Kultur

Wolfgang Gurlitt war auf Du und Du mit zahlreichen Künstlern. In einer Lithografie porträtierte Oskar Kokoschka den Kunsthändler als „Zauberprinz“ (hier ein Ausschnitt). (Foto: Fondation Oskar Kokoschka/Andreas Bestle)

21.02.2020

Zauberprinz mit vielen Gesichtern

Der Würzburger Kulturspeicher erinnert an Wolfgang Gurlitt, der wie sein Cousin Hildebrand ein gutes Gespür für Kunst hatte – auch aus Raubkunstbeständen

Gurlitt – bei diesem Namen denkt man an den „Schwabinger Kunstfund“ (2013), die skandalumwitterte Sammlung des Hildebrand Gurlitt mit dem Verdacht auf Raubkunst. Doch die Ausstellung Wolfgang Gurlitt – Zauberprinz im Würzburger Kulturspeicher hat nur indirekt mit diesem Fall zu tun.
Wolfgang Gurlitt (1888–1965), Konkurrent und Cousin von Hildebrand, war Kunsthändler, Verleger und Sammler, der Licht- und Schattenseiten einer schillernden Persönlichkeit in sich vereinte. Er hatte einen Riecher für Trends auf dem Kunstmarkt, förderte viele Künstler, vor allem die später diskreditierten Expressionisten. Er eignete sich aber auch durch häufig undurchsichtige Machenschaften Werke bekannter Künstler an, profitierte von nationalsozialistischen Enteignungen jüdischen Kunstbesitzes und dem Entzug „entarteter Kunst“ aus Museen und Sammlungen.

Seine Geschäftspraktiken verdrängten seine Verdienste um die Gründung der Neuen Galerie in Linz (heute Lentos).

Schenkung nach Würzburg

Wolfgang Gurlitt verstand sich als Zauberprinz – Oskar Kokoschka fertigte eine entsprechende Lithografie (1923). Dieses Porträt und andere Grafiken schenkte Gurlitt 1957 der Würzburger Städtischen Galerie aus Freundschaft zu dessen Gründungsdirektor Heiner Dikreiter, mit dem ihn schon während des Zweiten Weltkriegs Geschäftsbeziehungen verbanden; Gurlitt wollte sich sogar kurzzeitig 1944 in der vermeintlich ruhigen Stadt am Main niederlassen. Dann aber zog er doch das österreichische Bad Aussee vor und damit die Nähe zu Altaussee, wohin die Nazis in einen Bergwerksstollen die akquirierten, also geraubten Kunstgegenstände aus ganz Europa verbracht hatten für das geplante „Führermuseum“ in Linz. Auch wenn Cousin Hildebrand hinsichtlich des Erwerbs „arisierter“ Kunstwerke erfolgreicher war: Wolfgang profitierte ebenso davon – aber er half auch jüdischen Künstlern.
Mit untrüglichem Gespür für Qualität sammelte und verkaufte er Bilder, die nach dem Krieg gefragt waren, etwa von Pechstein, Schiele, Klimt, Kokoschka, Liebermann, Kubin, Trübner und vielen anderen. Schon Mitte der 1920er-Jahre, als die Mittel knapp waren, verlegte er Grafiken in Mappenwerken und Kunstbücher, die unter anderem wegen des Verdikts „anrüchige Erotika“ subskribiert und gekauft wurden.

Im Lauf der Jahre trug er einen ansehnlichen Bestand an Kunst zusammen, dessen Besitzverhältnisse nicht immer geklärt waren. Zeitweilig lebte er mit drei Frauen zusammen, seiner Ex-Gattin, seiner ständigen Geliebten und Mitarbeiterin, Lilly Christiansen-Agoston, der er angeblich seine Sammlung übertragen hatte, und seiner zweiten Frau Käthe samt zwei Töchtern. In München betrieb er zuletzt eine Galerie in den Hofgartenarkaden.

