Landtag

Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU). (Foto: dpa/Rachel Boßmeier)

26.03.2021

Die Unprätentiöse

Im Porträt: Ilse Aigner (CSU), Landtagspräsidentin

Wenn bei Ilse Aigner der Fernseher kaputt ist, tut sie das Gleiche wie andere Menschen auch: Sie ruft den Monteur vom Fachbetrieb. Dabei ist die heutige Landtagspräsidentin gelernte Radio- und Fernsehtechnikerin. Aber die Ausbildung ist nun schon gut 30 Jahre her, da liefen die TV-Geräte noch mit Röhren. „Da konnte man noch kalte Lötstellen suchen und Transistoren austauschen“, erinnert sie sich. Die digitalen Flachbildschirme von heute sind mit diesem Wissen nicht mehr zu verstehen.

Mit ihrem Beruf war Aigner damals Exotin. Auf der Technikerschule nach der Ausbildung im elterlichen Fachbetrieb war sie die einzige Frau unter 100 Männern. Eine lustige Zeit sei das gewesen – und eine Schule fürs Leben. Aber dazu später mehr.

Ein Studium wäre nichts für sie gewesen, erzählt Aigner. Sie wollte mit ihrem Faible für Mathe und Physik etwas Technisches machen. „Ich war schon immer eigenständig und etwas dickschädlig“, sagt sie und schmunzelt. Außerdem wollte sie ursprünglich den Betrieb der Eltern übernehmen.

Daraus wurde nichts. Als junge Frau musste sie sich wegen eines Tumors am Rücken operieren lassen, die Genesung zog sich über Jahre. „Ich war mir damals einfach nicht sicher, ob ich gesundheitlich so stabil bin, um einen Betrieb zu führen“, erzählt Aigner. 1990 ging sie deshalb mit 25 Jahren zu Eurocopter und bildete sich zur Systemelektrikerin für Hubschrauber weiter. Ganz nebenbei nahm ihr politisches Engagement immer breiteren Raum ein. Schon 1985 war sie in die CSU eingetreten. „Aus einem mittelständischen Betrieb heraus gab es für mich nichts anderes als die CSU.“

Männerseilschaften schreckten sie nicht ab

Aigner war erst 27, da wollte sie schon Bürgermeisterin ihrer Heimatgemeinde Feldkirchen-Westerham im Landkreis Miesbach werden. Sie blieb aber bei der CSU-internen Nominierung knapp hängen und erfuhr dabei erstmals, wie das so läuft mit den parteiinternen Männerseilschaften. Abschrecken ließ sich Aigner aber nicht. Schon zwei Jahre später bekam sie ihre Chance. Auf der CSU-Oberbayernliste für die Landtagswahl 1994 wurde ihr ein guter Listenplatz angeboten. Aber es war die Hochzeit der Amigo-Affäre um Ministerpräsident Max Streibl, die CSU war in Umfragen weit weg von der absoluten Mehrheit. Weil die Chancen gering standen, über die Liste in den Landtag zu kommen, hielt sich der Drang der Männer in Grenzen, in einen mutmaßlich aussichtslosen Wahlkampf zu ziehen. Also haben sie eine junge Frau genommen. „Doch dann kam Edmund Stoiber – und rumms war ich im Landtag“, schildert Aigner den weiteren Gang der Geschichte.

Im Maximilianeum blieb sie aber nur vier Jahre. Als Spitzenkandidatin der Jungen Union (JU) Oberbayerns hatte Aigner 1998 zwar wieder einen vorderen Listenplatz, doch kurz vor der fast gleichzeitig angesetzten Bundestagswahl fiel der örtliche Direktkandidat aus. Aigner war aus Sicht der Verantwortlichen mit ihrer Parlamentserfahrung und der daraus resultierenden Bekanntheit die Einzige, der man zutraute, den Sprung in den Bundestag ohne großen Vorlauf zu schaffen. Sie sollten recht behalten.

