Kultur

Eine hübsches Kapitel der Orchestergeschichte lässt sich aus Programmzetteln herauslesen. (Foto: Archiv)

09.05.2014

Was ist noch wild an der Gungl?

Münchens ältestes Laienorchester feiert sein 150-jähriges Bestehen

150. Geburtstag von Richard Strauss und 150. Geburtstag der „Wilden Gungl“: Das hat viel miteinander zu tun. Denn der junge Richard hat drei Jahre lang in Münchens ältestem Laienorchester Geige gespielt, sein Vater Franz war seit 1880 dessen Dirigent. Und dann hat die „Wilde Gungl“ 1885 den Festmarsch C-Dur des 21-jährigen Richard uraufgeführt. Aber in der Geschichte dieses nach dem deutsch-ungarischen Walzerkönig Joseph Gungl (1809 bis 1889) benannten Orchesters war Strauss nicht der einzige prominente Komponist, mit dem das Orchester freundschaftlich verbunden war: Später kam Carl Orff hinzu, dessen Vater Bratscher bei der „Gungl“ war, der Großvater mütterlicherseits war sogar Gründungsmitglied. Heute kooperiert das Orchester mit Wilfried Hiller, dessen Skulpturen der Liebe zum Jubiläumskonzert am 7. Dezember im Gasteig uraufgeführt werden.
Mit Kurt-Detlef Bock, Präsident des Vereins, Kontrabassist im Orchester und Apotheker von Beruf, mit Vorstandsmitglied Katharina Hallensleben (Geigerin) und Birgit Czermin vom Vorstand kommt man schnell ins Plaudern über die alten „Gungl“-Zeiten, als der Walzer-Gungl zwischen seinen Tourneen nach Russland oder Nordamerika seinen Standort in München hatte – und die „Münchner Liedertafel“ sich bei ihren Auftritten von Gungl-Leuten begleiten ließ, „schwarz“ sozusagen. Man hatte Blut geleckt, und bei der Weihnachtsfeier 1864 gründete man als „wilden Ableger“ der Original-Gungls ein eigenes Orchester, eben die Wilde Gungl.
Nicht gerade wild, aber doch unkonventionell“ (Bock) ging es dann bei den Konzerten zu: Respektable Herren (und nur Herren!) aus dem gehobenen Bürgertum spielten Unterhaltsames, von geschlossenen Gesellschaften wurde man gelegentlich zu Unterhaltungs-Gastspielen eingeladen – und während der Musik durfte auch gegessen und getrunken werden, die Herren Musiker hatten auch einen Maßkrug unterm Stuhl.
Plakate aus der Zeit zeigen, wie „wild“ die Gungl damals war. Unter Franz Strauss war damit allerdings allmählich Schluss: Er schob das „wild“ in Richtung „seriös“, mit den zunächst gut 40 Musikern wurden kleinere Symphonien einstudiert. Erst ging es dabei gediegen zu – danach durfte geraucht werden, dicke Zigarren natürlich.
Abgesehen davon ist der Zweck der Wilden Gungl bis heute gleich geblieben: Konzertaufführungen. Im Vereinsregister ist man seit den 1960er Jahren eingetragen, seit 1993 gab es keine Satzungsänderung mehr. Und wer in der Gungl mitspielen darf, ist eher langjährige Übung als juristisch geregelt: Man wird durch Freunde empfohlen, man schaut bei den Proben im Hansa-Haus an der Brienner Straße vorbei. Ein Neuer darf dann erst mal mitspielen, sitzt neben dem jeweiligen Stimmführer: „Ein gewisses Niveau muss natürlich vorhanden sein“, sagt Bock. Nach drei bis vier Proben findet durch ein Gremium eine Bewertung des Petenten statt: „Er muss auch menschlich gut ins Orchester passen. Aber wir wollen keine Prüfungssituation wie bei einem Vorspiel“, betont Bock. Wer erst einmal bei der Wilden Gungl mitspielt, bleibt meistens lange dabei: Fluktuation höchstens durch Umzug oder durch Alter. Die jüngsten Orchestermusiker sind so zwischen 25 und 28, die ältesten Mitte Siebzig, weiß Geigerin Hallensleben. Ähnlich ist die Altersstruktur beim Publikum.
Auf allen Positionen ist man inzwischen mit den 80 Musikern (seit 1956 auch Frauen) gut bestückt, ein paar Blechbläser oder einen Paukisten mehr könnte man noch brauchen. Im wirklichen Leben sind das Juristen, Lehrer, Ärzte, Apotheker, die da mitspielen, viele kommen von Schul- oder Studentenorchestern her oder von Blaskapellen und Posaunenchören am Land. Im Sommer ein Grillfest, winters eine Weihnachtsfeier – viel geselliges Vereinsleben gibt es im Orchesterverein nicht mehr, alle sind beruflich eingespannt, und die Wirtschaft vorn im Probengebäude hat leider auch zu gemacht: „Bei uns geht es ums Musik machen“, heißt es heute an erster Stelle.
Immer samstags kommen die Musiker zusammen – sie fühlen sich durchaus in der Top-Position unter Münchens Laienorchestern. Vier Konzerte werden im Jahr einstudiert: zwei im Herkulessaal, eins im Prinzregentheater („eher heiteren Gemüts“), eines Open air im Brunnenhof.
Im Jubiläumsjahr heißt das: Die Eröffnung im März war im Herkulessaal nahezu ausverkauft, man gastiert bei den Richard-Strauss-Festspielen in Garmisch und am 19. Juli im Münchner Brunnenhof der Residenz. Am 7. Dezember gibt es das abschließende Jubel-Konzert mit der Hiller-Uraufführung. Jetzt aber steht Natur – Liebe – Leben über Festkonzert Nr. 2: Am 18. Mai mit Romantik, vielem aus Böhmens Hain und Flur. Und das noch einmal unter dem langjährigen Gungl-Dirigenten Jaroslav Opela, der früher Chef des Münchner Rundfunkorchesters war. Den wird ab 2015 altersbedingt Michele Carulli aus Süditalien ablösen: „Eine gute Mischung aus Professionalität, Exaktheit und Menschlichkeit. Und mit einer gut einlösbaren Erwartungshaltung an das Orchester“, lobt der Vorstand den Neuen und sagt: „Unser Gefühl war: Der gehört vor die Gungl!“ (Uwe Mitsching) www.wilde-gungl.de Abbildung (Foto: Hallensleben)
Derzeit bereitet sich die „Wilde Gungl“ unter Leitung von Jaroslav Opela auf das Festkonzert am 18. Mai vor.

Kommentare (1)

  1. Bassist am 05.12.2014
    Die Wilde Gungl probt nicht "immer samstags", sondern montags im Hansa Haus!!
    Bitte korrigieren!
    Viele Grüße
    Bassist
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