Landtag

Gudrun Brendel-Fischer. (Foto: dpa/Nicolas Armer)

03.04.2020

Die Gemäßigte

Im Porträt: Gudrun Brendel-Fischer, CSU-Abgeordnete und Integrationsbeauftragte der Staatsregierung

Bayerischer Integrationsbeauftragter: Vermutlich denken gar nicht so wenige Leute in Bayern, das sei noch immer Martin Neumeyer. Der CSU-Politiker und heutige Landrat von Kelheim hat das Amt des Integrationsbeauftragten geprägt – und zwar nicht nur deshalb, weil er der erste auf dem Posten war. Von Anfang an hatte er sich den Luxus einer eigenen Meinung zum Thema Integration und Migration erlaubt, auch wenn die bisweilen konträr zur offiziellen CSU-Linie verlief. Er übernachtete in einer Asylbewerberunterkunft, stellte einen syrischen Praktikanten ein – und musste damit leben, dass ihm sein vehementes Streiten für bessere Integration in der CSU-Landtagsfraktion den fragwürdigen Spitznamen „Türken-Martin“ eingebracht hatte.

Wer starke Vorgänger hat, tut sich immer schwer. Diese Erfahrung musste auch Gudrun Brendel-Fischer (60) machen, als sie vor nunmehr eineinviertel Jahren den Posten der Integrationsbeauftragten übernahm – von Kerstin Schreyer, die nur ein Jahr amtierte und inzwischen bayerische Bauministerin ist. Ob der Vergleich mit Neumeyer schmerzt? „Heute gibt’s andere Herausforderungen“, sagt Brendel-Fischer nur. Und verweist auf die üppige Terminliste, die sie seit ihrer Amtsübernahme im November 2019 abgearbeitet hat.

Tatsächlich hat die frühere Seminarleiterin für Fachlehrer durchaus einiges auf den Weg gebracht, damit die Integration in Bayern besser klappt. Ein Projekt für Migranten-Mütter beispielsweise. Es soll den Frauen ermöglichen, hauswirtschaftliche Tätigkeiten in Kitas zu übernehmen, um die Erzieher/innen zu entlasten. Ihr neuestes Vorhaben, der „Integrationsrucksack“, wurde durch die Corona-Krise gebremst. Es will Kindern mit Migrationshintergrund den Zugang zum Lesen erleichtern. Dabei sollen an Familien- und Mütterzentren Rücksäcke mit Büchern und Lernspielen verteilt werden. Die offizielle Präsentation war für April geplant und ist jetzt erst mal verschoben.

So richtig harte Worte hat sie als Integrationsbeauftragte noch nicht gefunden

Was kann besser laufen im Umgang mit Geflüchteten? Ausländerbehörden, so Brendel-Fischer, müssten stärker darauf achten, Betroffene besser zu behandeln, „nicht geringschätzig“. Das, bedauert sie, „funktioniert nicht überall gut“.

So richtig harte Worte hat man von der Oberfränkin in ihrer Eigenschaft als Integrationsbeauftragte bislang nicht vernommen. Aus der Opposition kommt deshalb die ärgerliche Bemerkung, Brendel-Fischer habe „keinen Bezug zu ihrem Job“. Enttäuscht äußert sich auch der Bayerische Flüchtlingsrat, die größte Flüchtlingsorganisation im Freistaat. Bislang habe es kein Kennenlerntreffen mit der Integrationsbeauftragten gegeben, sagt Alexander Thal vom Flüchtlingsrat. Erst kürzlich habe Brendel-Fischer eine E-Mail mit dem Vorschlag, eine Dolmetscherhotline für Flüchtlinge zu Corona einzurichten, unbeantwortet gelassen. „Die Antwort kam dann direkt aus dem Innenministerium, wohin Frau Brendel-Fischer unsere Mail ohne Info an uns weitergeleitet hat“, bedauert Thal.

Er sagt auch: Mit dem Integrationsbeauftragten Neumeyer habe er „sehr eng zusammengearbeitet“. Brendel-Fischer selbst erklärt, sie habe den Sprecher des Flüchtlingsrates, Stephan Dünnwald, im vergangenen Jahr im Rahmen einer Tagung persönlich kennengelernt. Und sonst? „Ich treffe mich regelmäßig mit Helferkreisen“, betont sie.

In den Landtag zog die Mutter zweier erwachsener Töchter 2007 ein, als Nachrückerin von Henry Schramm, der damals Oberbürgermeister von Kulmbach wurde. 2008 gelang es ihr, das Direktmandat des Stimmkreises Bayreuth zu erobern, bei den Landtagswahlen 2008, 2013 und 2018 schaffte sie es erneut ins Maximilianeum.

