Landtag

Horst Seehofer sagt, er hätte gerne die GBW-Mieter gerettet. „Ich wäre der König von München gewesen.“ (Foto: dpa)

03.08.2018

Heikler Deal mit doppeltem Fazit

Nach dem Ende der Beweisaufnahme im GBW-Ausschuss sind sich CSU und Opposition komplett uneins

Nach Ende der Beweisaufnahme im GBW-Untersuchungsausschuss könnte das Fazit von regierender CSU und Opposition kaum unterschiedlicher sein. „Die Staatsregierung im Allgemeinen und Markus Söder im Besonderen haben alles richtig gemacht. Markus Söder und Horst Seehofer haben alles unternommen, um den bestmöglichen Schutz für die GBW-Mieter zu erreichen.“ So sieht es Ausschusschef Alexander König (CSU). Und was sagt Volkmar Halbleib (SPD)? „Es hat sich bestätigt, dass Markus Söder die Öffentlichkeit wissentlich mit der Unwahrheit bedient hat, als er 2012 behauptete, die EU-Kommission verbiete dem Freistaat den Kauf der GBW-Anteile der Landesbank.“ Es habe weder den Willen, noch irgendwelche Anstrengungen von Söder oder Seehofer gegeben, gegenüber der EU deutlich zu machen, dass man aus Gründen des Mieterschutzes die GBW-Wohnungen in die Hand des Freistaats übernehmen wolle.

Ein Blick zurück ins Jahr 2008. Seehofer ist gerade Ministerpräsident geworden, da muss er die von Finanzabenteuern in den USA und auf dem Balkan schwer angeschlagene BayernLB vor dem Kollaps retten. „Mein Eindruck war: Die BayernLB ist am Ende“, schildert Seehofer im Untersuchungsausschuss. Es sei darum gegangen, die Bank abzuwickeln oder mit in der Summe 14,8 Milliarden Euro zu retten. Man habe die Bank aber halten wollen, wegen der Arbeitsplätze und ihrer Bedeutung für den Mittelstand. Und außerdem: „Die Abwicklung der Landesbank wäre für die GBW-Mieter die allerschlechteste, weil unsozialste Lösung gewesen“, sagt Seehofer.

Die Wohnungsbaugesellschaft GBW gehörte damals mit ihren rund 33 000 überwiegend sozial gebundenen Mietwohnungen zum Portfolio der BayernLB. Im Beihilfeverfahren zu deren Rettung machte die EU-Kommission zur Auflage, dass sich die Bank auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und ihre Bilanzsumme halbieren müsse. Schnell wurde klar, dass Wohnungsbesitz nicht zum Kerngeschäft gehört, die GBW-Anteile mithin verkauft werden müssten. Soweit herrscht Klarheit. Es folgt jedoch die Gretchenfrage in dieser Causa: Hat die EU-Kommission 2013 dem Freistaat verboten, die GBW aus dem Besitz der Landesbank selbst zu kaufen, wie der damalige Finanzminister Söder das 2012 behauptet hatte? Am Ende stand der Verkauf an ein Bieterkonsortium unter der Führung des Augsburger Wohnungsunternehmens Patrizia mit einem – nach Ansicht der Opposition – „Mieterschutz light“.

Opposition hält das Kaufverbot für eine Mär

Die Opposition hält das Kaufverbot für eine Mär. Beim Durchforsten der umfangreichen Aktenbestände haben sie keinen einzigen Hinweis darauf gefunden. „Die Staatsregierung hatte nie ein echtes Interesse, die GBW-Anteile selbst zu übernehmen“, erklärt der Grüne Thomas Mütze. Noch weiter geht Peter Bauer (Freie Wähler). Die CSU unternahm sogar Anstrengungen, um einen Erwerb durch den Freistaat zu verhindern. „Durch einen im Februar 2012 von der CSU und ihrem damaligen Koalitionspartner FDP verabschiedeten Dringlichkeitsantrag war ausgeschlossen, dass der Freistaat selbst die GBW-Anteile erwirbt“, betont Bauer. Die Zeugen Seehofer und Söder sprechen im Ausschuss dagegen von einem „faktischen Kaufverbot“. Mit ihren strengen Auflagen und der Drohung mit einem zweiten Beihilfeverfahren, das die Landesbank-Rettung hätte platzen lassen können, habe die EU der Staatsregierung gar keine andere Wahl gelassen, als im geforderten offenen Bieterverfahren der Patrizia als Meistbietender den Zuschlag zu geben.

