Landtag

Ob die hohen Importzahlen auf die niedrigen Lohn- und Arbeitsbedingungen bei uns zurückzuführen sind, kann eine Sprecherin von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) nicht sagen. (Foto: dpa)

09.06.2017

Dumpinglöhne befördern Schlachttourismus

Jährlich werden weit mehr als neun Millionen Schlachtschweine zwischen den EU-Mitgliedstaaten gehandelt – über die Hälfte davon kommt nach Deutschland

Die Agrarindustrie funktioniert wie andere Wirtschaftszweige: Arbeitsschritte werden aufgesplittet und dorthin verlagert, wo sich am meisten Gewinn erzielen lässt. Insofern ist es beunruhigend, dass es mittlerweile einen regelrechten Schlachttourismus nach Deutschland gibt. Nikolaus Kraus (Freie Wähler) wollte in einer Anfrage wissen, woran das liegt. Nachdem die Staatsregierung aufgrund „fehlender Informationen“ keine Auskunft geben konnte, ist die Staatszeitung der Sache nachgegangen.

Laut Bundeslandwirtschaftsministerium werden jährlich allein weit mehr als neun Millionen Schlachtschweine zwischen den EU-Mitgliedstaaten gehandelt – über die Hälfte davon kommt nach Deutschland. Ob die hohen Importzahlen auf die niedrigen Lohn- und Arbeitsbedingungen bei uns zurückzuführen sind, kann eine Sprecherin von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) mangels „belastbarer Erkenntnisse“ nicht sagen. Lohn- und Arbeitsbedingungen seien nur ein Aspekt von vielen.

Zwar wurde 2014 für die Fleischwirtschaft ein Mindestlohn von 8,75 Euro pro Stunde eingeführt. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) bezeichnet das Gehalt trotzdem als „Dumpinglohn“, weil die Menschen im Alter dennoch auf eine staatliche Zuschussrente angewiesen seien. „Leider kommt der Mindestlohn auch häufig gar nicht bei den Beschäftigten an, und die gesetzlichen Bestimmungen werden regelmäßig umgangen“, klagt NGG-Fleischwirtschaftsexperte Thomas Bernhard und nennt Werkverträge und Subunternehmer als Gründe.

Die Gewerkschaft nennt den Mindestlohn einen "Dumpinglohn"

In Bayern werden vor allem Rinder und Kälber geschlachtet. 25,7 Prozent der deutschlandweit 3,6 Millionen Tiere kamen im Freistaat aufs Schafott. Der Anteil der ausländischen Rinder lag mit 2,6 Prozent nur leicht über dem Bundesdurchschnitt. EU-Tiere zum Schlachten nach Bayern zu karren, scheint sich nicht so sehr zu rentieren. „In Bayern sind die Schlachthöfe kleiner und der Mindestlohn kann dadurch nicht so leicht umgangen werden“, glaubt Bernhard. Von den 4,9 Millionen Schweinen stammten laut Bundesregierung 2016 sogar nur 202 aus dem Ausland.

Insgesamt wurden laut Tierschutzverein Animal Angels 2012 rund 2,4 Milliarden Tiere innerhalb der Europäischen Union transportiert. Eine Begrenzung der absoluten Transportdauer gibt es auf EU-Ebene bisher nicht. Die Staatsregierung verweist zwar darauf, dass 2008 innerdeutsche Schlachttiertransporte auf acht Stunden begrenzt wurden. Gleichzeitig wurden allerdings Bußgelder, beispielsweise wenn Tiere mit offenen Wunden oder Knochenbrüchen transportiert werden, abgeschafft. Bundeslandwirtschaftsminister war damals Horst Seehofer (CSU).

„Es darf nicht sein, dass der Transport von geschlachteten Tieren teurer ist, als lebendige Tiere weit über die Ländergrenzen zu transportieren“, kritisiert FW-Mann Kraus. Deutschland als Transitland Nummer Eins habe eine Vorreiterrolle beim Tierschutz bei Tiertransporten. Und auch die Grünen im Landtag befürchten, dass der Mindestlohn im Freistaat zunehmend umgangen wird. „Das treibt die Schlachtpreise nach unten und befördert so auch Schlachtviehtransporte nach Bayern“, klagt Rosi Steinberger (Grüne). Um die Schlachtung nicht der Agarindustrie zu überlassen und die kleinstrukturierte Landwirtschaft zu erhalten, fordert Steinberger, bundesweit die mobile Schlachtung zu fördern. Dabei kommt die Schlachtbox auf vier Rädern direkt auf den Hof des jeweiligen Landwirts. Das kommt selbst bei Tierschützern gut an. Dem Oberallgäuer Biobauern Herbert Siegel ist die Schlachtung zwar jedes Mal ein Graus. Aber: „Auch bei Bio werden die Tiere nicht zu Tode gestreichelt“, sagt er. Durch seinen Schlachtanhänger würden die Tiere wenigstens bis zur letzten Sekunde würdevoll behandelt. (David Lohmann)

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