Landtag

28.07.2023

Eine ereignisreiche Zeit geht zu Ende

52 der insgesamt 205 Abgeordneten treten bei der Landtagswahl nicht mehr an – wie beurteilen sie ihre Jahre im Parlament, und was kommt danach?

Unter den Abgeordneten, die nicht wieder kandidieren, gehören 19 der CSU an, je neun der SPD und den Freien Wählern, fünf den Grünen und zwei der AfD. Außerdem scheiden die acht fraktionslosen Volksvertreter aus. Bei der FDP treten dagegen wieder alle an. Ein Blick auf neun Polit-Pensionär*innen in spe.

Im Kreis derjenigen, die bei der Landtagswahl am 8. Oktober nicht mehr kandieren, zählt Natascha Kohnen mit 55 Jahren zu den jüngsten. Die frühere SPD-Landeschefin und Spitzenkandidatin hat nach reiflicher Überlegung schon vor zwei Jahren entschieden, nicht wieder anzutreten. „Ich habe nicht mehr die Energie, der Tank ist nach 15 Jahren nicht mehr voll“, sagt sie zur Begründung. „Mir geht’s gut damit, Politiker sollten auch gehen können.“ Trotzdem bleibt etwas Wehmut. „Ich wäre gerne noch Bauministerin geworden“, bekennt Kohnen. Und sie wünscht sich mehr Sachlichkeit und weniger Populismus in der Politik. In diesem Sinn will sich die Biologin ab Herbst außerparlamentarisch einbringen. „Ich balanciere da mehrere Ideen.“ Zuvor aber fährt Kohnen sechs Wochen in den Urlaub. Mit dem Zug, wie sie betont.

Mit jeweils 60 Jahren sind auch die Augsburger Abgeordneten Harald Güller (SPD) und Markus Bayerbach (fraktionslos) noch nicht im Rentenalter. Eigentlich. Dennoch haben die beiden keine beruflichen Pläne mehr. SPD-Mann Güller blickt dabei auf insgesamt 29 Jahre im Landtag zurück, 24 davon war er Abgeordneter, fünf Jahre fungierte er als Fraktionsgeschäftsführer. Mit 60 aufzuhören, sagt Güller, „war seit Längerem mein Vorsatz“. Im Landtag hat er Höhen und Tiefen erlebt.

SPD-Mann Güller hat jetzt endlich Zeit fürs Motorrad

Der Jurist fungierte als Vorsitzender und als Vize in Untersuchungsausschüssen, organisierte als Parlamentarischer Geschäftsführer Plenar- und Ausschusssitzungen, war stellvertretender Vorsitzender im Finanzausschuss. Als im Zuge der Verwandtenaffäre herauskam, dass er im Jahr 2009 seinen Stiefsohn zwei Monate in seinem Landtagsbüro beschäftigt hatte, warf ihn das aus der Bahn. Die Fraktionsführung zeigte wenig Solidarität für den profilierten Kollegen, der als Parlamentarischer Geschäftsführer zurücktrat. Jetzt freut er sich darauf, mehr Zeit zu haben für ausgedehnte Touren mit seiner schwarzen BMW 1200 RS.


Markus Bayerbach wiederum verlässt den Landtag nach nur fünf Jahren, dreieinhalb davon als Mitglied der AfD. Rund zwei Jahre hatte der frühere Förderlehrer als Vorsitzender des Bildungsausschusses fungiert – an seiner Sitzungsleitung gab es nie Beanstandungen. Er habe sehr vielen Eltern helfen können, entsinnt er sich, „auf dem kurzen Dienstweg“ – etwa beim Thema Inklusion. Bayerbach stolperte dann über seine Mitgliedschaft in einer Whatsapp-Gruppe mit strittigen Inhalten, musste den Ausschussvorsitz abgeben. Später lag er im Clinch mit Teilen der Augsburger AfD, verließ Partei und Fraktion. Er gehöre „nicht zur Rumpeltruppe“, sagt Bayerbach. Eine Abgeordnetenpension kriegt er nach fünf Jahren nicht, und trotz Schwerbeschädigung gibt es Abschläge, weil er nun nicht mehr berufstätig sein will. Bayerbach sagt, sein jüngerer Sohn habe „sehr darunter gelitten, dass ich in der Politik bin“. Um ihn will er sich jetzt stärker kümmern.