„Wenn es eine Chance gegeben hätte, die GBW durch den Freistaat zu übernehmen, dann hätten wir sie ergriffen“, beteuert Seehofer. Das wäre auch in seinem eigenen Interesse gewesen. Kurz vor der Landtagswahl 2013 wäre es nicht schlecht gewesen, hätte er den GBW-Mietern sagen können, er habe sie gerettet. „Da wäre ich doch der König von München gewesen.“ Söder erläutert, seine Leitmotive seien damals gewesen, die Bank zu sanieren, die Steuerzahler zu schonen und die GBW-Mieter bestmöglich zu schützen. „Ich habe alles versucht, was rechtlich möglich war, und ich bin bewusst keine Abenteuer eingegangen.“ Und das größte Abenteuer wäre aus Söders Sicht gewesen, die GBW-Anteile durch den Freistaat zu übernehmen. „Das, was erreicht wurde, war das Bestmögliche unter den obwaltenden Umständen.“

Ausschusschef König sieht es so: „Wenn es nun heißt, die EU habe kein explizites Verkaufsverbot an den Freistaat ausgesprochen, dann war das ungefähr so, als würde Ihnen jemand im 15. Stock eines Hochhauses erklären, es sei nicht verboten, vom Balkon zu springen.“ Vor diesem Hintergrund grenzten die Vorwürfe der Opposition an „böswillige Verleumdung“. Söder und Seehofer hätten zunächst versucht, die GBW-Wohnungen exklusiv an die Standortkommunen zu verkaufen und dann alle Möglichkeiten einer Übernahme durch den Freistaat Bayern geprüft. All das sei an den Vorgaben der EU-Kommission gescheitert. Schließlich sei es gelungen, im von der EU geforderten offenen Bieterverfahren den bestmöglichen Mieterschutz zu gewährleisten – mit der berühmten „Sozialcharta XXL“, wie Söder die in ihrer Wirkung umstrittenen Schutzklauseln taufte.

SPD-Mann Halbleib sieht den GBW-Verkauf an die Patrizia bei Weitem nicht so alternativlos. Der Rechtsberater der Staatsregierung selbst, ein ausgewiesener Experte im EU-Beihilferecht, habe 2012 Wege aufgezeigt, wie ein Kauf durch den Freistaat doch möglich gewesen wäre. Doch Seehofer und Söder hätten nichts in diese Richtung unternommen. „Aus meiner Sicht gab es auf der Grundlage der Aussage des Rechtsberaters weder ein echtes noch ein faktisches Kaufverbot“, stellt Halbleib fest. Und dass ein zweites Beihilfeverfahren gleichbedeutend mit einem Scheitern der Landesbank-Rettung gewesen wäre, hält er für eine Schutzbehauptung. „Für ein solches Szenario gibt es keinen einzigen Hinweis.“

König widerspricht vehement. Söder sei 2011 schon drei Wochen nach seinem Amtsantritt als Finanzminister in Brüssel gewesen und habe alle Optionen geprüft. Zwischen den Zeilen habe die EU-Kommission immer deutlich gemacht, dass die Landesbank-Rettung bei einem Verstoß gegen Auflagen scheitern könnte. „Es ging bei der BayernLB-Rettung um Tausende Arbeitsplätze nicht nur bei der Bank, sondern in ganz Bayern, zudem standen die Gesellschafter – also der Freistaat und die Sparkassen – mit Milliardensummen im Feuer“, erinnert König. Ein Scheitern hätte die Schuldenlast des Freistaats vervielfacht, die Sparkassen in ihrer Existenz gefährdet und letztlich auch die GBW-Mieter völlig schutzlos gemacht.
(Jürgen Umlauft)

Kommentare (1)

  1. Insider am 04.08.2018
    Es war eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera. Auf der einen Seite die 33.000 Mieter, auf der anderen Seite (wie man uns damals vorrechnete) etwa 70.000 Jobs im Land im Falle eines totalen Kollaps der BayernLB. Insofern hat die Staatsregierung ab 2008 richtig gehandelt. Wenn es einen wirklich Schuldigen gibt, dann den größenwahnsinnigen Edmund S., der die Bank überhaupt erst in diese Lage manövriert hat. Der gehört eigentlich vor den Ausschuss, nicht seine Nachfolger.
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