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Damit’s schneller geht: Hochschulen sollen künftig auf Antrag selbst das Recht für notwendige Baumaßnahmen erhalten können. (Foto: dpa/Karmann)

03.06.2022

Großer Wurf oder Minireform?

Die Staatsregierung präsentiert ein neues Hochschulgesetz – den Grünen geht das nicht weit genug, sie legen einen eigenen Gesetzentwurf vor

Die letzte Hochschulreform in Bayern gab es 2006. Das hört sich erst mal nicht lange an, aber damals schrieb man sich noch SMS. Eine Online-Lehre wie in den letzten drei Corona-Semestern wäre nicht möglich gewesen. Die Staatsregierung hat daher schon 2018 entschieden, das Bayerische Hochschulinnovationsgesetz auf den Weg zu bringen. Schwung bekam das Vorhaben 2019, als Ministerpräsident Markus Söder (CSU) seine Hightech Agenda verkündete, die Wissenschaft, Forschung und Technologie in Bayern stärken soll.

Nach vielen Anhörungen wurde der Gesetzentwurf diese Woche zum ersten Mal im Wissenschaftsausschuss diskutiert. Und: „Es ist ein großer Wurf für eine große Reform geworden“, lobte Winfried Bausback (CSU). Es habe zwar etwas länger gedauert, aber den Ansprüchen von 32 staatlichen Hochschulen mit über 400 000 Studierenden gerecht zu werden, dauere nun mal etwas länger. „Die Cheopspyramide wurde auch nicht an einem Tag gebaut“, betonte er.

Als einen der Schwerpunkte der Reform nannte Bausback die Entbürokratisierung der Hochschulen. Sie sollen größere Freiheiten beim Personal und den Finanzen bekommen. Um die klügsten Köpfe, „die Lewandowskis in ihren Fachbereichen“, schneller und einfacher nach Bayern zu holen, wird es künftig die Exzellenzberufung geben. Geplant sind außerdem Forschungsprofessuren, Forschungsfreisemester zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie der Ausbau des Technologietransfers beziehungsweise Forschungskooperationen. 

Damit aus Hochschulen heraus mehr Unternehmen gegründet werden, soll die Gründungsförderung erhöht werden – beispielsweise durch Start-up-Inkubatoren auf dem Campus. Um die Forschung in die Anwendung zu bringen, sind zusätzlich Gründungsfreisemester vorgesehen. „Die Bauverwaltungen sind zwar leistungsfähig, aber die Prozesse dauern lang“, ergänzte Bausback. Daher sollen Hochschulen künftig auf Antrag selbst das Recht für notwendige Baumaßnahmen erhalten können. 

Damit die Interessen der Studierenden stärker berücksichtigt werden, wurde ein sogenannter Landesstudienrat im Gesetz verankert. Um die Karrierechancen von Nachwuchskräften zu verbessern, erhalten Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) erweiterte Promotionsmöglichkeiten. Zeitverträge sollen allerdings nicht im „erheblichen Umfang“ reduziert werden. „Der ständige Personalwechsel im Mittelbau ist notwendig, weil sonst die Hochschulen verkrusten“, erklärte Bausback. Karrierezentren sollen aber helfen, alternative Jobmöglichkeiten zu finden.

Verena Osgyan (Grüne) lobte zwar das Promotionsrecht für HAW und das im Gesetzentwurf der Staatsregierung festgeschriebene Kaskadenmodell, eine Geschlechterquote basierend auf der nächstunteren Karrierestufe, um den Frauenanteil an Hochschulen zu erhöhen. Sie kritisierte aber den Gesetzgebungsprozess als „intransparent“ und den Gesetzentwurf als „vermurkst“. Ziel des Gesetzes sei die Beseitigung von „Gremienhemmnissen“, dabei sei das Mitspracherecht aller Statusgruppen ein wichtiger Bestandteil an Hochschulen.

 „Die Revolution ist ausgeblieben“

Die Grünen-Fraktion hat daher einen eigenen Entwurf für ein Hochschulgesetz vorgelegt. Zentraler Punkt darin: die Wiedereinführung einer Verfassten Studierendenschaft, die es in allen anderen Bundesländern gibt. Sie wurde 1974 in Bayern von Kultusminister Hans Maier (CSU) abgeschafft, um „den linken Sumpf an den Universitäten trockenzulegen“. Dadurch könnten Studierende mit einer Stimme sprechen und einfacher Verträge abschließen, beispielsweise beim Semesterticket. Außerdem sollen sie ein Viertel der Stimmen im Hochschulsenat erhalten. 

Des Weiteren sieht der Gesetzentwurf der Grünen die Abschaffung der Kurzzeitverträge für den wissenschaftlichen Nachwuchs vor. „Es kann nicht sein, dass sich Postdocs auf der Höhe ihrer Schaffenskraft an befristeten Verträgen entlanghangeln müssen“, unterstrich Osgyan. Wichtig sei ebenfalls ein Recht auf ein Teilzeitstudium, um eine bessere Durchlässigkeit zwischen Studium und Beruf zu ermöglichen. Um die Qualität der Doktorarbeit zu sichern, soll es aus Sicht der Grünen verpflichtende Standards bei der Promotion geben. 

Nicht zuletzt fordern die Grünen eine Transparenzklausel bei der Einwerbung von Drittmitteln, mehr Forschung im Bereich Umwelt und verpflichtende Nachhaltigkeitsberichte. Außerdem verlangen sie mehr Geld für Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsbeauftragte sowie die Pflicht zur Zweitveröffentlichung von Forschungsergebnissen, damit auch die breite Bevölkerung davon Kenntnis nehmen kann. Studiengebühren für EU-Ausländer und Gründungsfreisemester lehnen die Grünen ab. „Es kann nicht sein, dass Professor*innen bei voller Besoldung freigestellt werden.“ 

Stephan Oetzinger (CSU) überzeugten die Grünen-Argumente nicht. Er sprach von „Verschlimmbesserung“. Hochschulen würden dadurch in ihrer Struktur komplett verändert und müssten sich nur noch mit sich selbst befassen. „Dieser Gesetzentwurf führt zu einer Fesselung der Hochschulen“, kritisierte er. Die zusätzlichen Gremien und Beauftragten würden zu langwierigen „Stuhlkreisprojekten“ führen. Auch die Einführung der Gendersprache an Hochschulen sei komplett fehl am Platz. 

Christian Flisek (SPD) monierte, dass der CSU-Gesetzentwurf hinter den Erwartungen zurückbleibe. „Die mittlere Revolution ist ausgeblieben.“ Beispielsweise heiße die frühere „Experimentierklausel“ jetzt einfach „Innovationsklausel“. In Fliseks Augen ist es kein Zufall, dass der federführende Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) im Februar seines Amtes enthoben wurde. Auf einen eigenen Gesetzentwurf verzichtet die SPD-Fraktion aber. „Wir hoffen, ihn mit unseren Änderungsanträgen noch in die richtige Richtung zu lenken.“ Die nächste Expertenanhörung findet am 20. Juni statt. (David Lohmann)

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