Landtag

Verena Osgyan (48) will OB von Nürnberg werden.

28.06.2019

Die Unterschätzte

Im Porträt: Verena Osgyan, stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion

Zurückhaltend. Das ist so ziemlich das erste, was einem in den Sinn kommt, wenn es darum geht, Verena Osgyan zu beschreiben. Die Vizefraktionschefin der Landtagsgrünen zählt nicht zu der Spezies Politiker/innen, die mit riesengroßem Ego durch die Welt laufen und ständig mit Ich-Ich-Ich-Botschaften nerven. Das ist sympathisch, einerseits. Andererseits führt es dazu, dass sie so im lauten Polit-Betrieb leicht unterschätzt wird. Als ihre beste Eigenschaft nennt die 48-jährige Kommunikationsdesignerin, „dass ich gut zuhören kann“. Und dass sie über Stehvermögen verfügt.

Beides wird sie gut gebrauchen können in den kommenden Monaten: Osgyan will Oberbürgermeisterin von Nürnberg werden. Anfang Juni wurde bekannt, dass sich ein Findungsteam der Grünen auf Osgyans Kandidatur verständigt hat. In Bayerns zweitgrößter Stadt steht bei der Kommunalwahl im März 2020 ein spannender Dreikampf zwischen SPD, CSU und Grünen an, nachdem Nürnbergs populärer OB Ulrich Maly erklärt hatte, nicht mehr anzutreten.

Dem Landtag gehört Osgyan seit 2013 an. Groß aufgefallen ist sie dort bisher nicht. Auch meinungsfreudige Landtagskollegen halten sich mit Urteilen über die Grüne zurück. Im Hochschulausschuss, dem Osgyan in dieser Wahlperiode angehört, agiert sie eher zurückhaltend, registrieren Beobachter; sie gilt als sachkundig und solide. Zuletzt beklagte sie den Sanierungsstau an Bayerns Hochschulen, forderte mehr Geld für diesen Bereich und kritisierte die vielen befristeten Beschäftigungsverhältnisse an den Unis. Alles sehr ausgewogen und sachlich. Krawallige Wortmeldungen hat man im Landtag noch nicht von ihr gehört. „Ich bin ein eher nüchterner Mensch“, sagt sie über sich. Tatsächlich ist Osgyan von ihrem Auftreten her das genaue Gegenteil zur quirligen Fraktionschefin Katharina Schulze, die nie um einen frechen Spruch verlegen ist und dabei gelegentlich auch mal übers Ziel hinausschießt.

Ob die zurückhaltende Osgyan die richtige Wahl ist als OB-Kandidatin?

Osgyan fühlt sich im Landtag überaus wohl. Als Parteifreunde die OB-Kandidatur an sie herantrugen, habe sie erst mal reserviert reagiert. „Ich hab nicht sofort ja gesagt“, betont die Grüne. Doch dann überwog die Perspektive, als mögliche Oberbürgermeisterin gestalten zu können – „das ist einfach total reizvoll“, sagt Osgyan, die schon Pläne hat, was sie umkrempeln würde in Nürnberg: Ökologischer soll die Stadt werden, mit mehr Bäumen und Grünzonen, fahrradfreundlicher, kulturell vielfältiger und sozialer.

Ob die zurückhaltende Osgyan als OB-Kandidatin die richtige Wahl ist? Nicht alle in ihrer Partei sind davon überzeugt. Osgyan sei zu wenig offensiv, zu wenig entscheidungsfreudig und – was besonders schlimm sei – nicht bereit, auch für den Nürnberger Stadtrat zu kandidieren. „Ein politischer Fehler“, urteilt ein erfahrener Grüner. Osgyan selbst hält es für schwierig, ein Landtags- und ein Stadtratsmandat auszuüben: „Man kann beides zeitlich nicht unter einen Hut bringen“, glaubt sie.

Zu den Grünen kam Osgyan in den 1980er-Jahren. Sie wurde sozialisiert mit den Themen Tschernobyl, Waldsterben und Kalter Krieg. Die Grünen, entsinnt sie sich, „waren die einzige Partei, die mich angesprochen hat“. Lange Zeit war sie einfaches Parteimitglied. Im Jahr 2014 stieg sie zur Nürnberger Kreisvorsitzenden der Grünen auf, hatte so auch mit der Kommunalpolitik zu tun, ohne allerdings selbst ein kommunales Mandat innezuhaben. Im Jahr 2013 hörte die langjährige Nürnberger Landtagsabgeordnete Christine Stahl auf, Osgyan kandidierte und wurde gewählt.

Aufgewachsen ist sie in einem kleinen mittelfränkischen Ort; als sie 21 war, zog es sie nach Nürnberg. Osgyan studierte Kommunikationsdesign, arbeitete erst als Projektmanagerin in einer Werbeagentur, dann bei einer Bank und beim Bayerischen Rundfunk, jeweils im Online-Marketing.

Vergangenes Jahr wurde sie Mama eines kleinen Buben, um den sich hauptsächlich ihr Mann und eine Tagesmutter kümmern. „Ich kann eigentlich ein Männerleben führen“, sagt Osgyan lächelnd – und betont, wie stolz sie auf ihren Mann sei, der als Freiberufler seine Karriere zurückstellt, um für die Familie da zu sein.

Sie ist bekennender Startrek-Fan – wie Söder

Neben der Hochschulpolitik ist ihr das Thema Gleichstellung ein Anliegen – in der vergangenen Wahlperiode war sie für Frauenpolitik zuständig, hält sich zugute, die Debatte über Parité in den Parlamenten mitinitiiert zu haben – also die Forderung, dass auf den Wahllisten genauso viele Frauen kandidieren wie Männer. In der Frauenpolitik, ärgert sich Osgyan, „fehlt noch immer der große Aufschlag“.

Darüber hinaus beschäftigt sie die Klimapolitik. Zwar freut sie sich über den Erfolg des Bienen-Volksbegehrens, das auch von den Grünen unterstützt worden war. Osgyan ärgert sich aber darüber, dass Bayern bei der Umweltpolitik noch immer zu zögerlich sei. Die unter anderem von der SPD vorgetragenen Einwände, dass die Ökowende auch sozialverträglich sein müsse und sich nicht jeder Bürger teure Bioprodukte leisten kann, lässt sie nicht gelten. Die Politik müsse dafür die Rahmenbedingungen schaffen, verlangt sie. Etwa über eine Bioquote von 30 Prozent für öffentliche Kantinen. Der Staat solle die Mehrkosten subventionieren. „Man kann nicht immer alles beim Verbraucher abladen“, sagt Osgyan. Offen lässt sie, wie private Kantinen zu mehr Biokost gedrängt werden können – und wie man die Kunden dafür gewinnt. Bei Nachfragen und bei gefühlter Kritik an grünen Plänen kann sie schnell mal genervt wirken. Man stellt sich die Grüne dann unweigerlich als mögliche OB in einer Koalitions-Stadtregierung vor und fragt sich, wie gut sie wohl Kompromisse schließen kann.

Dass es auf Landesebene kein schwarz-grünes Bündnis gab, bedauert Osgyan, wenngleich sie betont, dass sie jede Menge trennt von der CSU-Politik – und von deren Personal. Markus Söder zum Beispiel. Der sei rhetorisch brilliant, politisch geschickt, verkörpere aber einen „althergebrachten Politikertypus, der von meinem Politikverständnis sehr weit entfernt ist“, formuliert Osgyan. Immerhin: Eine Gemeinsamkeit gibt es, allerdings nur im Privaten. Beide, Osgyan und Söder, sind bekennende Star Trek-Fans. (Waltraud Taschner)

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