In Berlin nahm Aigners Karriere schnell Fahrt auf. Sie wurde forschungspolitische Sprecherin, in den Haushaltsausschuss geschickt und zur stellvertretenden CSU-Landesgruppenchefin gewählt. Nach der Bundestagswahl 2008 machte ihr der neue CSU-Chef Horst Seehofer das Angebot, Agrarministerin unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu werden. „Damit hatte ich nicht gerechnet“, räumt Aigner ein. Schwer habe sie mit sich gekämpft, sich gefragt, ob sie das könne. Ein Mann, meint sie, hätte wohl sofort die Chance gesehen und zugeschlagen. Sie aber ging mit ihren Schwestern „auf den Berg“, um sich in diesem vertrauten Kreis zu beraten. „Am Ende habe ich es mir zugetraut und dann auch bewiesen, dass ich es kann.“

Schwierige Jahre als Agrarministerin in Berlin

Dabei waren Aigners Ministerjahre keine einfache Zeit. Dioxin in Eiern, Pferdefleisch in der Lasagne, EHEC-Bakterien auf Salatsprossen –  ein Lebensmittelskandal jagte den anderen. Viel gelernt über das Staatswesen und die Spielregeln der Politik habe sie damals. Im Rückblick, sagt Aigner, überwiege aber die Freude über errungene Erfolge. Zum Beispiel, dass sie die stärkere Förderung kleinerer bäuerlicher Betriebe durchsetzen konnte oder Initiativen gegen das Wegwerfen von Lebensmitteln angestoßen hat.

2013 trat erneut Horst Seehofer als Weichensteller in ihrem Leben auf. Seine Idee: Aigner sollte das Ministerinnenamt sausen lassen und sich als oberbayerische Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in den Dienst der Partei stellen. Auf die Frage, was ihr Seehofer dafür als Belohnung angeboten habe, antwortet Aigner knapp: „Gar nix!“ Er habe schlicht an ihr Verantwortungsgefühl appelliert. Und klar, ihr sei bewusst gewesen, dass Seehofer sie mit dieser Rochade auch in seinem Markus-Söder-Verhinderungsspiel habe in Stellung bringen wollen. „Der Horst hat immer etwas gepokert, aber das war nicht meine Motivation“, betont Aigner.

Überhaupt Markus Söder. Wie sie ihr Verhältnis zu dem stets ambitionierten Franken beschreiben würde? „Schicksalsgemeinschaft“ würde es am besten treffen, meint Aigner. Die beiden sind 1994 gleichzeitig in den Landtag eingezogen, agierten mehrere Jahre parallel im Landesvorstand der JU, gehörten später der Regierung Seehofer an. „Wir sind langjährige gute Weggefährten, wir haben uns immer ganz gut ergänzt.“ Mann/Frau, Franke/Oberbayerin, evangelisch/katholisch – „das bayerische Yin und Yang“, wie es auf dem Nockherberg einmal geheißen hatte.

In einem Punkt ist Söder für sie dennoch Bezugsgröße: wenn es darum geht, das unterschiedliche Handeln von Männern und Frauen in der Politik zu beschreiben. Mehr Frauen sichtbar in Verantwortung zu bringen, zieht sich zunehmend wie ein roter Faden durch Aigners politisches Wirken. Söder, sagt sie, sei eine „klassische Führungsperson“, die voranschreite und auch mal ins Risiko gehe. Eine „sehr männliche Vorgehensweise“ sei das. Frauen seien da eher zurückhaltend und abwägend. Aigner stellt das fest, bewertet nicht. Sie zieht aber einen Schluss daraus: „Deshalb bin ich der Meinung, dass gemischte Teams am besten sind.“ Um das zu erreichen, plädiert sie für eine Quotierung, wo immer das rechtlich möglich ist.

Seit zweieinhalb Jahren ist Aigner nun Landtagspräsidentin. Ein Amt, in das sie nicht ohne Vorbehalte gestartet war. Ob sie es mit ihrer ausgleichenden Art im Kreuz habe, den Provokationen der AfD Paroli zu bieten, wurde geraunt. Solche Unkenrufe sind inzwischen verstummt.

Privates gibt die in ihrem Elternhaus lebende Aigner nur spärlich preis. Sie geht gern auf Berge, radelt, schwimmt und fährt Ski.

Als Austragsstüberl sieht Aigner das Präsidentinnenamt im Landtag nicht. Auf ihre Zukunft angesprochen erklärt sie: „Man weiß nie, was passiert.“ Wenn es also Söder doch ins Kanzleramt nach Berlin zöge? „Fragen beantwortet man, wenn sie sich stellen“, sagt Aigner und lächelt vielsagend.
(Jürgen Umlauft)

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