Rechtsanwalt Alfred Sauter (72) blickt auf eine lange sowie wechselvolle Zeit im Landtag zurück. Der frühere CSUler ist ein politisches Schwergewicht. Entdeckt hat ihn Franz Josef Strauß, der den damaligen Bundestagsabgeordneten Sauter 1988 als Staatssekretär ins Europaministerium holte. Ab 1990 gehörte Sauter dann dem Landtag an, wo er später zum Justizminister avancierte, jedoch von Edmund Stoiber gefeuert wurde. Dieser brauchte 1999 einen Sündenbock für die verunglückten Geschäfte der halbstaatlichen Wohnungsbaugesellschaft LWS. 2021 trat Sauter aus der CSU aus, nachdem bekannt geworden war, dass er hohe Provisionen für Geschäfte mit Corona-Schutzmasken erhalten hatte. Der Bundesgerichtshof sprach ihn indes vom Vorwurf der Bestechlichkeit frei. 

Vom Ruhestand ist Sauter auch künftig weit entfernt. Seine beiden Kanzleien – eine davon betreibt er gemeinsam mit Peter Gauweiler – laufen weiter. „Mir macht das Spaß“, sagt Sauter. Und dass er „immer unabhängig sein wollte von der Politik“. Derlei, unkt er, werde für künftige Abgeordnete schwerer. Die neuen Transparenzregeln des Landtags hielten Freiberufler*innen davon ab, in die Politik zu wechseln.

CSU-Mann Alexander König (62) kehrt dem Landtag nach insgesamt 25 Jahren den Rücken. Sein Rückzug verlief etwas turbulent. Er habe bereits seit Längerem aufhören wollen, behauptet König, doch die von ihm angefragten Kandidatinnen gaben ihm Körbe, weshalb er noch mal habe antreten wollen. Nun ja – ein ambitionierter 22-jähriger Student setzte sich dann in einer Kampfabstimmung als Direktkandidat des Stimmkreises Hof durch. Gut möglich, dass König auch der vorangegangene Wirbel um teure Kameras geschadet hat, die er vor mehr als zehn Jahren auf Steuerzahlerkosten für sein Abgeordnetenbüro angeschafft hatte – was dem Rechnungshof missfiel. Ihm gehe es jedenfalls „ausgezeichnet“, versichert König fröhlich. Es sei genug mit der Politik. „Ich mache mir jetzt eine schöne Zeit.“ Reisen zähle dazu, sagt König. Zum Beispiel nach Australien, eines der Ziele, die ihm noch fehlen.

Weniger spektakuläre Reisen plant Königs Fraktionskollegin Angelika Schorer (64). 20 Jahre war sie Abgeordnete, und sie findet, „jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um aufzuhören“. Die Schwäbin blickt auf ausgefüllte Jahre zurück: die Zeit als Vorsitzende im Agrarausschuss, als Präsidiumsmitglied, daheim der Bauernhof, vier Kinder, daneben ihre Tätigkeit als Kreisrätin, stellvertretende Landrätin und zuletzt als Präsidentin des Bayerischen Roten Kreuzes. Die letztgenannten Aufgaben werden ihr erst mal bleiben, wenn sie aus dem Landtag scheidet. „Es ist also kein von 150 zurück auf null“, betont Schorer.

Trips in die Ferne sind nicht ihr Ding, in Zukunft will sie aber ihre Heimat besser kennenlernen: das Allgäu. „Hier ist es wunderschön“, schwärmt die neunfache Großmutter. Zusammen mit ihrem Mann will sie radeln, in gemütlichen Hotels übernachten und es sich einfach gut gehen lassen. 

