Landtag

„Ein herausragendes Nachkriegsgebäude“: Die ehemalige Münchner Osram-Zentrale wurde trotz Denkmalschutz abgerissen. (Foto: dpa/Gambarini Mauricio)

13.09.2019

"Der Denkmalschutz hat keine Lobby"

Unbelehrbare Bürger, Bürgermeister, die Tipps zum Abbruch geben, und sehr viel Geld für die Kirche: Bei einer Podiumsdiskussion im Landtag fordern Fachleute Gesetzesreformen

Beim Denkmalschutz scheiden sich die Geister. Während die einen bei dem Wort sofort davonlaufen möchten, schütteln andere den Kopf über die Ignoranz mancher Bürger, was das kulturelle Erbe betrifft. „Staatliche Denkmalpflege ist wichtig und richtig“, betonte Sybille Krafft vom Denkmalnetz Bayern bei einer Podiumsdiskussion der Grünen dazu im Maximilianeum. Nur mit mehr Geld sei es aber nicht getan. „Es braucht auch in der Bevölkerung ein breiteres Verständnis für den Denkmalschutz mit allen seinen positiven wie negativen Seiten“, so Krafft.

Das Denkmalnetz versucht an Orten, wo der Widerstand besonders groß ist, Aufklärungsarbeit zu betreiben – mit Erfolg. So wurde zum Beispiel ein mittelalterliches Haus in Rothenburg rein spendenfinanziert gekauft und gemeinschaftlich renoviert. Zuletzt konnte das Badehaus in Wolfratshausen gerettet werden. Manche Kämpfe gingen aber auch verloren. Ein großes Problem beim Denkmalschutz sind laut Krafft Kommunalpolitiker.

„In der Kommunalpolitik finden Sie keine Denkmallobby“, bestätigte Oberbayerns Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler. Kein Bürgermeister handle sich Ärger ein wegen eines Denkmals. Manche gäben sogar Tipps, wie es trotz Schutzstatus abgerissen werden könne. Dabei würde man Bayern heute nicht mehr wiedererkennen, wenn es den Denkmalschutz nicht gäbe. Gleichzeitig äußerte Göttler Verständnis, wenn manches Denkmal für einen Privatbesitzer eine Last sei. Göttler forderte die Politik auf, diesen Menschen finanziell stärker unter die Arme zu greifen. Oder möglicherweise die Kirchen von der Förderung auszuschließen – dann wäre mehr Geld für die Bürger da. Die Hälfte der 40 Millionen Euro im Bezirk sei allein an die Diözese München und Freising mit ihren rund 10 000 Kapellen und Kirchen geflossen. Göttler schlug außerdem vor, nicht mehr genutzte Kirchengebäude für andere Zwecke zu verwenden. Nicht für Restaurants und Bars wie in den Benelux-Ländern, sondern für kulturelle Veranstaltungen. Selbst Kirchenvertreter beklagen laut Göttler, Bayern sei inzwischen zu „verchurched“.

Die Grünen wollen Denkmal-Besitzern mehr entgegenkommen

Mehr Geld forderte auch Generalkonservator Mathias Pfeil vom Landesamt für Denkmalpflege. Für jedes der rund 108 000 Denkmäler in Bayern stünden im Schnitt nur 320 Euro zur Verfügung – „das ist nicht viel“, klagte er. Verärgerte Denkmalbesitzer forderte er auf, nicht zu verzweifeln: „Bisher haben wir es noch immer geschafft, ein Denkmal so instand zu setzen, dass es modernen Ansprüchen genügt.“ Dazu wurde vor einem Jahr mit dem Bürgerportal Denkmalpflege eine Anlaufstelle im Landesamt geschaffen, wo zwei von Pfeils Kollegen allgemeine Fragen beantworten.

Wer konkret etwas ändern möchte, dem rät Pfeil, sich an den jeweiligen Gebietsreferenten zu wenden. Dieser kann im Rahmen der „kleinen Denkmalpflege“ auch Zuschüsse in Höhe von rund 25 000 Euro vergeben. Größere Maßnahmen bewilligt das Wissenschaftsministerium, zum Beispiel, wenn eine Rathaussanierung in die Millionen geht. Aufwendungen für Denkmalsanierung können Bürger steuerlich absetzen, so der Generalkonservator.

