Asbest, PCB, Weichmacher und Formaldehyd: In vielen deutschen Schulgebäuden befinden sich Schadstoffe, die nach und nach aus den Nachkriegsgemäuern entweichen. Die Folgen für die Schüler sind Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen oder Immunkrankheiten. Manche Chemikalien stehen sogar im Verdacht, krebsfördernd zu sein.
Doch obwohl zum Beispiel in der Münchner Eduard-Spranger-Mittelschule seit den 90er-Jahren bekannt ist, dass die Fugenmassen in den Wänden PCB enthalten, kämpfen Eltern seit über 20 Jahren erfolglos für eine Sanierung.
„Wir müssen davon ausgehen, dass es noch viele derartige Problemfälle gibt“, sagt die verbraucherschutzpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Rosi Steinberger. Sie wollte daher von der Staatsregierung wissen, wie hoch die PCB-Belastung in Schulen, Kindergärten und anderen öffentlichen Einrichtungen in Bayern ist.
Das Bauministerium antwortet, insgesamt seien in Deutschland seit Ende des Zweiten Weltkriegs rund 25 000 Tonnen PCB verbaut worden – davon rund 20 000 Tonnen in Fugendichtungsmassen. Sie verursachten jährlich eine PCB-Gesamtemission von sieben bis zwölf Tonnen. Auf bayerischem Boden entweichen die Giftstoffe aus 4500 Tonnen PCB.
Aufgrund der in den letzten Jahren durchgeführten Sanierungsmaßnahmen geht das Ministerium aber von einer Abnahme der PCB-Belastung in der Innenraumluft aus. Genau weiß es das Ressort von Bauminister Joachim Herrmann (CSU) allerdings nicht: „Systematische Messungen sind in den letzten zehn Jahren unseres Wissens nicht durchgeführt worden“, heißt es in der Antwort.
Die letzte Erhebung zur PCB-Belastung liegt in Bayern 15 Jahre zurück. 2002 wurden 15 470 Gebäude erfasst. In über der Hälfte (8296) der Fälle gab es Hinweise auf eine mögliche Verwendung von PCB-haltigen Bauprodukten. Der Großteil der Objekte lag zwar unter dem gesetzlichen Grenzwert. Doch in 478 Gebäuden überstieg die Konzentration die PCB-Richtlinie von 300 Nanogramm PCB pro Kubikmeter Raumluft. „Viele dieser Häuser dürften noch stehen“, vermutet Grünen-Frau Steinberger.
Die letzte PCB-Erhebung gab's in Bayern vor 15 Jahren
Aktuell wird in öffentlichen Gebäuden laut Ministerium nur verdachtsbezogen geprüft. Und in Schulen sei der Schulträger dafür verantwortlich. „Bei Verdacht auf Vorliegen bestimmter Schadstoffe, bei Geruchsbelästigung, bei Sanierungen sowie bei unklaren gesundheitlichen Beeinträchtigungen werden Schadstoffüberprüfungen durchgeführt“, heißt es in der Antwort. Grundlage sei die PCB-Richtlinie von 1994, die nach wie vor dem aktuellen Wissenschaftsstand entspreche.
Die Landtags-Grünen sehen das anders und verweisen auf mehrere neue Studien. Darin kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass durch das Einatmen der verseuchten Luft die tägliche Aufnahmemenge von PCB auch dann überschritten werden kann, wenn die gesamte PCB-Konzentration deutlich unterhalb des Grenzwerts liegt.
Als Konsequenz verlangt die Grünen-Fraktion von der Staatsregierung, ein Forschungsprojekt zur PCB-Belastung von Schulen, Kindergärten und Kitas aufzulegen. Besonderes Augenmerk soll dabei auf Gebäuden liegen, die in Elementbauweise wie zum Beispiel Plattenbauten in den Jahren von 1950 bis 1980 errichtet, umgebaut oder saniert wurden.
Doch selbst Neubauten können Gefahren bergen. Immer wieder stellen Experten fest, dass falsche Bodenkleber eingesetzt oder Materialien verwendet werden, die nicht zueinander passen und giftige chemische Reaktionen auslösen können. Bei Untersuchungen des TÜV Rheinlands an Schulen entdecken die Prüfer nicht selten zwischen 300 und 400 flüchtige organische Verbindungen in den Klassenzimmern.
(David Lohmann)
INFO: Schadstoffquellen für die Raumluft
Flüchtige organische Verbindungen (VOC) stammen aus Lösemitteln und befinden sich überall in Wohnungen. Neue Möbel dünsten oft noch aus, daher vorher zwei bis vier Wochen in einem Nebenraum auslüften lassen. Empfehlenswert sind geölte oder gewachste Vollholzmöbel. Im Boden lösen sich flüchtige Verbindungen durch Abrieb und können über Atemwege oder Schleimhäute aufgenommen werden. Gefärbte Materialien oder Kunststoff-Materialien können Schwermetalle enthalten. Wollteppiche sind häufig mit Insektiziden belastet, die Nervengift enthalten. In alten Parkettböden ist manchmal schwarzer Teerkleber enthalten, der aus polyaromatischen Kohlenwasserstoffen besteht, die ausdünsten können. Fertigparkettböden können Formaldehyd enthalten, welches durch zunehmende Abnutzung stärker austritt. Asbesthaltige Bodenbeläge wurden bis in die 80er-Jahre hinein in Cushion-Vinyl- oder in PVC-Belägen verwendet. Estrich und Klebemittel können ebenso Asbest enthalten, was vor allem bei Schleif- und Fräsarbeiten zu beachten ist. Fast alle Lacke enthalten gesundheitsgefährdende Stoffe, und gerade in Antikmöbeln befinden sich oft Substanzen, die über Jahrzehnte ausdünsten. Baustoffe wie Granit, Schlacke, Bims können hohe Radongehalte aufweisen, welche Lungenkrebs auslösen. Alle Abbeizer sind gesundheitlich problematisch. Holzschutzmittel enthalten Biozide – nicht im Innenbereich verwenden. Empfohlen werden Produkte mit dem Blauen Umweltengel. (LOH)
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