich erstmal auf die Couch und findet die Ausstellung „schon ein bisschen gruselig“, kleine Jungs wuseln eher unbeeindruckt und mit Wissensdurst durch die eigenen Organe: „Cool!“, rufen sie.
Denn eine Monstrositätenschau ist die Ausstellung nicht, nur in solch seltenen Fällen wie dem Präparat von siamesischen Zwillingen einer fränkischen Bäuerin, die Heinrich Friedrich Isenflamm 1805 seiner „ansehnlichen Sammlung von Mißgeburten“ hinzufügen konnte.

Ausgeprägtes medizinisches Interesse wird schon vorausgesetzt bei einem Hypernephrom aus der Berliner Charité und einem Gebärmutterpräparat mit Myom als Feuchtpräparat: „Papa, ist das echt?“, lautet die Frage eines Kindes.

Einst gab es gründerzeitlich prächtige Anatomiegebäude (wie in Erlangen) oder hat ein Rembrandt die holländischen Ärzte beim Aufschneiden eines Unterarms gemalt: In Ingolstadt sieht man leider nur eine Kopie aus dem 19. Jahrhundert. Aber immer galt: „Die Anfertigung von Präparaten war eine Möglichkeit, die Strukturen des menschlichen Körpers haltbar zu machen.“

Und gut ist, dass gleich beim Eingang darauf hingewiesen wird, dass die gezeigten „human remains“ nicht aus dem Zusammenhang mit Kolonialismus oder Nationalsozialismus gewonnen wurden. Aber die bildende Kunst von heute hat sich des Themas durchaus angenommen: Gestrickte Anatomie von Katharina Sabernig aus Wien wird das Museum für ein paar Wochen parallel zu den Feuchtpräparaten zeigen. Und der Ingolstädter Künstler Thomas Neumaier sucht nach der Nähe von Präparat und Sushiröllchen. (Uwe Mitsching)

Bis 11. Januar 2026. Deutsches Medizinhistorisches Museum, Anatomiestraße 18-20, 85049 Ingolstadt. Geöffnet von Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr.
 

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