Integration ist ein Kraftakt. Für das Corona-Jahr galt das in besonderem Maße. Gibt es da überhaupt irgendwas zu feiern? Gibt es. Weil es wichtig ist, bei aller berechtigten Kritik nicht aus dem Blick zu verlieren, was funktioniert. In kleinem, aber feierlichen Rahmen wurde darum gerade der Bayerische Integrationspreis vergeben. Das diesjährige Motto könnte passender kaum sein: „Integration von Kindern und Jugendlichen – Gemeinsam Zukunft gestalten“.
„Wir wollten darstellen, was gelingt“, erzählte die Ex-Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU), die auf die Bühne des Senatssaals gebeten wurde. Der Widerstand gegen den Preis, der seit zehn Jahren vergeben wird, sei anfangs groß gewesen. Die Feier jedoch mache deutlich, „dass sich die Mühen gelohnt haben“. Der Bayerische Integrationspreis würdigt Menschen, die sich ehrenamtlich für Integration starkmachen.
Stamms Nachfolgerin, die amtierende Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU), betonte: „Integration kann nur aus der Mitte der Gesellschaft kommen.“ Auch Joachim Herrmann, CSU-Staatsminister des Innern, für Sport und Integration, erklärte: „Integration ist eine Erfolgsgeschichte, an der alle mitschreiben, und auf Dauer nur so gut, wie sie von der Mehrheit im Land gelebt wird. Von den Neubürgern, aber auch von denen, die schon lange hier zu Hause sind.“
Insgesamt 145 Bewerbungen gingen ein, aus denen die Jury drei Preisträger*innen auswählte. Zum ersten Mal wurde darüber hinaus auch ein Sonderpreis ausgeschrieben für Menschen mit Migrationshintergrund, die ehrenamtlich tätig sind. Frauen wie Zahra Akhlaqi, deren Geschichte sich wie ein modernes Märchen liest, zeigt sie doch, dass individuelles Engagement, freundliche Willkommenskultur und strukturelle Unterstützung beeindruckende Bildungskarrieren anschieben können.
Die Zahl der Erflogsgeschichten wächst
Die junge Frau, die in Afghanistan geboren und im Iran aufgewachsen ist, floh als Dreizehnjährige mit ihrer kleinen Schwester über die Türkei und Griechenland nach Deutschland, wo sie 2013 mit ihrer Familie zusammenkam. Statt im Asylbewerberheim zu leben, teilte man sich zwei Zimmer mit Miniküche. Zahra kam in die achte Klasse der Mittelschule, eine Übergangsklasse. Weil sie kaum Deutsch sprach, besuchte sie drei Jahre lang in den Sommerferien Deutschkurse. Entscheidend für ihr Fortkommen war, wie sie sagt, das Stipendium „Talent im Land“ (TiL), das engagierte Schülerinnen und Schüler in Bayern auf ihrem Weg zu Abitur und Fachabitur sowohl finanziell als auch ideell unterstützt. So schloss Zarah Freundschaften, besuchte die Sommerakademie auf Schloss Salem – und begann damit zu liebäugeln, Jura zu studieren.
Inzwischen tut sie das tatsächlich. Aber sie ist nicht nur Studentin der LMU, sondern auch im Vorstand des heimaten e.V. – Netz für Chancengleichheit, wo sie sich für Mädchen- und Frauenrechte, die politische und soziale Teilhabe von Menschen mit Fluchtgeschichte starkmacht und gegen Rassismus und Diskriminierung antritt. Auch beim Bayerischen Jugendring ist sie aktiv, bei Bellevue di Monaco und der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, von der sie ein Stipendium erhält.
Man darf sich also schon fragen, wie sie all die Aufgaben unter einen Hut kriegt. Tatsächlich, erzählt sie, hat sie am Vortag sieben Stunden moderiert, bei einer Veranstaltung zum 20. Weltflüchtlingstag in München. Ja, sie war erschöpft danach. Und ist es vielleicht noch. Genug Schlaf bekommt sie nicht immer. Aber die Freude über die Möglichkeit, sich einzubringen, überwiegt. In ihrer Arbeit möchte sie den Blick schärfen dafür, dass geflüchtete Mädchen und Frauen einer Vielzahl von Diskriminierungen ausgesetzt sind. An Menschen mit Migrationshintergrund richtet sich die Botschaft: „Traut euch, informiert euch, bewerbt euch um Stipendien! Manchmal öffnen sich Türen, mit denen man nicht gerechnet hat. Ihr braucht kein Einserabitur; es reicht, wenn ihr engagiert seid und euch bemüht!“
Ganz so, wie sie selbst es geschafft hat: „Durch Fleiß, Unterstützung – und Glück“. Den dritten Platz machte das Münchner Projekt YouthBridge der Europäischen Janusz Korczak Akademie, wo Jugendliche ein zweijähriges Leadership-Programm absolvieren. Die jungen Leute stammen aus den verschiedensten ethnischen, kulturellen und religiösen „Communities“.
Den Migrant*innen Mut machen
In den Seminaren und Projekten, an denen derzeit 35 junge Erwachsene teilnehmen, geht es um Radikalisierungsprävention, um Toleranz und um Konfliktmanagement. Die jungen Leute tauschen sich aus, bauen Vorurteile ab, vernetzen sich neu - und gehen anschließend als Multiplikatoren zurück in ihre Familien und Freundeskreise.
Das Nürnberger Antiradikalisierungsprojekt des Global Elternvereins, das den zweiten Preis erhielt, will Politikinteresse, Integration und menschenrechtliche Werte bei Kindern und Jugendliche fördern. Entstanden ist es aus Nachhilfestunden und der Erfahrung, dass viele Schülerinnen und Schüler dazu neigten, religiös-radikal zu argumentieren. Besonderes Augenmerk richten die Projektleiter derzeit darauf, Fake News, die in sozialen Netzwerken auftauchen, zu entlarven.
Den ersten Preis erhielt ein Projekt namens Impro macht Schule. Es setzt an der Persönlichkeitsentwicklung an und hat schon über 1000 Schüler*innen an 27 Münchner Mittelschulen unterrichtet. Aber was heißt schon: unterrichten. Die Methoden, nach denen die ausgebildeten Schauspieler*innen und Theaterpädagog*innen vorgehen, sind alles andere als Frontalunterricht. Stattdessen entwickeln sie mit den Schülern spontane Szenen und Rollenspiele. Das hilft, Schüchternheit abzubauen, Denkschubladen zu verlassen und Perspektiven zu wechseln. „Wenn es gelingt, die Persönlichkeit zu stärken, kommen die Kinder auch später besser zurecht“, so Gründer Jürgen Peters. Die Hoffnung: Wer Improtheater gemacht hat, tritt auch in einem Bewerbungsgespräch selbstbewusster auf, hat mehr Mut und Selbstvertrauen und Achtsamkeit für andere. (Monika Goetsch)
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