Landtag

Jürgen Eberwein. (Foto: BSZ)

01.12.2023

Der Profi-Ermittler

Im Porträt: Der CSU-Abgeordnete Jürgen Eberwein

„Der Tatort ist Pflicht“, sagt Jürgen Eberwein mit einer Bestimmtheit, die keinen Zweifel zulässt. Nun sitzen jeden Sonntag um 20.15 Uhr Millionen Deutsche vor dem Fernseher und schauen Krimi. Aber der CSU-Abgeordnete Eberwein war vor seinem Wechsel in den Landtag 40 Jahre lang Polizist, die letzten 17 davon Kripo-Ermittler in Regensburg. Trotzdem schaut er den Fernsehkolleg*innen gern über die Schulter, auch wenn so manche Fallkonstruktion oder Ermittlungspraxis nur entfernt mit seiner Dienstrealität zu tun hat. „Im Fernsehen sieht man nie, wie viel Schreibarbeit man hat oder dass sich Vernehmungen über Tage hinziehen können“, erzählt Eberwein. Auch was Rechtsrahmen, Amtshilfe und Dienstgrade angehe, seien die Krimis nicht immer gut ausrecherchiert. Aber zur abendlichen Unterhaltung taugt es, zumindest meistens.

Eberweins Polizeikarriere begann mit 17 nach der Mittleren Reife am Gymnasium der Regensburger Domspatzen. Weil er gut singen konnte und die Noten gepasst hätten, sei er in Schule und Chor eingetreten. In dieser Zeit war Georg Ratzinger Domkapellmeister, in dessen Ära fielen – wie später bekannt wurde – zahlreiche Fälle von sexuellem Missbrauch und körperlichen Misshandlungen vor allem an Internatsschülern. Eberwein hat davon nach eigener Aussage nichts mitbekommen, er war auch nur „Halbzögling“, der am Nachmittag nach Hausaufgaben und Chorproben nach Hause ging. Er bestätigt aber, dass bei den Domspatzen damals ein „anderer Erziehungsstil“ geherrscht habe. Ein „bissl Züchtigung“ habe dazugehört. Er würde aber zumindest das, was er persönlich erlebt hat, auch rückblickend nicht als Misshandlung einstufen.

Ungeachtet dessen hat Eberwein nach sechs Schuljahren bei den Domspatzen hingeworfen. Täglich Chorproben, dazu dreimal die Woche Instrumentalunterricht und fast jeden Sonntag Dienst im Regensburger Dom – „als Jugendlicher war mir das irgendwann zu viel“. Den folgenden Schritt vom Knabenchor zur Polizei hatte Eberwein sozusagen in den Genen, denn Vater, Großvater und zwei Onkel waren schon bei den Ordnungshütern. Eberwein durchlief die klassische Polizeikarriere, bis er sich 2006 erfolgreich auf eine Stelle bei der Kripo Regensburg bewarb.

Zunächst arbeitete er im Kriminaldauerdienst, ermittelte bei Todesfällen, Einbrüchen und Sexualdelikten, später leitete er ein Kommissariat zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Am belastendsten seien in all den Jahren die Todesermittlungen gewesen, blickt Eberwein zurück. Rund 360 Leichen habe er „bearbeitet“, da sei „alles dabei gewesen, was man sich vorstellen kann“. Aber das gehöre halt zur Arbeit, meint Eberwein. Es sei ein gutes Gefühl, wenn ein Täter überführt und verhaftet werden konnte. „Ein Handwerker freut sich über sein Werk, ein Kriminaler über den Ermittlungserfolg“, bilanziert Eberwein. 

Sein spektakulärster Fall war 2012 der Mord an Maria Baumer, der damaligen Landesvorsitzenden der Katholischen Landjugendbewegung. Eberwein war Leiter der Ermittlungsgruppe, die Nachforschungen zogen sich über Jahre. Erst 2020 wurde Baumers Verlobter in einem Indizienprozess wegen Mordes verurteilt.

2011 trat er aus Frust über Parteizoff aus der CSU aus, drei Jahre später wieder ein

Davor war Eberwein für einige Monate ans Bundeskriminalamt abgeordnet, um die Ermittler bei der Aufklärung der NSU-Morde zu unterstützen. Es galt, die Unmenge an Beweismitteln auszuwerten. Zwei für die Verurteilung von Beate Zschäpe relevante seien durch seine Finger gegangen, berichtet Eberwein. Einer davon war ein Notizzettel mit einer „kryptischen Ziffernfolge“. „Der hat mich nicht losgelassen, bis ich das Rätsel gelöst hatte“, schildert Eberwein seinen kriminalistischen Eifer. Bis er herausgefunden hatte, dass das NSU-Trio Frequenzen zum Abhören des Polizeifunks aufgeschrieben hatte.

Obwohl Eberwein erst mit 57 Jahren in den Landtag eingezogen ist, war er politisch ein Frühstarter. Schon mit 15 trat er – dem Vater folgend – in die CSU ein, übernahm auf kommunaler Ebene Parteiämter und war zuletzt Fraktionsvorsitzender der CSU im Regensburger Stadtrat.

Dabei hätte es auch anders ausgehen können, denn 2011 trat Eberwein aus Frust über interne Querelen und „Grabenkämpfe unter der Gürtellinie“ in der Regensburger CSU aus der Partei aus. Mit anderen schloss er sich zu den „Bürgern für Regensburg“ zusammen, die bei der Kommunalwahl 2014 mit eigener Liste und OB-Kandidaten antreten wollten. Kurz vor der Kommunalwahl wurden die CSU-internen Streitigkeiten aber beigelegt. Eberwein kehrte den „Bürgern für Regensburg“ den Rücken und wurde wieder CSU-Mitglied.

Seine späte Landtagskandidatur hat er seinem zuletzt guten Kommunalwahlergebnis zu verdanken. „Ich hatte es eigentlich nicht auf dem Schirm, nach 40 Jahren Polizei noch einmal mit einer Karriere als Berufspolitiker durchzustarten“, erzählt er. Doch die Stadt-CSU habe ihm nach dem Parteiaustritt des bisherigen Abgeordneten Franz Rieger die besten Chancen gegen die in der Stadt starken Grünen eingeräumt. Im Landtag arbeitet Eberwein im Innen- und im Verkehrsausschuss mit.

In seiner raren Freizeit sportelt Eberwein gerne. Er führte einige Jahre den TSV Oberisling, einen Regensburger Breitensportverein, und baute dort unter anderem eine zertifizierte DSV-Skischule auf. Zudem hat er 35 Jahre lang Skikurse für Kinder und Erwachsene gegeben. Mit seiner Frau geht er viel auf Reisen, vorzugsweise ins südliche Afrika. Und wie steht es als ehemaliger Domspatz mit der Musik? Damit habe er nach dem Ausstieg bei den Domspatzen komplett aufgehört, berichtet Eberwein. Mit einer kurzen Ausnahme. In den 90ern wirkte er in der Gaudi-Band „Persicos“ mit, die die ZDF-Hitparade persiflierte und 70er-Jahre-Schlager intonierte. Mit einigem Erfolg. Für ein paar Jahre sorgte die Truppe unter anderem auf Skihütten in Österreich und Südtirol fast im Wochenrhythmus für Stimmung. Mit dem Abebben der Schlager-Revival-Welle fand diese Karriere aber ihr Ende. (Jürgen Umlauft)

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