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Mit Vollgas in den Personalmangel? Klar ist: Die Feuerwehr braucht einen Richtungswechsel. (Foto: dpa/Peter Kneffel)

12.02.2021

Nachwuchs dringend gesucht

Expertenanhörung im Innenausschuss: Zukunft der Feuerwehren

Den bayerischen Feuerwehren droht mittelfristig ein massiver Nachwuchsmangel. Davor warnen zumindest Experten. Derzeit sei die Personalsituation jedoch noch stabil. Eine Möglichkeit, um gegenzusteuern, ist Fachleuten zufolge die gezielte Rekrutierung von Frauen und Migranten. Beide Gruppen sind bei den Feuerwehren noch immer massiv unterrepräsentiert.

Die bayerischen Feuerwehren steuern im nächsten Jahrzehnt auf einen Personalmangel zu. Das wurde bei einer Expertenanhörung im Innenausschuss deutlich. So erklärte der Kreisbrandrat von Tirschenreuth, Andreas Wührl, dass die Nachwuchsgewinnung aufgrund des demografischen Wandels immer schwieriger werde. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die für den Dienst in der Feuerwehr gewonnen werden könnten, gehe gerade in ländlichen Regionen spürbar zurück.

Doris Rosenkranz, Vorstandsmitglied der Zukunftsstiftung Ehrenamt Bayern, sagte den Feuerwehren in zehn Jahren ein „massives Nachwuchsproblem“ voraus. Um das zu vermeiden, müssten sich deshalb aus jeder Generation mehr Menschen engagieren als bisher. Derzeit sei die Situation bei den Feuerwehren noch „sehr stabil“, berichtete der Vorsitzende des Landesfeuerwehrverbands, Johann Eitzenberger. Einziges Manko sei der wegen Corona weitgehend ruhende Übungsbetrieb. Nach dem Lockdown brauche es deshalb eine Ausbildungsoffensive bei den Wehren.

Feuerwehr mit besserer Technik ausstatten

Um die Attraktivität des Ehrenamts zu erhöhen, forderten mehrere Experten eine technische Ausstattung der Feuerwehren auf der Höhe der Zeit. „Technik und Kameradschaft“ sei seit jeher das Begriffspaar, das für den Dienst bei der Feuerwehr motiviere, sagte Eitzenberger. Deshalb seien Feuerwehren auch stets darauf bedacht, Fahrzeuge und Ausrüstung zu modernisieren. Der Münchner Oberbranddirektor Wolfgang Schäuble ergänzte dies um die Digitalisierung. Gerade für junge Nachwuchskräfte sei es ein Argument, zur Feuerwehr zu kommen, wenn Lehr- und Übungsinhalte digital oder in Form von Virtual Reality erfolgen könnten. Hier hätten die bayerischen Wehren noch großen Nachholbedarf.

Um den Personenkreis potenzieller Feuerwehrleute zu erweitern, verwiesen mehrere Experten auf die Rekrutierung von Frauen und Migranten. Beide Gruppen seien bei den Wehren bislang deutlich unterrepräsentiert. Schäuble betonte, dass es dafür aber zielgruppengenaue Werbung geben müsse. Nach Angaben der Landesfrauenbeauftragten im Feuerwehrverband, Andrea Fürstberger, sind erst zehn Prozent der bayerischen Feuerwehrleute Frauen. Nur jede hundertste Führungsposition sei von einer Frau besetzt. Man müsse die Frauen im Feuerwehrdienst „sichtbarer“ machen, sagte Fürstberger. Zudem brauche es professionelle Angebote zur Kinderbetreuung während Übungs- und Einsatzzeiten und die Möglichkeit, bei beruflicher oder familiärer Belastung ein „Sabbatjahr“ einlegen zu können. Dies könne auch für Männer eine Alternative dazu sein, den freiwilligen Feuerwehrdienst aufzugeben.