Meike Gerchow vom Denkmalnetz Bayern bezeichnete das Bürgerportal als ersten richtigen Schritt. Das Netzwerk bietet Hilfe für Menschen, die sich nicht gleich ans Landesamt, sondern erst mal an eine neutrale Stelle wenden wollen. Außerdem versuchen Gerchow und ihre Mitstreiter, Bürger und Initiativen mit ihren Problemen und Erfahrungen zu vernetzen. Künftig sollen Probleme auch an das Landesamt-Bürgerportal weitergeleitet werden. Gerchow zeigte sich überzeugt, dass viel Austausch und Beratung bei Denkmalbesitzern zu einem Umdenken führen kann. „Dann zeigen sie dem Gebietsreferenten voller Stolz ihr geerbtes Haus und beide Seiten sind zufrieden.“ Solaranlagen oder ähnliches auf Denkmälern lehnte sie konsequent ab: „Nur ein Prozent der Gebäude sind Baudenkmäler – warum müssen sie ausgerechnet dort drauf?“

Wie schwierig der Umgang mit Aufbauten ist, zeigte sich erst Anfang September, als die Osram-Leuchtreklame am Münchner Stachus abmontiert wurde. Ob die Werbebotschaft „Hell wie der lichte Tag“ aus den 1950er-Jahren inzwischen selbst ein Denkmal ist oder das eigentliche Denkmal stört, ist nach wie vor umstritten.

München hat ein großes baukulturelles Erbe, obwohl die Stadt im Krieg zu 80 Prozent zerstört wurde. Dadurch habe der Denkmalschutz einen weniger hohen Stellenwert als zum Beispiel in Regensburg, erklärte Münchens Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Natürlich sei der Denkmalschutz bei prachtvollen Gebäuden in der Landeshauptstadt unstrittig. Es gebe aber auch „unbeliebte Kandidaten“. Merk setzt sich zum Beispiel auch für die Nachkriegsmoderne ein, was häufig auf Unverständnis stößt. „Auch beim ehemaligen Osram Hauptsitz hat keiner verstanden, warum wir das Gebäude als Denkmal wichtig fanden“, erklärte die Stadtplanerin. Inzwischen gibt es zwar wieder mehr Planstellen für den Denkmalschutz. „Aber nicht in dem Maße, wie wir es bräuchten.“ Sie plädierte dafür, künftig Denkmalschutz und Städtebauförderung sinnvoll mit Klimaschutzprogrammen zu verknüpfen.

Die denkmalpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Sabine Weigand, die die Podiumsdiskussion initiiert hatte, versprach den Anwesenden, einen Gesetzentwurf zum Denkmalschutz vorzulegen. Zum einen plant sie eine Imagekampagne. Zu häufig höre sie: Wenn du ein Denkmal hast, kannst du dich gleich aufhängen. „Davon müssen wir weg“, unterstrich Weigand. Auch die Fördergelder will sie erhöhen. „Der Denkmalschutz ist als Rennpferd gestartet, dann zum Pony mutiert und jetzt bald eine Schnecke.“ Im aktuellen Haushalt seien die Fördermittel erneut gekürzt worden. Und die Kirche solle bitte ihre Gebäude von ihrem eigenen Geld sanieren. Auch will Weigand den Besitzern von Denkmälern mehr entgegenkommen, zum Beispiel bei der Photovoltaik. „Inzwischen gibt es Module, die aussehen wie Biberschwanzziegel – das fällt überhaupt nicht auf.“ Weigand sieht auch kein Problem darin, einen Balkon an einem denkmalgeschützten Haus anzubringen, solange dieser rückbaubar ist. Letzteres stieß nicht bei allen Podiumsgästen auf Wohlwollen. Bis zu einem Kompromiss ist es wohl noch ein weiter Weg. (David Lohmann)

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