Frauenquoten? Sind nicht ihr Ding

Zwei Jahre nach ihrem Einzug ins Parlament ergatterte sie ihren ersten herausgehobenen Posten in der Fraktion: Sie wurde 2009 zur Vorsitzenden der CSU-Arbeitsgruppe Frauen gewählt, eine Funktion, die sie vier Jahre lang ausübte. Sie zeigte in dieser Zeit, dass sie, wenn sie es für nötig hält, durchaus klare Worte finden kann. So etwa, als es beim Bayerischen Landessportbeirat, dem sie angehört, um die Postenvergabe ging. Die Männer wollten den Vorsitzendenjob unter sich auskarteln, Brendel-Fischer intervenierte nach Teilnehmerangaben heftig – mit dem Ergebnis, dass die SPD-Landtagsabgeordnete Diana Stachowitz zur Vorsitzenden avancierte.

Weniger kämpferisch agierte Brendel-Fischer beim Thema Frauenquote. Sie habe dazu „keine klare Meinung“, erklärt sie. Zwar stimmte sie den Quotenforderungen von Ex-CSU-Chef Horst Seehofer im Jahr 2010 und von Markus Söder beim Parteitag 2019 zu. Mehr aber auch nicht. Sie selbst, so Brendel-Fischer, habe sich nie benachteiligt gefühlt. Und: „In meinem Umfeld lief es dann gut, wenn sich Frauen getraut haben.“

Tatsächlich liegt der Frauenanteil in der CSU bei spektakulär niedrigen 21 Prozent. In der CSU-Landtagsfraktion wiederum sieht es sogar noch etwas schlechter aus. Viele CSU-Politikerinnen sind davon überzeugt, dass das keineswegs an fehlendem Mut liegt – sondern an männlichen Seilschaften. Etliche weibliche Christsoziale, darunter die amtierende Vorsitzende der Fraktionsarbeitsgruppe Frauen, Ute Eiling-Hütig, fordern Konsequenzen. Sie wollen, dass diejenigen Gremien, die über die Aufstellung von Direktkandidaten fürs Parlament entscheiden, quotiert werden: Delegiertenversammlungen. Brendel-Fischer sieht dies anders. So etwas, findet sie, sei „schwierig“.

Von 2013 bis 2018 fungierte Brendel-Fischer als stellvertretende Fraktionsvorsitzende, stieg anschließend zur Ehrenamtsbeauftragten der Staatsregierung auf. Ein Job, den sie nur ein Jahr innehatte – bis zu ihrem Wechsel als Integrationsbeauftragte. Zugeordnet ist der Posten dem bayerischen Innenministerium, das Brendel-Fischer dafür sieben Mitarbeiter/innen zuteilt, zwei davon in Teilzeit.

Wie Frauen in der CSU Karriere machen können? "Man darf sich nicht einschüchtern lassen"

Für ihre Fraktion sitzt Brendel-Fischer außerdem im Bildungsausschuss des Landtags. Stolz ist sie darauf, an einer Initiative mitgewirkt zu haben, welche die Alltagskompetenz von Schülerinnen und Schülern fördern will. Geschehen soll das im Rahmen von Projekttagen und -wochen, bei denen die Jugendlichen beispielsweise Zeit auf einem Bauernhof verbringen – um zu lernen, woher unsere Lebensmittel kommen.

Das Leben auf dem Bauernhof, die Nöte der Landwirte – Brendel-Fischer kennt das aus eigenem Erleben. Ihr Mann ist Landwirt, das Ehepaar lebt gemeinsam mit einer der Töchter sowie den Großeltern auf einem 30-Hektar-Hof, 30 Milchkühe werden dort gehalten. Sie selbst sah ihre Erfüllung nie in der Landwirtschaft, erzählt Gudrun Brendel-Fischer. Sie war früh politisch aktiv, wurde 1990 Gemeinderätin und kehrte nach der Geburt ihrer Töchter jeweils rasch in ihren Beruf als Fachlehrerin beziehungsweise Seminarleiterin zurück.

Als sie sich 2008 um das Direktmandat für den Landtag bemühte, setzte sie sich im Vorfeld gegen fünf Mitbewerber durch, allesamt männlich. Ihre Strategie damals? Brendel-Fischer sagt: „Man darf sich nicht einschüchtern lassen.“
(Waltraud Taschner)

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