Kultur

Bernd Schreiber (Jahrgang 1960) reizt an seinem Amt die hohe Beweglichkeit in Denken und Handeln. (Foto: Heinz Hoffmann/IPA)

04.11.2011

"Wir sind keine Gralshüter, sondern Dienstleister"

Bernd Schreiber über den Wandel der Bayerischen Schlösserverwaltung

Zusammengefaltete Umzugskartons vor dem Büro, drinnen ein einsamer bayerischer Porzellanlöwe, einige wenige Bücher im Regal, auf dem Schreibtisch eine Menge Papier und Mappen: Bernd Schreiber ist noch gar nicht dazu ge- kommen, sich präsidial einzurichten. Seit 1. Oktober ist er der Neue an der Spitze der Schlösserverwaltung – die ihm alles andere als neu ist: Jahrelang übte er die Aufsicht über Bayerns Schlösser vom Finanzministerium aus. BSZ: Herr Schreiber, ein Jurist folgt einem Kunsthistoriker und Ausstellungsexperten. Ist das nicht ungewöhnlich?
Bernd Schreiber: Keineswegs! Mein Vorgänger Johannes Erichsen war ein hervorragender Museumsmann und Ausstellungsmacher – historisch gesehen aber eine Ausnahme. Der erste Präsident nach dem Zweiten Weltkrieg war noch ein Bauexperte. Das war damals auch sinnvoll, weil es um den Wiederaufbau der kriegszerstörten Liegenschaften ging. Danach waren Juristen an der Spitze die Regel. Abseits der öffentlichen Wahrnehmung ergibt sich bei der Leitung dieser Verwaltung eine ungeheure Bandbreite von Aufgaben, bei der man als Jurist im Vorteil ist. bsz Sie waren neun Jahre lang im Finanzministerium mit der Schlösserverwaltung befasst. Lag es da in der Luft, dass Sie eines Tages deren Präsident werden würden?
schreiber So einen Posten kann man sich nicht wünschen oder auf ihn hinarbeiten. Da wird man gefragt. Und das ist dann eine große Ehre und zugleich ein enormer Vertrauensbeweis. BSZ:  Sie waren im Finanzministerium auch in der Haushaltsabteilung. Sind Sie gekommen, um in der Schlösserverwaltung einen taffen Sparkurs zu dirigieren?
Schreiber:
 Nur weil ich aus dem Finanzministerium komme? Dies würde nur einem gängigen Vorurteil über uns „Finanzer“ entsprechen, nicht aber der Realität. Meine Kollegen im Ministerium sind in kulturellen Angelegenheiten sehr beschlagen und sitzen persönlich oft ungern im Bremserhäuschen. Aber es gehört zur Arbeitsbeschreibung, die anstehenden Aufgaben mit Realismus anzugehen. Natürlich müssen wir uns an den Haushaltsrahmen halten, der uns von Ministerium und Landtag vorgegeben ist. BSZ: Unter dem Schlagwort Verwaltungsreform sind schon viele Behörden umstrukturiert, verlagert, zusammengefasst, aufgelöst worden. Könnte so etwas auch der Schlösserverwaltung passieren? Droht etwa die Schließung von Außenstellen?
Schreiber: Eine Reform hat die Verwaltung schon hinter sich, dabei wurden eine ganze Reihe von Außenstellen konzentriert und Abteilungen der Hauptverwaltung zusammengelegt. Dieser Zuschnitt ist jetzt aufgabengerecht. Im Übrigen bilden ja gerade die Schlösser und Burgen die Außenstellen. Sie sind standortgebunden und, das ist besonders wichtig, sie sind als Häuser der Geschichte Bayerns in den Regionen als Identifikationspunkte verankert. Darüber hinaus sind die Personalschlüssel an der Untergrenze. Die Burgen Zwernitz, Prunn oder Lauenstein werden jeweils von nur drei oder vier Stammkräften betreut. BSZ: Das kostet insgesamt aber trotzdem. Der Herr über wie viele Millionen sind Sie jetzt?
Schreiber: Ungefähr 80 Millionen Euro. Und noch so viel zu Kosteneinsparungen: Eine Verwaltung kann nach dem Kostendeckungsgrad beurteilt werden. Und da stehen wir sehr gut da, auch europaweit, weil wir 60 Prozent unseres Etats selbst erwirtschaften. Das heißt, die laufenden Kosten der Verwaltung können wir selbst bestreiten. Der Staat muss nur einspringen beim Bauunterhalt und bei Baumaßnahmen. Und dabei fällt als Transfer an die Öffentlichkeit der freie Eintritt in alle 25 historischen Parkanlagen und der freie Eintritt für alle Minderjährigen quasi mit ab.
BSZ: Ungefähr fünf Millionen Besucher kommen alljährlich in die Schlösser, die Bilanz heuer dürfte mit dem Run nach Herrenchiemsee zur Landesausstellung die Vorjahreszahlen toppen. Aber trotzdem: Eintrittsgelder alleine können diese Summe doch nicht ausmachen?
Schreiber: Ein Drittel unserer Einnahmen kommt aus dem Museumsbereich, der Rest aus Vermietung und Verpachtung, das heißt Gaststätten, Veranstaltungsräume, Seeentgelte, Forstwirtschaft und vieles mehr. Die Schlösserverwaltung ist heute ein moderner, breit aufgestellter Dienstleister. BSZ: Heute kann man in fast allen Schlössern Räume mieten, für Konzertveranstaltungen ebenso wie für private Feiern. Tut so viel Rummel den Objekten überhaupt gut?