In Würzburg macht nun die Ausstellung aus dem Lentos-Museum Linz in abgespeckter Form Station. Sie wirft einen bezeichnenden Blick auf die Praktiken von Kunstmarkt, Kunstbesitz und Kunstgeschmack im deutschsprachigen Raum in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Gurlitt schenkte „seine“ Sammlung dem Linzer Museum nicht, zeigte sie dort vorerst nur als Leihgabe, initiierte aber sehr viele interessante Ausstellungen. Sein Verdienst ist es auch, dass er dadurch Kokoschka wieder nach Österreich holte. Als er aber Geld brauchte wegen des Umzugs nach München, trat er in zähe Verhandlungen für den Verkauf an die Stadt Linz, was schließlich zum Bruch führte.
In der Ausstellung erfährt man auch, dass Gurlitts künstlerische Ader nicht von ungefähr kam: Großvater Louis war ein bekannter Landschaftsmaler, Vater Fritz besaß in Berlin eine renommierte Galerie, die zum Beispiel Leibl und Liebermann vertrat. In dieses Geschäft trat Wolfgang Gurlitt 1907 ein. Er fiel auf durch die spektakuläre Ausstattung von Villa und Galerie in der Potsdamer Straße. Dafür gab er Unsummen aus – 1931 erfolgte die Liquidierung.

Gurlitt förderte besonders den Expressionisten Pechstein, finanzierte dessen Südseereise; aber der künstlerische Ertrag der später entstandenen Gemälde entsprach nicht seinen Erwartungen, und der Künstler musste gegen die Einlagerung und um die Herausgabe seiner Werke prozessieren.
Gurlitt unterstützte lebenslang den jüdischen Maler Eric Isenburger, von dem bemerkenswert düstere, fleckige Bilder mit eingeritzten Konturen, von den Nazis verhöhnt als „Negerkomposition“, zu sehen sind.

Provenienz oft fraglich

Die Präsentation der Mappenwerke reicht von Themen wie Theater und Tanz, Eros und Erotik (Lovis Corinths Venuswagen brachte Gurlitt eine Anklage wegen Pornografie ein), Krieg und Gewalt, von Holzschnitten Pechsteins und Radierungen Willi Geigers über Landschaften und Tierdarstellungen bis zu Religiösem.

Unumgänglich ist bei vielen Bildern die Frage nach der Provenienz; so werden in diesem Kontext aus dem Lentos Beispiele für Raubkunst gezeigt, aus dem Museum im Kulturspeicher unter anderem ein Porträt von Slevogt und ein biedermeierliches Gemälde von Lütgendorff.

Dass Gurlitt nicht nur ein Kunstkenner, sondern auch ein gerissener Geschäftsmann war, belegen die von ihm an Würzburg verkauften Leibl-Werke: Das Bildnis eines Herren (Untermalung) stammt von dem Maler, die drei anderen kleinen nach dem Krieg unter dessen Namen erworbenen Ölbilder sicher nicht; sie sind wohl der Münchner Schule zuzuordnen. (Renate Freyeisen)

Abbildungen:
1952 erwarb Wolfgang Gurlitt Max Liebermanns „Im Berliner Tiergarten“ (1915), es befindet sich im Linzer Lentos-Museum.    (Foto: Lentos Kunstmuseum)

In seiner Berliner Galerie richtete Wolfgang Gurlitt dem jüdischen Künstler Eric Isenburger dessen erste Einzelausstellung ein – dieser malte den Galeristen in ausgesprochen dunklen Farben (1933). (Foto: Museum Giersch der Goethe-Universität Frankfurt a. M.)

Information: Bis 3. Mai. Museum Kulturspeicher, Oskar-Laredo-Platz 1, 97080 Würzburg. Di. 13-18 Uhr, Mi. 11-18 Uhr, Do. 11-19 Uhr, Fr./ Sa./ So. und Fei. 11-18 Uhr.

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