Die Zahl der Drogentoten hat letztes Jahr erneut zugenommen. Insgesamt wurden in Bayern 314 Todesfälle registriert. Im gesamten Jahr 2014 waren es 251, vor zwei Jahren 230 Rauschgifttote. Besonders gravierend ist der Anstieg in München: Seit 2011 ist die Zahl kontinuierlich um insgesamt rund 100 Tote gestiegen – eine ähnlich negative Entwicklung gab es seit 22 Jahren nicht mehr. Peter Paul Gantzer (SPD) wollte daher wissen, wie sich die Staatsregierung den kontinuierlichen Anstieg erklärt. Und Hans Jürgen Fahn (Freie Wähler), wie die Opfer räumlich auf Bayern verteilt waren und welche Nationalität sie hatten.
Warum Bayern die meisten Drogentoten hat, scheint das Innenministerium selbst nicht genau zu wissen: „Seitens der Staatsregierung ist keine eindeutige Ursache festzustellen.“ Gleiches gelte für München. „Auffällig ist aber, dass bis auf acht Drogentote alle einschlägig polizeilich in Erscheinung getreten waren und es sich zum Großteil um Langzeitkonsumenten handelte“, betont das Ressort von Joachim Herrmann (CSU). Außerdem sei das Durchschnittsalter der Konsumenten und damit das Todesfallrisiko gestiegen: Während die Opfer zwischen 2006 und 2014 noch 35,5 Jahre alt waren, lag das Durchschnittsalter letztes Jahr bei 39,0 Jahren. „Darüber hinaus erhöht weitverbreiteter Mischkonsum das Risiko einer Überdosierung deutlich.“
Die meisten Todesfälle gab es bei der letzten Auswertung 2014 in den Präsidialbereichen München, Mittelfranken und Niederbayern. Bei den Großstädten liegen nach München Nürnberg, Augsburg und Regensburg an der Spitze. Warum Nürnberg gemessen an den Einwohnern die im bundesweiten Vergleich höchste Rate an Drogentoten verzeichnet, kann das Ministerium ebenfalls nicht sagen. „Die Gründe können polizeilich nicht abschließend bewertet werden.“ Es gebe wohl ein Zusammenwirken unterschiedlicher Ursachen wie Zufall, schlechter gesundheitlicher Allgemeinzustand, Mischkonsum, Mehrfacherkrankung, Unwissenheit und Unerfahrenheit. Auch der Reinheitsgrad des in dieser Region verfügbaren Heroins und die Verbreitung von Crystal Meth seien maßgebliche Gründe.
Bayerns Bezirketagspräsident Josef Mederer (CSU) fordert wie die SPD Drogenkonsumräume
Die meisten Opfer waren mit 210 Personen Deutsche. Danach folgen Türken (3,2 Prozent), Serben und Kasachen (jeweils 1,6 Prozent). Zu den zahlreichen Toten im Zeitraum von 2008 bis 2014 gehören außerdem Staatsangehörige aus Russland, Italien und Griechenland. Die Mehrzahl der Todesfälle lässt sich nach Angaben des Innenministeriums auf eine Heroin-Überdosis und Mischkonsum mit anderen Drogen, nicht aber auf Streckmittel zurückführen: „Beim Landeskriminalamt sind für die letzten fünf Jahre keine Rauschgifttodesfälle bekannt, in denen der Tod auf beigemengte Verunreinigungen zurückzuführen war.“
Ob das Ausweichen auf Drogen, die bisher nicht auf der Verbotsliste stehen, ein Grund für die Zunahme der Rauschgifttoten ist, wie Fahn vermutet, kann das Ministerium nicht sicher sagen. Allerdings habe sich 2015 erneut ein Anstieg abgezeichnet. Eine Verbesserung der Rechtslage im Bereich „Neue psychoaktive Stoffe“ erhofft sich Herrmann durch das auf Bundesebene im Stadium eines Referentenentwurfs vorliegende Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz. Damit könne besser gegen Herstellung und Vertrieb vorgegangen werden.
Die Einrichtung von weiteren Drogenkonsumräumen für Suchtkranke, wie von Gantzer und kürzlich sogar vom bayerischen Bezirketagspräsident Josef Mederer (CSU) gefordert, lehnt das Ministerium hingegen ab. „Sie sind weder zur Sicherung des Überlebens noch aus sonstigen gesundheitlichen Gründen zwingend notwendig, vor allem verhindern sie Drogentodesfälle nicht auf Dauer.“ In Bayern gebe es insbesondere in Großkommunen ausreichend Netze von niedrigschwelligen Hilfen für suchtkranke, besonders für drogenabhängige Menschen.
(David Lohmann)
INFO: Hilfen und Präventionsmaßnahmen für Suchtkranke in Bayern
Netzwerk 40+: Das Projekt für ältere Drogenabhängige startete im März 2015 und wird von der Staatsregierung mit rund 225 000 Euro gefördert.
Suchtprävention für Menschen mit russischem Migrationshintergrund: Das Projekt wurde im Juni 2015 gestartet und wird von der Staatsregierung mit rund 330 000 Euro gefördert.
Runder Tisch Drogentod: Zusammen mit Polizei und Staatsanwaltschaft in Nürnberg wurden neben einer verstärkten Präventionsarbeit in der einschlägigen Szene unter anderem Warnaufkleber gedruckt, mit Warnhinweisen bedruckte Tassen produziert und mit der Rettungsnummer 112 bedruckte Venenstauer verteilt.
Mindzone: Das Projekt mit einem Informations- und Beratungsangebot für Clubs und Diskotheken richtet sich an gefährdete Szenegänger. Das Gesundheitsministerium fördert diese Maßnahme mit jährlich rund 30 000 Euro.
Crystal-Hotline: Seit 2014 gibt es in Regensburg (0941/56 95 829 01) eine bundesweit einmalige Crystal-Beratungsnummer für Angehörige und Betroffene.
FrED: Das Projekt bietet an 24 Standorten Hilfe zur Intervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten.
Vor-Ort-Hilfen: Das Hilfsangebot umfasst 180 Beratungsangebote in allen bayerischen Bezirken. Dazu zählen niederschwellige Hilfen wie Notschlafstellen, Drogenkontakträume, Bereitstellung von Spritzen, Streetworker und Substitutionsbehandlung sowie externe Suchtberatung in den Justizvollzugsanstalten. Weitere Infos unter www.kbs-bayern.de. (LOH)
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