Schreiber: Wir sind keine strengen Gralshüter. Aber selbstverständlich gibt es für alle Räume klare Klassifizierungen, was dort stattfinden darf und was nicht. Dabei hat die Bewahrung von Originalsubstanz Vorrang. BSZ: Apropos Ludwig II. Wie halten Sie es denn mit ihm? Ist ein Präsident der Bayerischen Schlösserverwaltung nicht geradezu verpflichtet, in den Chor der Verehrer einzustimmen?
Schreiber: Die drei Königsschlösser sind unsere bekanntesten Marken. Schon allein deshalb sind wir diesem Erbe des letzten großen bayerischen Königs besonders verpflichtet, und zwar in Nachhaltigkeit. Als Ergebnis des Ludwigjahres bleiben dauerhafte Verbesserungen an allen drei Standorten. Besonders schön ist, dass wir erneut erhebliche private Mittel einwerben konnten, um die Restaurierungen in Neuschwanstein fortzuführen. Und meine persönliche Einstellung zu ihm können Sie danach beurteilen, dass ich zuhause drei Reproduktionen an den Wänden habe, die Entwürfe zu Ludwigs Wintergarten auf der Residenz zeigen. BSZ: Drei Königsschlösser – aber was tut die Schlösserverwaltung denn, um ihre 42 anderen Schlösser, Residenzen und Burgen nicht verkümmern zu lassen?
Schreiber: Stimmt schon, in der öffentlichen Wahrnehmung genießen sie oft nicht die ihnen gebührende Aufmerksamkeit. Wir wirken dem aber schon immer entgegen. Aktuelle Beispiele sind die gerade vorgestellten Pläne für eine neue Ausstellung auf der Nürnberger Kaiserburg. 2012 werden wir in Schloss Seehof bei Bamberg erstmals das neue Orangerieparterre vor dem Schloss präsentieren. Da erwartet die Besucher eine in Deutschland einmalige gartenhistorische Attraktion, nämlich 168 hochstämmige, im Schachbrettmuster angeordnete Citrusbäume. Auch im Altmühltal werden die Besucher in der märchenhaften Ritterburg Prunn eine Sensation erleben. BSZ: Eine Sensation?
Schreiber: Aber bestimmt! Die Burg ist Auffindungsort einer Originalhandschrift des Nibelungenliedes. Wir haben mit Unterstützung der Doppelfeld-Stiftung ausführlich zu Werk und Burg forschen können, was eine besucherorientierte wissenschaftlich fundierte Neuausrichtung des Rundgangs ermöglicht. Haptik und Optik werden da eine große Rolle spielen. Lassen Sie sich überraschen! BSZ: Burg Prunn liegt in einer ausgesprochen attraktiven Ausflugs- und Urlaubsregion. Investiert die Schlösserverwaltung deshalb bevorzugt in Objekte an solchen Standorten, um schon vorhandenes Besucherpotenzial umzuleiten
Schreiber: Egal wo, müssen die lokalen Tourismusverantwortlichen mitspielen, um den Kulturtourismus anzukurbeln. Wir stellen die Objekte, die Bezirke, Landkreise und Gemeinden müssen das Paket quasi schnüren. Der überwiegende Teil der Wertschöpfung kommt ja auch nicht der Schlösserverwaltung, sondern dem Einzelhandel, der Gastronomie und Hotellerie zugute. Im Familienurlaub ist der Schlossbesuch nur ein Ereignis. Dann müssen in der Region schon auch ein Klettergarten, ein Freibad, eine Segelschule und dergleichen her. Und in der Gastronomie muss es preislich auch passen. Die Vernetzung ist das A und O. Das war schließlich auch der Schlüssel zur erfolgreichen Bilanz der diesjährigen Landesausstellung auf Herrenchiemsee. BSZ: Die war eine Kooperation zwischen Haus der Bayerischen Geschichte und Schlösserverwaltung. Wird das Modell eine Neuauflage erfahren?
Schreiber: Ich setze auf die Zusammenarbeit mit allen großen Kulturinstitutionen, vor allem also den Staatlichen Museen und Sammlungen, aber auch der Bayerischen Staatsbibliothek und den Archiven. Wir alle sind Dienstleister, die ein stimmiges Angebot, zum Beispiel eine Ausstellung anbieten müssen. Das wird auch weiter so gelebt. In einer guten Idee finden sich zumeist alle wieder. Glauben Sie mir, dem Besucher ist es völlig egal, welcher Träger ein Exponat zur Verfügung gestellt hat. Wenn etwas in der Ausstellung fehlt, hat er kein Verständnis für etwaige Ressortegoismen hinter der Bühne – das gilt auch für die eigene Verwaltung. BSZ: Sie sind zwar noch keine 100 Tage im neuen Amt, aber wie lautet Ihre erste Bilanz? Wie fühlt es sich an auf dem Präsidentenstuhl? Der ja ein ganz bescheidener ist ...
Schreiber: Der große Reiz besteht in der Singularität der Herausforderungen. BSZ: Verwaltung bedeutet doch eher ein Gleichmachen um der Gerechtigkeit willen?
Schreiber: Bei uns ist das nicht ganz so. Jeder Fall, der auf meinem Schreibtisch landet, ist anders gelagert. Da kann man zur Lösung keine Blaupausen aus der Schublade ziehen. Jedes unserer Objekte ist ein Individuum und will so behandelt werden. Sie können die Kosten für den Schnitt einer Kastenhecke im Münchner Hofgarten nicht gleichsetzen mit den aufwändigen gärtnerischen Pflegearbeiten einer Hecke in dem weltweit schönsten Rokokogarten in Veitshöchheim. Und deshalb ist von mir als Präsident ebenso wie von allen meinen Mitarbeitern eine hohe Beweglichkeit im Denken und Handeln gefordert. (Interview: Karin Dütsch)

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