Kultur

Das Buch der Bücher gibt es in vielen Ausgaben – und unterschiedlichen Interpretationen, die auch in ihren Bildern ablesbar sind. Hier die Anbetungsszene in der gedruckten Koberger Bibel. (Foto: BSB)

05.01.2017

Wer kam zum Stall?

Ringen um das Buch der Bücher: Die Bayerische Staatsbibliothek zeigt in ihrer Schatzkammerausstellung bedeutende Bibelausgaben

Wenigstens haben Mutter und Kind ein ordentlich gezimmertes Dach überm Kopf, die Wände der Herberge sind sogar gemauert. Aber mag die Hütte auch noch so winzig und schmucklos sein, weder eine Krippe für das Neugeborene noch einen Schemel für die Muttergottes haben: Als würde sie herrschaftlich thronen, kauert Maria auf dem Boden am Eingang, das putzmuntere, nackte Jesuskind auf dem Schoß – beide nehmen die Huldigung und Geschenke von drei Königen entgegen. Oder waren es Magier? Oder Weise? Oder Sterndeuter? Dass sie nur drei gewöhnliche Hirten waren, glaubt man bei der noblen Gewandung und dem exquisiten Kopfschmuck jedenfalls nicht. Wer auch immer die Drei gewesen sein mögen und wie sich das Ganze detailliert abgespielt hat: Darüber geben nicht nur die vier Evangelisten unterschiedlich Auskunft – auch die spätere Legendenbildung dichtet munter daran herum. Auf jeden Fall ist die Anbetungsszene rührend – und eine vielsagende, bildlich leicht verständliche Machtdemonstration des kleinen „Königs der Juden“.

Erst Latein, dann Deutsch

Ein populäres Bildmotiv – geradezu logisch, dass Anton Koberger es 1483 in seine Bibel aufnahm. Das Alte und Neue Testament in deutscher Sprache gedruckt: Erst wenige Jahr zuvor hatte das erstmals sein Straßburger Kollege Johannes Mentelin gewagt – die berühmte Gutenbergbibel von 1554/1455 war ja in Latein gefasst. Das war die europaweit gültige Wissenschaftssprache – die erste offizielle Bibelübersetzung aus dem Griechischen ins Lateinische hatte Papst Damasus (305 bis 384) in Auftrag gegeben, sie war 405/6 durch den später heiliggesprochenen Hieronymus (347 bis 420) bewerkstelligt worden. Der Druckpionier Gutenberg hatte beim Absatz des von der Kirche autorisierten, kostspieligen, schmuck- und bilderlosen Erstlings (erst manche späteren Besitzer ließen ihre Exemplare im Nachhinein illustrieren) an eine finanziell und intellektuell gehobenere internationale Kundschaft gedacht, die natürlich Latein beherrschte.

Gier nach Bildern

Anders der geschäftstüchtige Anton Koberger. Er nahm Privatleute und wohl auch den niederen Klerus ins Visier: Beide Käuferkreise waren (mehr oder weniger) lese-, aber nicht unbedingt lateinkundig. Anders als die gelehrte Leserschaft wollten sie sich bestimmt nicht über eine Bleiwüste beugen und in scholastisch-spitzfindigen Studien ergehen – sie freuten sich eher darüber, wenn ihnen das biblische Geschehen sprachlich verständlich und bildhaft vor Augen geführt wurde. Der Lesehunger an der Schwelle zur neuen Zeit gierte nicht nur nach Texten, sondern auch nach Bildern. Historienbibeln und Weltchroniken waren voll davon. Und die handgeschriebenen Luxus-Bibeln hatten natürlich auch wunderschöne Illustrationen in Gold und Purpur – allerdings bekam solche Unikate wie die Wenzelbibel und die Ottheinrichbibel (beide unvollendet) eben nur eine Handvoll Hochwohlgeborener zu Gesicht. Aber, bitteschön! Was Mentelin mit seinem schmucklosen Druck (der aber wertvolle Textvorlage für mehrere folgende Bibelausgaben wurde) den Lesern noch verwehrte, lieferte Koberger: 109 Holzschnitte fügte er in sein 297 Blatt starkes Werk ein. Nach dem Druck wurden sie kräftig koloriert. Damit nicht genug: Geschickte Hände aus der Werkstatt des Augsburgers Johann Bämler verschönerten auch noch 73 Initialen mit bunten Ornamenten. 1500 Exemplare dieses Hybrid-Werkes ließ Koberger anfertigen, sie fanden reißenden Absatz.

