Keine Frage, was es bei Gabi Schmidt am Karfreitag zu essen gab: Karpfen. „Ich liebe Karpfen“, erklärt die 52-jährige Mittelfränkin und lacht. Und weil die Freie Wählerin den Fisch nicht nur gerne isst, sondern genauso leidenschaftlich für die Teichwirtschaft kämpft, hatte sie 2013, als sie in den Landtag einzog, ihren Spitznamen gleich weg: Karpfen-Gabi. „Und ich bin stolz drauf.“ Schmidt lebt auf einem alten Bauernhof im Landkreis Neustadt an der Aisch, umgeben von Karpfenteichen. Früher hatte die Landwirtin selbst eine Teichwirtschaft. Heute lässt ihr die Politik keine Zeit mehr dafür. Seit Januar aber ist sie Vorsitzende des Fischerzeugerrings Mittelfranken – als erste Frau.
Schmidt sitzt in der Sonne auf der Treppe vor ihrem Haus – „mein traumhaftes Outdoor-Büro“, erklärt sie am Telefon. Auch Schmidt arbeitet während der Corona-Krise verstärkt im Homeoffice. „Ich muss aber vieles draußen machen“, sagt sie. „Weil im Haus so ein schlechter Handyempfang ist.“
Und das Handy klingelt oft. Schmidt, seit 2013 stellvertretende Bundesvorsitzende der Freien Wähler, ist seit dieser Legislatur nicht nur entwicklungspolitische Sprecherin, sondern auch Vizechefin ihrer Landtagsfraktion. Und sie sitzt im Europaausschuss. „Europa liegt mir unwahrscheinlich am Herzen“, betont sie. „Leider haben viele vergessen, wie wertvoll es für uns ist.“ Aber auch die Sozial- und Bildungspolitik, ihre einstigen Schwerpunktthemen im Landtag, hat die Fränkin noch im Blick. Auch in dieser Wahlperiode gehört sie wieder der Kinderkommission an, ein überparteiliches Landtags-Gremium, das sich für die Belange von Kindern und Jugendlichen einsetzt.
Wofür Schmidt seit Jahren kämpft: das Schulfach Alltagskompetenz, in dem gesunde Ernährung, Haushaltsführung oder der Umgang mit Handyverträgen vermittelt werden sollen. „Anfangs bin ich dafür belächelt worden“, ärgert sich Schmidt. Ein eigenes Schulfach, obwohl von der schwarz-orangen Koalition im Zuge des Artenschutz-Volksbegehrens angekündigt, wird es zwar nicht geben. Aber immerhin ab kommendem Schuljahr verpflichtende Projektwochen zur Alltagskompetenz. Schmidt ist das nicht genug. „Nicht zuletzt Corona zeigt doch, wie groß der Bedarf hier ist“, sagt sie. „Für viele hatte am Beginn der Krise die höchste Priorität das Toilettenpapier. Nicht ein Wochen-Kochplan oder ein Hygieneplan, mit dem man sicherstellen könnte, dass möglichst wenig Viren ins Haus kommen.“
Junge Oma: Schmidt hat bereits zwei Enkelkinder
Schmidt ist nicht nur Landwirtin, sondern auch gelernte Hauswirtschafterin. Und zertifizierte Kräuterpädagogin. So esoterisch das auch klingen mag, Zaubertränke braut sie nicht. „Es geht um Ernährung, nicht um Heilung“, betont sie. Darum, welche Kräuter wie verwendet werden können. Bis 2007 leitete Schmidt außerdem eine Freizeiteinrichtung für Behinderte auf dem eigenen Hof. Urlaub auf dem Bauernhof ausschließlich für Menschen mit Handicap – „das gab’s zuvor noch nicht und hat mich zur Sozialpolitik gebracht“, sagt Schmidt. „Weil ich gesehen habe, wo die Probleme liegen.“
Begegnet man Schmidt im Landtag, hört man sie oft schon, bevor man sie sieht. Ihr markantes Lachen fällt auf. Politische Themen geht Schmidt oft eher impulsiv an. „Sie ist der Inbegriff der politischen Emotionalität“, sagt ein Kollege, der sie gut kennt. „Eine Herz-Bauch-Politikerin“, bei der Themen auch mal sehr plötzlich aufpoppen könnten. „Gibt es etwas zu tun, Gabi macht es“, sagt ein anderer aus der Fraktion. „Und dabei geht ihr immer alles zu langsam.“
