Zu Gast im Silicon Valley und in New York: Der Wirtschaftsausschuss des Landtags informierte sich sieben Tage lang über technologische Neuerungen in den USA. Die elf Abgeordneten von CSU, SPD und Freien Wählern (die Grünen waren nicht dabei) kehrten beeindruckt zurück. Die Staatszeitung sprach mit Ausschusschef Erwin Huber.
BSZ: Herr Huber, was hat Sie bei Ihrer Ausschussreise am meisten beeindruckt?
Erwin Huber: Die Zukunftsgläubigkeit der Amerikaner. Anders als bei uns gibt es dort kein großes Bedenkenträgertum, wenn es darum geht, neue Projekte anzupacken. Es ist einfach ein Spirit da, der voranstürmt und einen mitreißt.
BSZ: Aber ist es nicht auch gut, mal innezuhalten und zu überlegen, ob man eigentlich das Richtige tut?
Huber: Schon. Aber zu viel Nachdenken kann auch zu Stagnation führen. Man kann das gut beobachten im Bereich Software-Entwicklung und Digitalisierung. Da sind die USA Weltmarktführer. Wir haben uns das im kalifornischen Silicon Valley näher angeschaut. Und gestaunt über den geballten Sachverstand, der dort sitzt. Es wird sehr viel Geld in die Erforschung neuer Technologien gesteckt, die Leidenschaft, neue Unternehmen zu gründen, ist gewaltig, und die Leute lassen sich nicht abschrecken von Rückschlägen.
BSZ: Welche neuen Entwicklungen konnten Sie im Silicon Valley in Augenschein nehmen?
Huber: Das war unter anderem der Bereich Künstliche Intelligenz: Smart Home und Smart City – also Entwicklungen, die sich damit befassen, wie der Alltag mit intelligenten, übers Smartphone gesteuerten Haushaltsgeräten vereinfacht werden kann. Und wie auch Städte von derlei Technologien profitieren können, etwa in der Verkehrsführung. Konkret beeindruckt hat uns zum Beispiel eine Entwicklung der Firma Oracle. Dieses Unternehmen ist spezialisiert auf Unternehmenssoftware, hat weltweit 130 000 Angestellte, in München gibt es das deutsche Hauptquartier. Die haben einen Roboter namens Pepper entwickelt, der in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen zum Einsatz kommen soll: Er kann zum Beispiel an der Stimmlage von Patienten erkennen, ob sie im Stress sind, ob es ein gesundheitliches Problem gibt. Das meldet der Roboter dann an die Pflegekräfte. Er kann selber noch keine Pflegeaufgaben übernehmen, aber eben Hilfe organisieren. Wir waren ganz begeistert von dem kleinen Kerl. Der wendet sofort seinen Kopf demjenigen zu, der mit ihm spricht und ist irgendwie putzig. Er kann auch Turnübungen vormachen. Das wird in Gesundheitszentren genutzt, um Reha-Patienten zu animieren.
"Datenschutz ist in den USA kein großes Thema"
BSZ: Smart Home ist bei uns doch auch präsent, etwa über Amazons Alexa.
Huber: Ja, aber in Deutschland ist das noch kein Massenphänomen. In den USA wird Smart-Home-Technik in jedem fünften Haushalt eingesetzt.
BSZ: Ist das so erstrebenswert? Digitale Helfer wie Alexa erfahren enorm viel über die Menschen, die sie nutzen. Da ist mit Blick auf den Datenschutz längst nicht alles geregelt.
Huber: Das stimmt. Mit dem Thema Datenschutz allerdings gehen die Amerikaner sehr entspannt um. Dort geht man davon aus, dass das mit dem Datenschutz schon passt. Und es herrscht die Meinung vor: Niemand ist gezwungen, solche Geräte zu nutzen, die eine große Chance dafür sind, unseren Alltag zu erleichtern. Und in der Tat hat es ja Vorteile, wenn ich von unterwegs erreichen kann, dass das Licht an- und ausgeschaltet wird oder die Rollläden heruntergefahren werden, wenn ich etwa im Urlaub bin. So lassen sich etwa Wohnungseinbrüche vermeiden. Zurzeit werden Smart-Home-Systeme entwickelt, die genutzt werden können, um Energiekosten zu sparen. Etwa über Waschmaschinen, die sich dann einschalten, wenn genügend erneuerbarer Strom vorhanden ist. Als Wirtschaftspolitiker müssen wir wissen, wohin die Entwicklung geht. Und ich bin überzeugt davon, dass die Steuerung der Haustechnik immer stärker über solche intelligenten Systeme laufen wird.
BSZ: Haben Sie auch so etwas zuhause?
Huber: Noch nicht. Unser CSU-Generalsekretär Markus Blume nutzt Alexa und ist recht begeistert davon.
"Der Computer wird nicht müde, er säuft nicht, er hält sich an die Verkehrsregeln"
BSZ: Sie haben sich auch über autonomes Fahren informiert.
Huber: In den USA ist man fest entschlossen, diese Technik auf breiter Ebene einzusetzen. Bei Modellversuchen sind unlängst zwei Menschen zu Tode gekommen. Aber das schreckt die Amerikaner nicht ab. Die sagen: In den USA gibt es jährlich 30 000 Verkehrstote, 95 Prozent davon gehen auf menschliches Versagen zurück. Die Amerikaner wollen die Zahl der Verkehrstoten auf null senken. Sie sagen: Der Computer wird nicht müde, er säuft nicht, und er hält sich an die Verkehrsregeln. Das autonome Fahren wird nicht von heute auf morgen kommen. Zunächst werden die Fahrerassistenzsysteme ausgebaut. Übrigens konnten wir die Amerikaner in diesem Bereich auch überraschen: Dort gibt es noch keine gesetzlichen Rahmenbedingungen für autonomes Fahren. Bei uns schon! Solche Systeme sind bei uns zugelassen, Voraussetzung ist aber, dass der Fahrer jederzeit eingreifen kann. Übrigens sind nach meiner Einschätzung die deutschen Automobilfirmen den Amerikanern voraus.
BSZ: Welche wirtschaftlichen US-Errungenschaften würden Sie gern in Deutschland etablieren?
Huber: Die Dynamik in der Gründerszene. Befördert wird das unter anderem über Präsentations-Wettbewerbe. Start-up-Unternehmen können sich dort vorstellen, es gibt eine Jury, die die jeweils besten auswählt. Im Publikum sitzen die potenziellen Finanziers, die dann gleich mit den Kandidaten Kontakt aufnehmen können. Was wir außerdem brauchen: mehr Wagniskapital. Und es sollte in Deutschland Schulungen geben für junge Unternehmen, die im US-Markt Fuß fassen wollen. Denn die müssen die Besonderheiten des amerikanischen Marktes kennen.
BSZ: Sollten die Amerikaner auch etwas von uns übernehmen?
Huber: Ja. Unser System der beruflichen Ausbildung. Dann wären auch die Produkte besser. Amerikanische Autos, Maschinen oder Haushaltsgeräte sind ja meist nicht so super. Ich habe mit einigen amerikanischen Unternehmern gesprochen, die Trumps Wirtschaftsprotektionismus ablehnen und sagen: Unsere Produkte müssen besser werden. Man kann sich nicht mit Mauern vor Wettbewerb schützen.
BSZ: Und was sagen die Unternehmer über Trumps Zukunft?
Huber: Dass er durchaus Chancen hat, wiedergewählt zu werden. Der Hauptgrund ist, dass die demokratische Partei programmatisch und personell am Boden ist.
(Interview: Waltraud Taschner)
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