Der Grüne Martin Runge (65) meint, dass nach gut 23 Jahren im Landtag mit Vorsitzen im Europa- und im Innenausschuss sowie zwischenzeitlich drei Jahren im Fraktionsvorstand „auch mal Schluss sein muss“. „Neue Besen kehren gut“, sagt er und hängt noch ein „hoffentlich“ an. Die Arbeit im Landtag habe Freude und auch Spaß gemacht wegen der Vielfalt der Themen und Arbeitsweisen. Allerdings hadert der Wirtschaftswissenschaftler damit, dass es ihm nicht gelungen ist, mit manchen Themen oder Thesen „stärker und/oder früher Gehör gefunden zu haben“.

CSU-Fraktionschef Kreuzer: Platz machen für Jüngere

Er meint damit seine Kritik am Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke als Tunnelvariante und seine frühzeitigen Hinweise auf die „Betrugsveranstaltung Wirecard“. In Sachen Stammstrecke und Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs will Runge auch in der „außerparlamentarischen Opposition“ weiter aktiv bleiben, ebenso in der Kommunalpolitik. „Neues wird sich schlicht ergeben“, sagt Runge etwas vage über seine weiteren Pläne.

Nach fast 30 Jahren scheidet CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer (64) im Herbst aus dem Landtag aus. Die letzten zwölf Jahre davon war der Allgäuer so etwas wie der Chefmaschinist der Landespolitik. Zuerst zwei Jahre als Staatskanzleichef, seit 2013 als CSU-Fraktionschef. Er tat dies als betont konservative Stimme, die schwarz-grünen Flirts nichts abgewinnen konnte, und als Plenarredner oft streng und wortgewaltig.

Als Grund für den Verzicht auf eine weitere Kandidatur nennt der Jurist sein Alter. Zum Ende der nächsten Legislatur wäre er über 69 Jahre alt, er habe daher „rechtzeitig die Weichen für einen Neuanfang in meinem Stimmkreis gestellt“. Bis zur Wahl im Oktober sei er noch „voll im Einsatz“, danach freue er sich „auf viel Zeit für mein Privatleben und all das, was in den letzten Jahren zu kurz kam“. In CSU-Kreisen hört man, bei seiner Entscheidung könne eine Rolle gespielt haben, dass Kreuzer nach der Landtagswahl wohl nicht mehr Fraktionschef geworden wäre. Schon in dieser Legislaturperiode hatten einzelne Abgeordnete seine Ablösung gefordert, weil sie unter seiner Führung die Rolle der Fraktion als „Herzkammer der CSU“ verloren gehen sahen.

Auf die Frage nach dem Grund für seinen Abschied aus dem Landtag verweist Peter Bauer (Freie Wähler) auf die Bibel und den Propheten Kohelet: „Alles hat seine Zeit!“ Und nun sei es eben für ihn mit bald 75 Jahren „Zeit, diesen Lebensabschnitt zu beenden“. Seine Arbeit im Landtag verrichtete der Mediziner und mit einer Professur der Universität Lima ausgestattete Franke als Sachpolitiker im besten Sinne. Die harte parteipolitische Auseinandersetzung war nie sein Ding. Genau so füllte er zuletzt auch sein Amt als Patienten- und Pflegebeauftragter der Staatsregierung aus, stets am Wohl der Menschen orientiert.

Kein Wunder, dass ihm die „große Überparteilichkeit und Geschlossenheit“ zu Beginn der Corona-Pandemie als wichtigste Erinnerung seiner 15 Jahre im Landtag bleibt. Gerne hätte Bauer noch die im Koalitionsvertrag von 2018 vereinbarte Pflegeplatzgarantie umgesetzt, doch darum müssen sich nun andere kümmern. Seine „neue Freiheit“ will Bauer nun mit Lesen, Kochen, Backen und Musizieren füllen. (Waltraud Taschner/Jürgen Umlauft)

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