Ja, die Ungeduld – Schmidt selbst nennt sie ihre größte Schwäche, mit der sie mitunter die Fraktionskollegen schon mal nervt. Aber sie sei auch eine Stärke, glaubt sie. Denn nur mit Beharrlichkeit könne man etwas verändern. Das Schablonen-Denken nervt sie ohnehin. „Wenn sich eine Frau über etwas aufregt, ist sie hysterisch“, kritisiert sie. „Ein Mann aber ist couragiert.“
„Ich kann, weil ich will, was ich muss“ – dieses Zitat von Kant hat Schmidt zu ihrem Lebensmotto erhoben. Als sie es entdeckte, war sie Anfang 20 und schwer verliebt. Ausgerechnet in einen Landwirt. Eigentlich wollte sie nach Australien. „Ich hatte schon einen Vertrag für einen Job dort in der Tasche“, erzählt Schmidt, die eine Lehre im Einzelhandel absolviert hatte. Aber die Liebe war stärker – „und auf einmal hatte ich eine Großfamilie am Hals“, so Schmidt. „Das war nicht immer lustig.“
Gerade hat sie mit ihrem Mann den 30. Hochzeitstag gefeiert. Coronabedingt etwas kleiner. Aber gemeinsam mit den drei erwachsenen Töchtern und den beiden Enkelkindern. Denn sie alle leben samt Schwiegersohn mit Schmidt und ihrem Mann auf dem Hof.
„Kann ich das? Welcher Mann hat das jemals gefragt?“
Der Corona-Krise kann Schmidt auch Positives abgewinnen. Zum Beispiel, dass Berufe wie die der Krankenschwester oder des Metzgers endlich wieder mehr Wertschätzung erfahren. Das „berufliche Kastendenken“, die Auffassung, jeder müsse Abitur machen – auch dagegen kämpft Schmidt schon lange. Die Fahrten nach München vermisst Schmidt nicht. „Das mit mir und München verhält sich ambivalent“, gesteht sie. „Ich genieße die Vorzüge der Stadt, bin aber ein echtes Dorfkind.“ Zu oberflächlich sei ihr vieles in München, sagt sie. „Bei uns ist niemandem wichtig, was für ein Auto du fährst oder welche Schuhmarke du trägst.“
Schmidt ist seit 1992 bei den Freien Wählern. „Mein Mann war irgendwann unwahrscheinlich genervt, weil ich zu Hause immer wortreich das politische Geschehen kommentiert habe“, erzählt sie. „Statt immer nur ihn vollzuschwallen, solle ich mich doch lieber in der Gemeinde einbringen, schlug er vor.“ Das tat sie dann auch. 1999 wurde Schmidt Vorsitzende der Freien Wähler im Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim. 2008 kam mit der Zusammenlegung der Stimmkreise Fürth-Land hinzu. Im selben Jahr wurde Schmidt Bezirksrätin im Bezirkstag Mittelfranken. Als man sie fragte, ob sie 2013 für den Landtag kandidieren wolle, kam das zwar sehr überraschend, gesteht die Fränkin. „Kann ich das?“ – Mit dieser Frage hielt sich Schmidt aber nicht auf. Wozu auch: „Haben Sie die jemals von einem Mann gehört?“
Und dann gibt es da noch eine Leidenschaft, die sogar die Politik in den Hintergrund drängen kann. „Ich brauche die Musik“, sagt Schmidt, die früher Horn in einer Blaskapelle gespielt hat. Einmal hatte sie AC/DC-Karten, als ein wichtiger Termin in der Fraktion anstand. Ein Kollege kritisierte Schmidt sehr dafür, dass sie sich für das Konzert entschied. „Aber man muss doch Prioritäten setzen“, sagt Schmidt und lacht. „Die Kollegen sehe ich jede Woche, AC/DC aber kommt nur alle paar Jahre.“
(Angelika Kahl)
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