Neben den Nachwuchssorgen macht den Feuerwehren nämlich auch der Ausstieg gut ausgebildeter und erfahrener Kräfte zu schaffen. Es gebe bei der Feuerwehr inzwischen ein „Verweilzeitproblem“, erklärte Schäuble. Man verliere immer häufiger Kollegen im Alter von Anfang 30, die beruflich oder familiär stärker gefordert seien. Rosenkranz machte sich in diesem Zusammenhang für flexiblere Dienstmodelle stark. Ursachen für das Aussteigen von Feuerwehrleuten seien auch Stress und Burn-out. Viele Jugendliche würden zudem vom Dienst bei der Feuerwehr abgeschreckt, weil sie sich nicht ein Leben lang binden wollten. Sie engagierten sich deshalb lieber projektbezogen oder zeitlich begrenzt bei Sozial- oder Umweltorganisationen. Bei einer Umfrage unter jungen Menschen habe ein Drittel der Befragten erklärt, sie wollten nicht zur Feuerwehr, „weil sie Angst haben, da nie mehr rauszukommen“. Darauf müssten die Feuerwehren Antworten finden.

Der beim Gemeindetag für Feuerwehrfragen zuständige Wilfried Schober thematisierte das Problem der Tagesalarmierbarkeit im ländlichen Raum. Viele Feuerwehrkräfte würden tagsüber von ihrem Wohnort zur Arbeit auspendeln und stünden damit für Einsätze nicht zur Verfügung. Verschärft werde die Lage durch eine „gewisse Anspruchsmentalität“ der Bürger, die die Feuerwehr oft wegen Lappalien riefen. Diese „lächerlichen Einsätze“ führten zu einer unnötig höheren Belastung. Schober appellierte an die Feuerwehren, sich auf ihre Pflichtaufgaben zu konzentrieren und öfter mal auf Good-Will-Einsätze zu verzichten.

Mehr staatliche Unterstützung forderten die Feuerwehrpraktiker bei der Beschaffung großer Geräte und Fahrzeuge. Die Notwendigkeit zur europaweiten Ausschreibung überfordere viele kleine Feuerwehren und Kommunen. Die bislang dafür angebotene Beratung reiche nicht aus, klagte Eitzenberger. Die Folge sei, dass sich die Kommunen Hilfe teuer bei professionellen Unternehmensberatungen einkaufen müssten. Umstritten war im Expertenkreis, ob finanzielle Anreize bei der Nachwuchswerbung helfen könnten. Schober lehnte dies im Namen der Kommunen ab, es widerspreche auch der ehrenamtlichen Struktur der Feuerwehren. Dagegen meinte Doris Rosenkranz, es brauche mehr „sichtbare Anerkennung“. Diese dürfe sich nicht auf Ehrenzeichen oder Bierkrüge beschränken, vielmehr müssten für verdiente Feuerwehrler auch Vergünstigungen wie kostenloses Parken in der Kommune angedacht werden. Die zum Beispiel in Thüringen gezahlte „Feuerwehrrente“ wollten die Experten für Bayern nicht übernehmen. Ein Bonussystem für langgediente Feuerwehrkräfte wäre aber als Würdigung ihrer Leistungen begrüßenswert, meinte Eitzenberger.

Gründung einer interfraktionellen Arbeitsgruppe

Auf Vorschlag des CSU-Abgeordneten Norbert Dünkel erwägt der Innenausschuss die Gründung einer interfraktionellen Arbeitsgruppe, die sich auf der Grundlage der Expertenanhörung mit der Zukunft der freiwilligen Feuerwehren in Bayern beschäftigen soll. Kernpunkte müssten die Nachwuchsgewinnung und moderne Strukturen der Aus- und Weiterbildung sein.

Stefan Schuster (SPD) erklärte, es müsse insbesondere im ländlichen Raum alles unternommen werden, um den dort drohenden Mitgliederschwund aufzuhalten. Dazu gehörten aus seiner Sicht auch Anreize wie die Feuerwehrrente. Von der Staatsregierung forderte er ein Konzept zum Abbau des Sanierungsstaus bei Feuerwehrhäusern. Es sei ein Fehler, dass der Freistaat nur Neubauten finanziell fördere. Joachim Hanisch (FW) forderte, dass der Übergang von den Jugendfeuerwehren zu den regulären Einsatzkräften besser organisiert werden müsse. (Jürgen Umlauft)

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