An Autoritäten gekratzt

„Es war sicher die wirkmächtigste deutschsprachige Bibel damals“, charakterisiert sie Karl-Georg Pfändtner von der Bayerischen Staatsbibliothek. In deren Besitz ist eines der gut 150 Exemplare, die die Jahrhunderte überdauert haben – es stammt aus dem Benediktinerkloster Andechs, wurde aber im Kloster Tegernsee ausgemalt. Tegernseer Mönche hatten das Kloster Andechs wieder besiedelt. Derzeit ist die Koberger Bibel in der Schatzkammerausstellung Bilderwelten neben anderen bedeutenden Bibelausgaben zu sehen. Im Fokus der Exponatauswahl steht das Thema Bibelreform – im Gedenkjahr „500 Jahre Reformation“ natürlich mit besonderem Bezug zur Lutherbibel. Einer dieser Bezüge wäre die Zahl 18: So viele vorlutherischen deutschen Bibeldrucke gibt es nämlich – beginnend mit dem Mentelindruck; die Koberger Bibel wird an neunter Stelle geführt. Das Medium Druck war in der Tat etwas Revolutionäres: Die Verbreitung in größeren und günstigeren Auflagen, obendrein in verschiedene Dialekten, beförderte das Wissen um die Heilsbotschaft zum Allgemeingut. Das kratzte freilich an Autoritäten: Der lesende Laie konnte sich selbst seinen Reim drauf machen, war nicht mehr auf die ausschließliche Vermittlung durch den Klerus angewiesen. Freilich gab es nicht „die“ deutsche Sprache – und das war auch oft der Grund, warum Bibelübersetzung „von oben“, also vom Papst nicht ohne weiteres ihren Segen bekamen: Es gab so viele Landessprachen – und wenn man sich schon zwischen Rhein und Isar oft nur mühsam verstand, wie sollte man dann erst im Vatikan entscheiden können, welche Begriffe den richtigen theologischen Sinn wiedergaben? „Schon bei der Übertragung vom Griechischen ins Lateinische hatte Hieronymus vor Schwierigkeiten gewarnt, wenn man in die Sprache eines Greises ändernd eingreife und ,eine bereits altersgraue Welt in die Tage ihrer ersten Kindheit’ zurückversetzen will“, erzählt BSB-Experte Pfändtner. Abgesehen von Problemen bei der Textübersetzung: Auch die Bebilderung war manchem gestrengen Theologen ein Dorn im Auge: Schlich sich da nicht eine weitere Interpretation und manch vom Volk Erdichtetes ein?

Richtige und falsche Bilder

Noch einmal die Koberger Bibel: Strenggenommen wäre die beim Lukasevangelium eingefügte Anbetungsszene (links in unserer Abbildung) besser beim Matthäusevangelium aufgehoben, weil der Evangelist Lukas eben nur einfache Hirten nannte, die dem neugeborenen Jesus ihre Aufwartung machen. Matthäus spricht von Sterndeutern. Dass das Könige gewesen sein sollen, wurde eine erst im Laufe der Jahrhunderte liebgewonnene Hinzudichtung. Aber nicht allein deswegen ist die Illustration in der Koberger Bibel interessant. Dass man überhaupt ein Bild zum Leben Jesu darin findet, ist bemerkenswert: Merkwürdigerweise wird in den gedruckten Bibeln jener Zeit nämlich das Alte Testament überreich illustriert – beim Neuen Testament herrscht hingegen eine auffallende Zurückhaltung: Man findet zwar ornamentalen Schmuck und Bilder der Evangelisten – aber nur selten Bildgeschichten. Genau das macht die Ottheinrich-Bibel so herausragend: Erstmals sieht man darin das in Mittelbairisch geschriebene Neue Testament üppig bebildert – großformatig und mit teuren Materialien handgemalt, so wie es sich für einen Fürsten gebührte. Der kunstsinnige Ottheinrich erbte dieses Bibelprojekt sozusagen: Begonnen hatte es gut ein Jahrhundert zuvor der Bayern-Herzog Ludwig der Bärtige. Ottheinrich ließ das Bildprogramm im Renaissancestil fortführen – zu einer Zeit, als Luther schon seine ersten Bibelübersetzungen („September-“ und „Dezembertestament“) in Druck auf den Markt gebracht hatte. Auch beim Religionsrebellen Luther setzt sich die Zurückhaltung bei der Bebilderung des Neuen Testaments fort – der Reformator legte aber ohnehin mehr Wert auf den Text. Erstmals sieht man in der Merian-Ausgabe der Lutherbibel von 1630 das Leben Jesu reich illustriert. (Karin Dütsch) Information: „Bilderwelten/Aufbruch zu neuen Ufern“ bis 24. Februar. Bayerische Staatsbibliothek, Ludwigstraße 16, 80539 München. Mo., Di., Mi., Fr. 10-17 Uhr, Do. 10-20 Uhr, feiertags geschlossen. Virtuelle Ausstellung unter: https://www.bilderwelten2016.de Abbildung:
Die Anbetungsszene in der handgeschriebenen und handgemalten Fürstenversion der Ottheinrichbibel.    (Foto: BSB)

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