Landtag

Stephanie Schuhknecht. (Foto: Alexander Mayer)

22.10.2021

Die Verbindliche

Im Porträt: Stephanie Schuhknecht (Grüne), Vorsitzende des Petitionsausschusses

Stephanie Schuhknecht ist eine, die so schnell nichts umhaut. Am 6. Juli 2021 berichtet sie vor dem Plenum über die Behandlung der Petitionen in der ersten Hälfte der laufenden Legislaturperiode. Die 38-jährige Grünen-Abgeordnete aus Augsburg ist Vorsitzende des Petitionsausschusses. Nach ihrem ebenso routinierten wie engagierten Rechenschaftsbericht tritt ihr Stellvertreter ans Rednerpult. Harald Schwartz (52, CSU) lässt kaum ein gutes Haar an seiner Vorsitzenden. Der promovierte Jurist bescheinigt ihr, das bayerische Petitionsrecht nicht verstanden zu haben, lässt aber gnädig durchblicken, dass das vielleicht daran liegen könnte, dass Schuhknecht ja noch so jung sei.

Der Redebeitrag von Schwartz ist eine kühl kalkulierte Provokation. Doch Schuhknecht reagiert souverän lächelnd, sie bedankt sich bei ihrem Stellvertreter für die ausgezeichnete Zusammenarbeit im Ausschuss: „Herzlichen Dank an Sie, Herr Dr. Schwartz!“ Und fügt hinzu: „Immer, wenn wir uns hier“ – gemeint ist: im Plenum – „sehen, sind wir natürlich auf der Bühne.“ Sprich: Der ist sonst nicht so, im Ausschuss ist der ganz nett!

Wo lernt man so was? Vielleicht in Bolivien? In dem sehr armen südamerikanischen Land hat Schuhknecht ein Praktikum absolviert. Ein Jahr studierte sie in Argentinien, ansonsten zuerst ganz bodenständig in Augsburg und dann in Passau. Die Diplom-Kulturwirtin arbeitete anschließend als Referentin für die Katholische Universität Eichstätt und als wissenschaftliche Mitarbeiterin am dortigen Lehrstuhl für Wirtschafts- und Unternehmensethik.

Wenn Stephanie Schuhknecht nicht Vorsitzende des Ausschusses für Eingaben und Beschwerden geworden wäre, wäre sie gern in den Wirtschaftsausschuss gegangen. Dafür ist sie jetzt Sprecherin der Grünen-Fraktion für Start-ups und Gründer*innen. Der Freistaat gebe viel Geld für Wirtschaftsförderung aus, aber nicht immer an der richtigen Stelle, meint sie. Der soziale Mehrwert werde bislang meist gar nicht veranschlagt, die tatsächlich gesellschaftlich wertvolle Arbeit schlicht unterschlagen. In ihrem Podcast Grün gründen diskutiert sie über solche Themen, denn „in unserem Wirtschaftssystem“ sieht sie „die Ursache für die Zerstörung, aber auch die Lösungen, damit wir unseren Planeten noch retten können“.

Der Beginn von Stephanie Schuhknechts politischer Tätigkeit fand gleich auf Regierungsseite statt. 2014 wurde sie in den Augsburger Stadtrat gewählt und dort zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. CSU-OB Kurt Gribl regierte mit einer schwarz-rot-grünen Mehrheit, einer der ersten kommunalen Kenia-Koalitionen. Auf kommunaler Ebene sieht sie eine Zusammenarbeit mit der CSU als unproblematisch an. Zu den Ampel-Verhandlungen in Berlin meint Schuhknecht: „Die FDP ist nicht unser natürlicher Partner. Aber es ist wohl vernünftig, das Beste draus zu machen.“

Von 2013 bis 2018 war Schuhknecht Mitarbeiterin der damaligen Augsburger Grünen-Landtagsabgeordneten Christine Kamm. Durch ihre gleichzeitige Stadtratstätigkeit ist sie in Augsburg stark verwurzelt. Es ist ihr auch wichtig, „für Augsburg was rumzubringen“. Da geht es zum Beispiel um Themen wie Textilrecycling oder auch darum, den Standort der Augsburger Airbus-Tochter zu erhalten.

Bei Problemen vermitteln – das liegt Schuhknecht

Von sich selbst sagt die verheiratete Mutter eines Erstklässlers, „dass ich vom Typ her jemand bin, der vermitteln kann, der empathisch ist, der durch die Moderation einen Weg findet, wie man eine Lösung finden kann“. Diese Eigenschaft ist von ihr auch auf der nichtpolitischen Ebene gefragt, etwa wenn es im Elternbeirat um die neuesten Hygieneregeln geht, die bei Schülereltern auf Skepsis und Misstrauen stoßen.

Auch in ihrem derzeitigen Hauptjob, dem Vorsitz im Petitionsausschuss, ist die Pandemie ein Dauerthema. Fast ein Sechstel der 6025 Eingaben in der ersten Hälfte der Wahlperiode drehte sich um die Infektionsschutzmaßnahmen und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten. Insgesamt aber ist der Petitionsausschuss natürlich „ein Gemischtwarenladen“, sagt die Vorsitzende: Da geht es um die Zumutbarkeit des Führerscheinentzugs bei einem Lkw-Fahrer, um die Baugenehmigung einer Eselfarm, um Beschwerden von Strafgefangenen, um Schulwegkostenerstattung.

Auch ein Dauerthema: Arbeits- beziehungsweise Aufenthaltsgenehmigung für Geflüchtete. Die entsprechenden Gesetze sind Bundesgesetze, die Länder sind nur für die Durchführung zuständig. Doch dabei gibt es einen Ermessensspielraum – der von Bayern, zuständig ist das Innenministerium, grundsätzlich nicht zugunsten der Flüchtlinge genutzt wird. Schuhknecht erklärte bei ihrer Berichterstattung am 6. Juli 2021 vor dem Landtag: „Nicht selten sind es gestandene bayerische Unternehmer*innen, die als Petent*innen für ihre ausländischen Arbeitnehmer*innen auftreten, und sie können und wollen nicht verstehen, warum verlässliche und gut integrierte Arbeitende einmal um die Welt geschickt werden, um sich einen Stempel zu holen ...“

Wie gut funktioniert das bayerische Petitionsrecht? Stephanie Schuhknecht gibt sich da keinen Illusionen hin und zitiert vor dem Landtag den Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter, der das Petitionswesen, wenn auch scherzhaft, mit den drei „F“ definierte: „formlos, fristlos, fruchtlos“. Tatsächlich werden über zwei Drittel aller Eingaben abgelehnt. Schuhknechts Stellvertreter im Ausschuss, Harald Schwartz, sieht darin freilich nur einen Beweis dafür, dass die Welt in Bayern schwer in Ordnung ist. Wenn die Petitionen der Bürger*innen größtenteils abgelehnt werden, heiße das doch nur, so Schwartz im Landtag, „dass Bayern insgesamt in allen Bereichen so gut funktioniert, dass es schlicht keinen Anlass, keinen Grund gibt, einzuschreiten“.

Das sieht die Ausschussvorsitzende Stephanie Schuhknecht dann doch anders: „Ich glaube, das ist nicht allein darauf zurückzuführen, dass die Bürger*innen hier in Bayern keine Beschwerdepunkte mehr finden, weil alles so perfekt ist und alle so gut arbeiten, sondern ich glaube, es ist noch einiges zu tun, was Attraktivität, Bürgerfreundlichkeit und Verbindlichkeit von Verfahren betrifft. An dieser Stelle wollen wir weiterarbeiten.“ (Florian Sendtner)

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