Landtag

Eine Fehde zwischen Mafia-Clans kostete 2007 in Duisburg sechs Menschen das Leben – Mitglieder der Clans leben auch in Bayern. (Foto: dpa)

22.06.2018

Drogenhandel, Geldwäsche, Steuerkarusselle

Die italienische Mafia breitet sich in Bayern aus – besonders aktiv sind Ndrangheta und Camorra

Bayern gehört zu den drei Bundesländern mit der deutschlandweit höchsten Mafiosidichte. Fast ein Drittel der bundesweit 562 bekannten Mafiosi leben in Bayern. Laut Bundeskriminalamt haben viele dieser Clans auch ihre wichtigsten Stützpunkte im Freistaat – vor allem in München und Nürnberg, aber auch in kleineren Orten. Beispielsweise nutzte die italienische Mafia eine Pizzeria in Sonthofen im Allgäu, um ihren europaweiten Kokainhandel abzuwickeln.

„Die Organisierte Kriminalität stellt nicht nur eine Bedrohung für unsere Gesellschaft dar und unterminiert staatliche Strukturen“, schreibt Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze in ihrer Anfrage. „Sondern sie richtet auch in einem großen Maß wirtschaftliche Schäden an.“ Sie wollte daher von der Staatsregierung wissen, welche Bedeutung Mafiakriminalität wie Drogen- und Waffenhandel, Geldfälschung und -wäsche im Freistaat haben.

Das Innenministerium antwortet, es erachte das Schadens- und Bedrohungspotenzial der Organisierten Kriminalität (OK) dauerhaft als hoch. Das zeige zum Beispiel die 2016 im Vergleich zum Vorjahr von 61 auf 171 Millionen Euro deutlich gestiegene Schadenssumme. Darunter befänden sich allerdings auch viele Einzelverfahren mit hohen Beträgen. Dabei gehe es vor allem um Rauschgift-, Eigentums- und Fälschungskriminalität sowie Geldwäsche und Steuerkarusselle.

„Die Tätergruppierungen passen sich neuen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen und technologischen Gegebenheiten rasch an“, warnt das Ministerium. Ziel sei es, ihre Gewinne zu maximieren und dabei nicht aufzufliegen. Dabei machten sie auch vor nationalen Grenzen nicht Halt und arbeiteten zum Teil sogar mit russisch-eurasischen und rockerähnlichen Gruppierungen zusammen.

136 Mafiosi leben dauerhaft in Bayern

Das Ressort von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) schätzt, dass aktuell 136 Personen mit dauerhaftem Aufenthalt in Bayern als mutmaßliche Mitglieder der italienischen Organisierten Kriminalität (IOK) zuzurechnen sind. Am mächtigsten seien ’Ndrangheta und Camorra (siehe Infokasten). „Mitglieder von IOK-Gruppierung nutzen Bayern nicht nur als Ruhe- und Rückzugsraum, sondern auch zur Begehung von Straftaten und mutmaßlich zur Investition inkriminierter Gelder“, warnt das Ministerium.

Die Bekämpfung der IOK ist nach Angaben der Staatsregierung seit Jahren ein bayernweiter Schwerpunkt. Seit 1994 ist dafür neben der Polizei auch der bayerische Verfassungsschutz zuständig. Das Ministerium weist aber darauf hin, dass von den pro Jahr begangenen 600 000 Straftaten lediglich 80 der OK zuzuordnen sind – wie viele davon der IOK, kann das Herrmann-Ressort nicht sagen.

Gemeinsame Ermittlungen von italienischen und deutschen Strafverfolgungsbehörden gibt es laut Staatsregierung nur anlassbezogen. Seit 2016 ist der Einsatz von „Joint Investigation Teams“ möglich, was aber bisher von Bayern noch nicht genutzt wurde. Es hat aber bereits sogenannte Spiegelverfahren gegeben, bei denen in beiden Ländern parallel ermittelt wurde. Außerdem wurden umfangreiche Ermittlungen im Rahmen der Rechtshilfe durchgeführt. Und es ist bereits zu einem Erkenntnisaustausch unter Einbindung der EU-Strafverfolgungsbehörde Europol gekommen.

Grünen-Chefin Schulze reicht das nicht. „Die Staatsregierung muss das Problem der italienischen Mafia ernst nehmen und gezielt gegen diese vorgehen“, fordert sie. Neben dem Informationsaustausch sei ein besseres Analyse- und Berichtswesen nötig, um die IOK und die örtliche OK besser zu bekämpfen. Schulze irritiert die geringe Zahl an Ermittlungsverfahren bei Mafiafällen. Sie verlangt daher bei den Kripo-Fachdienststellen mehr Ermittler für diesen Bereich. „Nur so bekommen wir das Mafiaproblem in den Griff.“ (David Lohmann)

INFO: Mafiavereinigungen in Bayern
Ndrangheta: Unterhält seit den 70er-Jahren Stützpunkte in Bayern mit Regeln und Ritualen wie in Italien. Rund 80 Mitglieder, acht mehr als noch vor zwei Jahren. Besonders aktiv in München, Augsburg, Nürnberg und Oberbayern – insbesondere in der Gastronomie. Spezialisiert auf Drogenhandel, Eigentumskriminalität, Geldwäsche und Steuerkarusselle. Ein Ermittlungsverfahren in den letzten zehn Jahren. Beschlagnahmtes Vermögen seit 2008: 320 000 Euro.

Camorra: Seit den 70er-Jahren fest in Bayern verwurzelt. Rund 30 Mitglieder in sechs Gruppierungen. Besonders aktiv in Nürnberg und im Allgäu. Spezialisiert auf Drogenhandel, Geldfälschung, Eigentumskriminalität und Plagiatverkauf. Zwei Ermittlungsverfahren in den letzten zehn Jahren. Beschlagnahmtes Vermögen seit 2008: 38 800 Euro.

Cosa Nostra: Im Vergleich zu den ersten beiden Gruppierungen in Bayern eher klein. Konstant rund 20 Mitglieder. Besonders aktiv in Schaben, Mittelfranken und München – insbesondere in der Gastronomie. Spezialisiert auf Drogenhandel und Verkauf von gestohlenen Waren. Keine Ermittlungsverfahren in den letzten zehn Jahren. Beschlagnahmtes Vermögen seit 2008: keines.

Apulische Mafia: Eher klein. Konstant rund sechs Mitglieder. Kein örtlicher Schwerpunkt, keine spezifischen Deliktsbereiche. Bayern dient lediglich als Rückzugsraum. Ein Ermittlungsverfahren in den letzten zehn Jahren. Beschlagnahmtes Vermögen seit 2008: keines. (loh)

Kommentare (2)

  1. Zitrone am 26.06.2018
    Mich wundert's nicht. Aber wir brauchen die Italiener gar nicht, Zwick, Schreiber, Schüttel Schorsch, usw.
    Erinnert sich noch jemand bei der Wahl daran?
  2. Zitrone am 25.06.2018
    Das wundert mich nicht. Ich nenne nur Zwick, Schreiber, Fahrenschon. Schüttel Schorsch.
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