Landtag

Begeisterter Radler: Christian Zwanziger. (Foto: BSZ)

05.11.2021

Der Bescheidene

Im Porträt: Der Grünen-Abgeordnete Christian Zwanziger

Dass auch Klappern zum Handwerk des Berufspolitikers gehört, muss der Grüne Christian Zwanziger – er gehört dem Landtag erst seit 2018 an – noch lernen. Während die meisten seiner Kolleg*innen auf die Frage, was sie im Parlament schon konkret erreicht haben, sofort eine Liste von Erfolgen aufzählen, bleibt der 34-Jährige merkwürdig unschlüssig. Das wäre doch vermessen, sich da etwas persönlich zuzuschreiben, wendet er ein, es handele sich schließlich immer mehr oder weniger um Gruppenerfolge beziehungsweise solche der Fraktion.

Nach einigem Nachdenken verweist Zwanziger dann doch auf die Forderung nach einem Zwei-Prozent-Anteil für erneuerbare Energien in einem Sondierungspapier. Oder seine Überlegungen, wie man die Rolle der regionalen Planungsverbände – einer administrativen Zwischenebene von Landkreisen und Bezirken – stärken könnte.

Diese Bescheidenheit macht den schlaksigen und trotz seiner schon grauen Haare jungenhaft wirkenden passionierten Radler natürlich sympathisch. Und es ist ja auch seine erste Legislaturperiode. 2018 zog der gebürtige Oberfranke mit Wohnsitz Erlangen ins Maximilianeum ein.

In der oberfränkischen Gemeinde Pommersfelden geboren, studierte er an der Uni Erlangen-Nürnberg Geografie. „Im Raum kommt alles zusammen, es ist ein sehr generalistisches Fach“, erläutert er seine Wahl. Die Geografie biete eine Mischung aus Naturkunde, Soziologie und Wirtschaftswissenschaft. Politisch aktiv wurde Zwanziger als Student, erst bei der Fachschaft und später als einer von drei Sprecher*innen der Studierendenvertretung in Bayern.

Nach dem Studium arbeitete er im Büro des Grünen-Bundestagsabgeordneten Uwe Kekeritz aus Fürth. „Da habe ich viel über Entwicklungshilfe gelernt“, erinnert sich Zwanziger. 2012 wurde er Parteimitglied. Seine Kandidatur für den Erlanger Stadtrat 2014 blieb erfolglos. „Aber ich mache sehr gern Wahlkampf, gehe gern von Haustür zu Haustür“, bekundet der junge Mann, der seinen Familienstatus mit „verlobt“ angibt. Im Bundestagswahlkampf 2017 fiel er den Parteioberen offenbar positiv auf, jedenfalls trug man ihm ein Jahr später die Kandidatur für den Landtag an.

Ihm war klar, dass der Einzug ins Parlament wohl nur über die Liste gelingen würde. Schließlich heißt der CSU-Direktkandidat im Wahlkreis Erlangen Joachim Herrmann, bayerischer Innenminister und christsozialer Bezirksvorsitzender von Mittelfranken. Doch dass der junge Zwanziger gegen dieses politische Schwergewicht im Kampf um den Wahlkreis 26 Prozent der Erststimmen holen konnte – Herrmann gewann mit 32 Prozent –, freute den Newcomer dann doch.

Im Landtag schickte ihn seine nach der Wahl 2018 deutlich gewachsene Fraktion in den Wirtschaftsausschuss. Dank ihrer Stimmenzuwächse konnten es sich nun auch die Grünen erlauben, Abgeordnete nicht immer in mehrere Ausschüsse zu entsenden. Der Geograf Zwanziger fand seine Funktion ziemlich passend. Sprecher für Landesentwicklung: Damit ist er zuständig für ein Thema, in dem er dank seines Studiums ziemlich sattelfest ist. Und redet denn auch mal ziemlich begeistert und atemlos über Vorranggebiete für Rohstoffsicherung oder die Lockerung des innerstädtischen Anbindegebots. Um sich dann plötzlich selbst zu unterbrechen – indem er fast schüchtern nachfragt, ob er einen jetzt auch nicht arg zutexte mit Fachbegriffen. 

Ein überzeugter Camper

Aus Sicht seiner erfahrenen Parteifreundin Barbara Fuchs, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, macht Zwanziger seine Sache gut. Obwohl er „zu den jüngeren Semestern im Landtag“ zähle, bringe er viel Erfahrung ein. „Christian Zwanziger zeichnet sich dadurch aus, dass er bei seiner Arbeit immer auch das Gesamtbild im Blick hat und themenübergreifend arbeitet“, lobt Fuchs. Außerdem sei er wahrscheinlich der Kollege „mit den meisten zurückgelegten Fahrradkilometern“, scherzt Fuchs. Bei den radlaffinen Grünen sicher keine leicht zu erringende Position. 

Nicht ganz so schmeichelhaft fällt die Einschätzung natürlich bei der CSU aus. Sandro Kirchner, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses, nennt Zwanziger außerhalb der politischen Diskussion einen „sehr umgänglichen Kollegen“, der auch im Ausschuss „sehr ruhig und um Sachlichkeit bemüht“ sei. Doch er sei auch ein Sturkopf, findet Kirchner, der nicht einen Millimeter von der Parteilinie abzuweichen bereit sei. „In der Debatte mit ihm ist es sehr schwer, ihn von einer anderen Meinung zu überzeugen – auch wenn sie noch so schlüssig ist“, bedauert CSU-Mann Kirchner. Nun ja, das Gleiche ließe sich über viele Abgeordnete sagen.

Die Landesentwicklung und die Regionalplanung liegen dem Grünen besonders am Herzen. „Das muss wieder gestärkt werden, da wurde in der Vergangenheit einfach zu viel reduziert. In diesem Bereich gibt es inzwischen kaum noch Verlässlichkeit.“ Bei der kommunalen Bauleitplanung etwa könne die einfache Gemeinderatsmehrheit zu viel auf den Weg bringen, was aufs ganze Land gesehen ökologisch eher fragwürdig sei, findet Zwanziger und verweist auf die Begrenzung des täglichen Flächenverbrauchs auf maximal fünf Hektar.

Zum Bereich Landesentwicklung gehört für ihn auch der Tourismus, der besonders in den traditionellen Wintersportgebieten des Freistaats vor einem einschneidenden Umbruch infolge des Klimawandels steht. Der Grüne, überzeugter Campingurlauber, kennt die Klagen aus den bayerischen Skiorten, dass man durch allzu strenge staatliche Vorgaben bei neuen Schneekanonen und Schleppliften den Anschluss an die Konkurrenz im benachbarten Österreich zu verlieren droht. Zwanziger überzeugt das natürlich nicht: „Seien wir mal ehrlich: Hinsichtlich Topografie und Klima kann Bayern das Rennen mit den in der Regel höher gelegenen österreichischen Wintersportorten ohnehin nicht gewinnen“, sagt er. Und fragt: „Also warum nicht gleich umsteuern auf eine umweltverträglichere und zukunftsfähige Alternative?“ Das klingt eigentlich gar nicht verbohrt. Sondern ziemlich pragmatisch. (André Paul)

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